Dienstag11. November 2025

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DeutschlandFDP-Chef Christian Lindner: „Mit den Grünen werde ich keine Koalition mehr eingehen“

Deutschland / FDP-Chef Christian Lindner: „Mit den Grünen werde ich keine Koalition mehr eingehen“
FDP-Chef Christian Lindner mus darauf hoffen, dass seine Partei bei den Bundestagswahlen die Fünf-Prozent-Hürde schafft Foto: AFP/Odd Andersen

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FDP-Chef Christian Lindner macht SPD und Grünen im Migrationsstreit ein neues Kompromissangebot: Vor der Wahl sollen demokratische Parteien die Unions- und die Ampelpläne gleichermaßen beschließen. Nach der Wahl aber will Lindner von den Grünen nichts mehr wissen.

Tageblatt: Herr Lindner, der FDP-Kurs in der Migrationspolitik wirkt verwirrend und widersprüchlich: Erst sagten Sie, es sei Ihnen egal, wenn die Verschärfung der Asylpolitik mithilfe der AfD beschlossen wird. Am Freitag wollten Sie das plötzlich doch verhindern, durch Überweisung an den Innenausschuss. Was gilt nun? Ist die Brandmauer zur AfD wichtig oder nicht?

Christian Lindner: Wir sind klar. Sie vermischen Sach- und Verfahrensfragen. Die FDP will Kontrolle und Begrenzung der Migration. Wir brauchen qualifizierte Einwanderung, aber keine irreguläre Migration in den Sozialstaat. Daran arbeiten wir seit Jahren. Die Vorschläge der Union entsprechen langjährigen Positionen der FDP. Einem Gesetzentwurf einer demokratischen Fraktion, der unseren Ideen entspricht, stimme ich zu. Brandmauer kann für mich nicht heißen, dass die AfD-Unterstützung dazu führt, dass man Unionsanträgen nicht zustimmen kann. Allerdings wurde am Freitag bekannt, dass CDU-Länder wie Nordrhein-Westfalen das Gesetz im Bundesrat ablehnen würden, wenn es mit der AfD beschlossen würde. Außerdem wäre ein Schulterschluss der seriösen Parteien von hohem Wert. Deshalb haben wir nochmals den Versuch unternommen, SPD und Grüne ins Boot zu holen, um das Gesetz gemeinsam zu beschließen.

Es gab am Freitag bei der FDP besonders viele Abweichler. 27 von 92 FDP-Abgeordneten haben nicht für das Migrationsgesetz der Union gestimmt. Das ist fast ein Drittel. Schadet das der FDP?

Nicht jede Abwesenheit, zum Beispiel durch Krankheit, hat politische Gründe. Tatsächlich fehlten der Union zwölf eigene Stimmen für die eigene Initiative. Das wiegt schwerer, denn wären CDU und CSU geschlossen gewesen, wäre das Gesetz gekommen. Nachvollziehbar sollte aber sein, dass es bei einer liberalen Fraktion auch Abgeordnete gibt, die bei einem Gesetzentwurf einer anderen Fraktion Zufallsmehrheiten mit der AfD ablehnen. Als Partei der Meinungsfreiheit legen wir besonderen Wert auf das freie Mandat jedes Abgeordneten.

Haben Sie und Fraktionschef Dürr die FDP-Fraktion nicht mehr im Griff?

Wir sind in einem Bundestag ohne klare Mehrheitsverhältnisse in der absoluten Schlussphase der Wahlperiode. Das ist eine Ausnahmesituation.

Nun waren unter den FDP-Abweichlern auch prominente Namen wie Johannes Vogel und Konstantin Kuhle. Sind das zwei, die sich als mögliche Nachfolger für Ihren Job warmlaufen?

Wie kommen Sie darauf?

So viel kann man schon sagen: Mit den Grünen werde ich als Vorsitzender nach den Erfahrungen der letzten Jahre keine Koalition mehr eingehen

Weil beide für eine linkere Ausrichtung der FDP stehen als Sie, also für eine andere Richtung.

In der FDP gibt es keine Debatte über die Ausrichtung unserer Partei. Das wäre auch absurd, denn nicht unser Einsatz für Freiheit, Leistungsprinzip, wirtschaftlichen Fortschritt und Privateigentum bremsen uns, sondern die Zeit, in der wir eine Koalition mit zwei linken Parteien bilden mussten. Die FDP muss daher ihr liberales, also marktwirtschaftliches und bürgerrechtliches, Profil weiter schärfen. Das werden wir am Sonntag bei unserem Parteitag tun, wenn wir unsere Prioritäten für mögliche Koalitionen beschließen. So viel kann man schon sagen: Mit den Grünen werde ich als Vorsitzender nach den Erfahrungen der letzten Jahre keine Koalition mehr eingehen. Friedrich Merz ist ja noch offen dafür, ich kann ihm nur abraten.

