Sonntag19. Oktober 2025

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Forum von Robert GoebbelsFalsche Freunde und richtige Feinde: Die Europäer benötigen selbstbewusste Partnerschaften

Forum von Robert Goebbels / Falsche Freunde und richtige Feinde: Die Europäer benötigen selbstbewusste Partnerschaften
  Foto: Jacquelyn Martin/AP/dpa

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Die Europäer lieben „Freunde“. Fürchten „Feinde“. Unser Denken, unsere Sprache sind aufgebaut auf binäre Wertvorstellungen. Der „freie Westen“ und der „unfreie Osten“. Der „reiche Norden“ versus den „armen Süden“. Diese Selbstüberschätzung der Europäer und ihrer Klone von Amerika bis Australien ist historisch bedingt. Fünf Jahrhunderte lang dominierten europäische Nationen den Rest der Welt. Sie etablierten überall ihre Handelskontore, kolonisierten alle Kontinente, entnahmen Rohstoffe und ernteten Reichtum. Wie Pascal Boniface schreibt: „Europa eroberte die Welt, und die Welt wurde verwestlicht“. („La Géopolique“).

Die Dominanz der Europäer wurde im 20. Jahrhundert abgelöst von derjenigen der USA. Doch die Vormachtstellung des „Westens“ ist im neuen Jahrhundert definitiv Geschichte. Eine steigende Gruppe von Staaten lehnt den „westlichen Führungsanspruch“ ab. Sie sind nicht prinzipiell „anti-westlich“ eingestellt. Verweigern sich jedoch politischen Entscheidungen, an denen sie nicht beteiligt waren. Etwa wirtschaftliche Sanktionen, die ihren Interessen nicht dienlich sind.

So die BRICS-Staaten, ursprünglich Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika. Zu denen sich politisch so antagonistische Staaten wie der Iran oder Saudi-Arabien gesellten. Sie haben laut Boniface „kein gemeinsames Projekt, aber die geteilte Ablehnung einer vom Westen dominierten Welt“.

In dem Maße wie die Welt sich globalisierte, zerbröckelte die „atlantische“ Vormacht. Zwar sind die USA weiterhin erste militärische und technologische Macht. Erreichten dennoch ihre Kriegsziele nicht in Korea, in Vietnam, in Afghanistan, nicht einmal im Irak.

Präsident Trumps Vorgabe, Amerika „greath again“ zu machen, ist eigentlich das Eingeständnis der schwindenden Macht des einstigen „globaler Hegemon“.

„Lifestyle“-Supermacht

Die EU-Europäer sind ein reicher Kontinent. Der mit bloß sechs Prozent der Weltbevölkerung 18 Prozent des globalen Sozialproduktes erwirtschaftet. Doch der Reichtum der Europäer bröckelt. Sie sind in keinem wirtschaftlichen Sektor mehr führend. „Europa ist eine *Lifestyle*-Supermacht“, schreibt Kenneth Rogoff. Mit dem weltweit besten Lebensstandard. Den meisten Feiertagen und den längsten Ferien. Sowie dem besten Sozialnetz der Welt. Immerhin stehen die Europäer für praktisch 50 Prozent der weltweiten Sozialausgaben. Sie stellen die Hälfte der globalen Entwicklungshilfe.

Doch die Musik wird immer weniger auf dem alten Kontinent gemacht. Der Pazifik ist eigentlich ein leerer Raum. Doch an den Rändern des größten Ozeans leben 58 Prozent der Weltbevölkerung. Die mit 40 Prozent des globalen Weltproduktes mehr als doppelt so viel Reichtum schaffen, wie die zahlenmäßig schrumpfenden Europäer.

Ein möglichst uneingeschränkter Handel liegt im Interesse der Europäer. Die sich aber schwertun mit Freihandelsabkommen. Das zu Zeiten von Präsident Obama unter dem Kürzel TTIP angestrebte transatlantische Handelsabkommen zwischen der EU und den USA versackte in den ideologischen Grabenkämpfen der Europäer. Hin- und hergerissen zwischen nationalen Egoismen und planetarer ökologischer Bevormundung. Hätten wir heute ein von dem amerikanischen wie dem europäischen Gesetzgeber abgesegnetes TTIP-Abkommen, könnte der Donald Trump nicht die Europäer mit seinen Zoll-Orgien demütigen.

Dennoch wehren sich weiterhin Gewerkschaftler, Umweltschützer und Bauern-Lobbyisten gegen jedes neue Abkommen, wie nunmehr dasjenige mit den Mercosur-Staaten.

Die Europäische Union bleibt die beste politische Option für alle Nationen des alten Kontinents. Wovon ein Dutzend Beitrittskandidaten zeugen, von Albanien bis Ukraine. Die EU schuf während 70 Jahren Frieden und Wohlstand. Ist zu schnell gewachsen, ohne seine Beschluss-Mechanismen zu verbessern. Bei jeder Krise heißt es schnell, weshalb reagiert „Brüssel“ nicht? Weil die Kommission keine Regierung der Vereinigten Staaten von Europa ist, sondern bloß das Exekutivorgan der langwierigen Kompromisse der Mitgliedstaaten. Die zu oft auf nationale Probleme fixiert sind. Die EU ist zudem mit sehr begrenzten finanziellen Mitteln ausgestattet. Die überdies nur nach einem pingeligen, bürokratischen Verfahren fließen.

