Donnerstag30. Oktober 2025

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IrlandFesthalten an Bewährtem: Aus der Parlamentswahl sind die großen Regierungsparteien gestärkt hervorgegangen

Irland / Festhalten an Bewährtem: Aus der Parlamentswahl sind die großen Regierungsparteien gestärkt hervorgegangen
Am Wochenende wurden noch immer Stimmen ausgezählt. Doch die beiden großen Partner der konservativ-liberal-grünen Dubliner Koalition unter Premierminister Simon Harris scheinen als Sieger festzustehen.  Foto: AFP

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Keine Experimente – dieses Motto scheinen die Iren ihrer Wahlentscheidung vom Freitag zugrundegelegt zu haben. Den Auszählungen vom Wochenende zufolge gingen die beiden großen Partner der konservativ-liberal-grünen Dubliner Koalition unter Premierminister Simon Harris als Sieger durchs Ziel.

Hingegen musste die linkspopulistische Republikanerpartei Sinn Féin erhebliche Stimmverluste hinnehmen. Budgetminister und Chef der Eurogruppe Paschal Donohoe zeigte sich erleichtert über das stetige Abschneiden seiner konservativen Partei Fine Gael (FG): „In ganz Europa kämpfen Regierungen um ihre Wiederwahl. Im Vergleich dazu haben die beiden größeren Regierungsparteien eine sehr starke Vorstellung gezeigt.“

Der ersten Auszählung in den 43 Wahlkreisen zufolge erzielte Premierminister Simon Harris’ FG 20,7 Prozent, praktisch dasselbe Ergebnis wie bei der Wahl 2020 (20,9). Der bisherige nationalliberale Koalitionspartner Fiánna Fáil (FF) unter Außenminister Micheál Martin verbuchte 21,5 Prozent (22,2), Sinn Féin (SF) musste sich mit 18,7 Prozent begnügen (24,5). Katastrophal fiel der Wahltag mit rund drei Prozent für die bisher mitregierenden Grünen aus; sie müssen um den Wiedereinzug ins Parlament bangen.

Wegen des komplizierten Präferenzwahlsystems auf der grünen Insel waren bis Sonntagnachmittag erst 57 der insgesamt 174 Mandate im Parlament Dáil vergeben. Normalerweise zuverlässige Vorhersagen der Auszählungsbeobachter sprachen davon, FG und FF würden gemeinsam bei zwischen 80 und 85 Mandaten landen. Eine Projektion der Irish Times ließ sogar die Möglichkeit erkennen, das Duo gemeinsam werde 89 Sitze gewinnen und damit knapp oberhalb der Parlamentsmehrheit von 88 liegen. Aus dieser Position der Stärke heraus könnten die beiden bewährten Partner nach einem oder sogar zwei kleineren Koalitionspartnern suchen „oder sich für ihre Mehrheit auf unabhängige Abgeordnete verlassen“, analysiert der Politikdozent Eoin O’Malley von der Dublin City University. „Auf jeden Fall bleibt Stabilität oberstes Gebot.“

Wenig Lust auf Unabhängige

Im Wahlkampf machten viele Unabhängige von sich reden, schon war von bis zu 25 Mandaten für solche Independents die Rede. Danach sah es nicht aus, verlässliche Projektionen sprachen von höchstens 19 Abgeordneten. Einer davon könnte der Berufskriminelle Gerry Hutch sein, einer der Paten der Dubliner Unterwelt. Dem Bandenkrieg zwischen dem Hutch-Clan und der Kinahan-Gruppe fielen achtzehn Menschen zum Opfer, darunter auch Hutchs Bruder sowie zwei Neffen.

Mit seiner Kandidatur im Wahlkreis Dublin-Mitte wollte der wegen seiner asketischen Lebensweise als „Mönch“ bekannte 61-Jährige der SF-Chefin Mary Lou McDonald das Leben schwermachen. Ein SF-Funktionär und früherer Hutch-Helfer hatte in einem Mordprozess als Kronzeuge gegen Hutch ausgesagt; der Beschuldigte wurde freigesprochen. In Dublin-Mitte ballen sich soziale Probleme wie Wohnungsnot, Drogenkonsum und Kriminalität. Offenbar machten dort viele Wähler ihrem Protest gegen die Verhältnisse ausgerechnet mit einem Votum für einen Berufsverbrecher Luft.

Bei den großen Parteien besteht offenbar wenig Lust, sich mit den Unabhängigen einzulassen. Geliebäugelt wird eher mit den Mitte-Links-Parteien Labour und Sozialdemokraten (SD). Die alte Arbeiterpartei wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts als politischer Arm der Gewerkschaftsbewegung gegründet, die SD gibt es noch keine zehn Jahre. Regierungsveteranen bezweifeln deshalb, ob die 35-jährige SD-Parteichefin Holly Cairns und ihre kleine Fraktion genug Stehvermögen für fünf Jahre Koalition aufbringen. „Labour kennen und respektieren wir“, heißt es hinter vorgehaltener Hand.

Den beiden Mitte-Links-Parteien dürfte das Menetekel früherer kleiner Koalitionspartnerinnen vor Augen stehen. Die bisher regierenden Grünen büßten 2007 nach ihrer ersten Regierungsbeteiligung sämtliche Mandate ein. Brutal abgestraft wurde auch Labour 2016 als Juniorpartner einer Koalition mit FF; damals durchlitt die grüne Insel das harte, von der EU und dem Währungsfonds IWF verordnete Sparprogramm nach dem Kollaps irischer Banken.

Immerhin gibt es diesmal sowohl reichlich Geld in der Staatskasse als auch einen breiten Konsens dafür, dass besonders beim Wohnungsbau und in der Gesundheitsversorgung – ganz im Sinn sozialdemokratischer Politik – größere Bevölkerungsgruppen vom Wohlstand profitieren müssen. Hingegen dürfte die von SF gebetsmühlenartig ins Spiel gebrachte Abstimmung über eine Wiedervereinigung Irlands weiterhin Zukunftsmusik bleiben.

Die Auszählung in den 43 Wahlkreisen, die je nach Größe zwischen drei und fünf Abgeordnete in die Dáil entsenden, wird gewiss noch bis Montag, womöglich sogar bis Dienstag andauern. Für die Parteichefs aber hat das Gerangel um Koalitionen, gemeinsame Inhalte und mögliche Kabinettspositionen bereits begonnen. Übereinstimmung herrscht in Dublin darüber, dass die Regierungsbildung diesmal nicht wie zuletzt gut zwei Monate dauern soll. Der Grund hat einen Namen: Donald Trump. Wenn der Berserker am 20. Januar wieder die Macht im Weißen Haus übernimmt und tatsächlich die EU mit Strafmaßnahmen belegt, wollen die Iren eine dialog- und handlungsfähige Administration präsentieren können.