Der Innenausschuss des Bundestags soll vor der Wahl noch über Gesetze von SPD und Grünen zum EU-Asylsystem GEAS, für mehr Sicherheit und für mehr Befugnisse der Bundespolizei entscheiden. Werden Sie diese nun mittragen?

Wir erneuern unser Vermittlungsangebot. Die FDP würde Gesetze aus der Ampelzeit unterstützen, wenn im Gegenzug die sinnvollen Elemente aus dem Unionsgesetz aufgenommen würden. Insbesondere die Aussetzung des Familiennachzugs für subsidiär Schutzberechtigte ist dabei umstritten. Die Grünen wollen das nicht aussetzen, sondern sogar ausweiten. Als Kompromiss bieten wir an, die Aussetzung zunächst auf einige Jahre zu befristen. Letztlich liegt es an den Grünen, ob sie bereit sind zum Kompromiss, um der AfD den Wind aus den Segeln zu nehmen, oder ob sie mit ihrem Kurs die AfD noch stärken.

Die schlechte Wirtschaftslage brennt den Bürgern laut Umfragen mehr auf den Nägeln als die Migrationsfrage. Mit welchen drei Punkten wollen Sie die Wirtschaft wieder fit machen?

Erstens: Bürokratismus abbauen. Das umfasst etwa, das Lieferkettengesetz auszusetzen, das Arbeitszeitgesetz auf europäisches Minimum zu reduzieren und Forschungsverbote auszusetzen. Wir brauchen zweitens eine Steuerreform, bei der alle mehr Netto vom Brutto haben, der Soli fällt und die Stromsteuer sinkt. Und drittens sollten wir in der Klimapolitik nicht über die EU-Ziele hinausgehen. Das spart Milliarden grüne Subventionen und erspart uns, funktionierende Technologien und Anlagen zu verschrotten.

Und damit finanzieren Sie die mehr als 100 Milliarden Euro, die Ihre umfangreichen Steuersenkungspläne laut Studien von Wirtschaftsforschern kosten?

Ja. Bis 2029 sind jährlich mehr als 150 Milliarden Euro Volumen für mehr Investitionen und Entlastungen möglich, wie ich vorgerechnet habe. Die von mir noch als Minister vorgeschlagene Reform des Bürgergeldes bringt rasch einen hohen einstelligen Milliardenbetrag. Weniger Migration in den Sozialstaat bringt einen zweistelligen Milliardenbetrag ein. Weniger grüne Klimasubventionen sind noch einmal ein zweistelliger Milliardenbetrag, die Verschlankung des Staatsapparats bringt ebenfalls einen hohen einstelligen Milliardenbetrag. Und wieder mehr Wachstum bringt uns steigende Staatseinnahmen.

Nach mehr Wirtschaftswachstum sieht es aber gerade nicht aus: US-Präsident Trump hat US-Zölle auch gegen europäische Produkte angekündigt. Wie sollte die EU darauf reagieren?

Wir brauchen eine neue Ära transatlantischer Diplomatie. Die Zölle wären schädlich für uns, die Reaktion wären Gegenzölle. Handelskriege kennen nur Verlierer. Wir müssen eine neue Basis mit den USA schaffen. Bedauerlicherweise haben wir keine guten Drähte nach Washington, denn der Kanzler und die Außenministerin haben es sich durch ihre Interventionen in den US-Wahlkampf mit Trump verdorben. Deshalb ist ein Regierungswechsel in Deutschland die Voraussetzung dafür, dass wieder neue Gesprächskontakte zum Trump-Lager entstehen. Und wir beispielsweise einen neuen Anlauf für ein Freihandelsabkommen nehmen können.

Wie finden Sie es, dass der US-Milliardär Elon Musk Zugang zu Trump und zum Zahlungssystem des Finanzministerium hat? Sie hatten sich ja als Fan von Musk geoutet.

Sehr verkürzt gefragt. Mich beeindruckt die unternehmerische Schaffenskraft, nicht das politische Urteilsvermögen. Wenn so ein Innovator wie Musk den Staatsapparat modernisiert und effizienter macht, finde ich das gut. Ich kenne die Details in den USA nicht. Aber prinzipiell dürfen politische und wirtschaftliche Macht nicht in einer Person verschmelzen.

In einer Deutschland-Koalition würden Sie wieder mit der SPD paktieren, deren Bundeskanzler Sie als Minister entlassen hat. Wie passt das zusammen?

Wenn die FDP im Bundestag ist, hat Schwarz-Grün wohl keine Mehrheit. Da eine Jamaika-Koalition für uns mit den Grünen nicht infrage kommt, wäre die Deutschland-Koalition wahrscheinlich. Schwarz-Gelb wäre das Beste, aber Schwarz-Rot-Gelb ist immerhin besser als Schwarz-Grün. Olaf Scholz tritt nach der Bundestagswahl in den Ruhestand. Ohnehin ist seine Erzählung zum Ampel-Aus gerade in sich zusammengebrochen.

Wieso das?

Der Bundeskanzler hat mich am 6. November rausgeschmissen, weil ich mich geweigert habe, 15 Milliarden Euro an der Schuldenbremse vorbei aufzunehmen, um davon drei Milliarden zusätzlich an die Ukraine zu geben. Letzte Woche hat der Bundestag festgestellt, dass man diese drei Milliarden ohne Aussetzen der Schuldenbremse finanzieren kann. Damit ist das Kartenhaus von Herrn Scholz in sich zusammengebrochen. Die SPD hat nicht mal mehr dagegen gestimmt, sondern sich enthalten. Das ist eine Absetzbewegung von Scholz im laufenden Wahlkampf. Zu meinem Geburtstag im Januar habe ich so viele liebenswerte SMS von Sozialdemokraten bekommen, dass ich nicht das personifizierte Böse sein kann, zu dem Olaf Scholz mich machen wollte.

Wir treten nur in eine Koalition ein, wenn es in den kommenden vier Jahren eine Steuerentlastung für die Bürger und die Betriebe gibt

Warum begrenzen Sie Ihre Möglichkeiten, indem Sie eine Koalition mit den Grünen per Parteitagsbeschluss von vornherein ausschließen?

Stagnation, Heizungs-Chaos, Verweigerung einer gesteuerten Einwanderungspolitik und die Attitüde der Bevormundung, all das habe ich bei den Grünen erlebt. Ich halte das für unser Land nicht mehr für verantwortbar. Genau das macht die AfD stark. Ich möchte nicht, dass wir 2029 österreichische Verhältnisse haben. Nach Schwarz-Grün käme unweigerlich Blau-Schwarz.

Wenn die FDP die Fünf-Prozent-Hürde nicht schafft, treten Sie dann zurück?

Machen Sie sich um mich keine Sorgen, machen Sie sich lieber Sorgen ums Land. Wir haben jetzt noch fast drei Wochen Wahlkampf. Mehr als ein Drittel der Bürger bilden sich erst jetzt ihr Urteil. Wir haben unseren Bundesparteitag am Sonntag. Da werden wir unsere Koalitionsprüfsteine festlegen.

Können Sie uns einen dieser Prüfsteine schon jetzt nennen?

Wir treten nur in eine Koalition ein, wenn es in den kommenden vier Jahren eine Steuerentlastung für die Bürger und die Betriebe gibt. Wir haben 2021 Steuererhöhungen ausgeschlossen und unser Wort gehalten. So verlässlich werden wir jetzt bei Steuerentlastungen auch sein. Denn sie sind nötig, um einen wirtschaftlichen Aufschwung zu erreichen.

Im September haben Sie im Interview mit uns vor dem „Herbst der Entscheidungen“ in der Ampel gewarnt. Kommt jetzt der „Winter des Comebacks“ nicht nur der FDP, sondern auch der deutschen Wirtschaft?

Interessant, dass Sie daran erinnern. Das beweist ja, dass wir klargemacht haben, dass wir nicht ohne Weiteres die Ampel fortsetzen. Ja, jetzt geht es um den „Winter des Comebacks“. Ich meine damit nicht nur die FDP, sondern Deutschland. Ohne Wirtschaftswende droht Abstieg, ohne Realismus bei der Migration weitere Polarisierung. Dazu darf es nicht kommen.

Nomi
6. Februar 2025 - 11.15

Dem Lindner seng Ide'en sin fortschretlech, zukunftsorientei'ert an Anti-AFD.
Manner Stei'eren fir Privat an Betrieber !
Ech vestinn net wei'so'u se mat den 5% ze kaempfen hun !

JJ
6. Februar 2025 - 9.16

Erst einmal die 5% schaffen . Lindner und Habeck tun so als hätten sie Deutschland regiert.