In Wunschträumen stark

Am stärksten sind Kommission und Staate beim Fixieren von möglichst unrealistischen Zielen. So beschloss der Europäische Rat Anfang 2000 die „Lissabon-Strategie“. Die den Kontinent bis 2010 zum „wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensgestützten Wirtschaftsraum der Welt“ machen sollte. In einem für 2005 erstellten Zwischenbericht warnte der ehemalige niederländische Premier Wim Kok vor einem Verfehlen der Ziele. Resultat: Die „wissensgestützte“ Revolution wurde auf 2020 vertagt. Und zwischendurch vergessen.

Heute streitet die EU darüber, ob die Klimagase in Europa bis 2045 oder 2050 auf die „Netto-Null“ zu stutzen seien. Mit einer schon 55-prozentigen Reduzierung bis 2030. Die USA haben sich aus dem Pariser Vertrag zurückgezogen. Die nächstgrößten Emittenten reden von unverbindlichen Zielen bis 2060 (China) oder 2070 (Indien, Indonesien). Die europäische Ambition wird eine „Fata Morgana“ bleiben. Höchstens zu erreichen durch die Aufgabe aller wirtschaftlichen Tätigkeiten, von Agrikultur über Industrie und selbst „wissensbasierten“ Dienstleistungen. Die Unmengen an Energie benötigen.

Die Europäer scheinen sich damit zu begnügen, zum Kontinent der historischen Monumente und der Museen zu werden. Immerhin pilgern jedes Jahr schon 40 Prozent der globalen Touristen ins „alte Europa“. Es gibt zwar immer wieder Versuche, den europäischen Binnenmarkt zu beleben und die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft zu stimulieren. Etwa der Letta-Bericht sowie vor allem der Draghi-Bericht, die notwendige Reformen aufzeichnen.

Doch alles wird zerredet, solange die Europäer an ihren alten Denkmustern festhalten. Sich vorgaukeln, Europa müsste selbst ohne Gegenseitigkeit den „amerikanischen Freunden“ gefallen. Sei es nur aus Sicherheitsgründen.

Ein überschätzter „Feind“

Sicher, Russland ist – wieder – ein Feind. Gegen den die Europäer sich wappnen müssen. Dennoch sollte die russische Gefahr nicht überschätzt werden. In drei Jahren gelang es den Russen nicht, die viel schwächere Ukraine zu besiegen. Hätten die USA die Ukraine mit dem Waffenarsenal versorgt, das sie Israel spendieren, wären die Russen zurückgedrängt worden. Auch die Europäer blieben zu zögerlich mit ihrer Waffenhilfe an Kiew.

Ein Blick auf „The Military Balance 2025“ belegt, dass selbst ohne die Amerikaner die Europäer nicht unbedarft gegenüber den Russen sind. So haben die EU-Staaten plus Großbritannien und Norwegen fast 1,6 Millionen Soldaten im Dienst, gegenüber 1,1 Millionen in Russland. Die Russen verfügen über 2.900 Kampfpanzer, die Europäer gemeinsam um die 4.500. Die Russen können mit 6.200 Geschützen nicht einmal die Hälfte der schweren Artillerie der Europäer (12.600) aufbringen. Die Russen verfügen über 900 Jäger und Bomber sowie 1200 Helikopter. Die Europäer haben 1.600 Jäger und Bomber sowie 2.900 Helikopter. Die Russen können einen Flugzeugträger, 34 große Kriegsschiffe und 53 Untersee-Boote einsetzen. Die Europäer drei Flugzeugträger, 13 Helikopterträger, dazu 114 größere Kriegsschiffe und 60 U-Boote. Als Atommacht haben die Russen einen Vorteil. Sie operieren mit 33 nuklear-getriebenen U-Booten gegenüber bloß 18 auf europäischer Seite. Das nukleare Waffenarsenal der Russen ist überdies ungemein höher als dasjenige der Franzosen und Briten.

Die britischen Nuklearwaffen bleiben unter der Kontrolle der Amerikaner. Was auch ein Problem ist für die über 400 F-35-Jäger, welche zwölf europäische Länder von den Amerikanern kauften. Deren Software weiterhin den USA gehört. Die Jäger sind nur einsatzfähig dank amerikanischer Ersatzteile und US-gesteuerter Elektronik.

In einem Konfliktfall mit den Russen bliebe die Abhängigkeit von den USA als weiterhin größter Lieferant von Waffensystemen sehr groß. Hier liegt auch das Kardinalproblem der Europäer. Die 178 Waffensysteme produzieren, darunter allein 17 verschiedene Panzer-Typen. Die Waffenindustrie der USA beschränkt sich auf 30 Systeme, wirtschaftlich und logistisch effizienter.

Dennoch sollten die Europäer nicht zu sehr auf die amerikanischen „Freunde“ setzen. Zwischen Nationen gibt es keine Freundschaften. Bestenfalls Partnerschaften. Die nur funktionieren, wenn es einen Ausgleich der jeweiligen Interessen gibt. Mit einem windigen „Deal-Maker“ wie Trump müssen die eigenen Interessen knallhart verteidigt werden. Die „in Schleim gemeißelte“ (Armand Back) Unterwerfung der Europäer beim NATO-Gipfel in Den Haag oder der Zoll-Kniefall der Kommissionspräsidentin auf Trumps schottischem Golfplatz werden nur zusätzliche Erpressungen provozieren.

Robert Goebbels ist ehemaliger LSAP-Minister und Europaabgeordneter
Robert Goebbels ist ehemaliger LSAP-Minister und Europaabgeordneter Foto: Editpress/Didier Sylvestre
fraulein smilla
4. August 2025 - 15.20

@ Hagar Was in aller Welt soll dieser Unsinn ? Weil Merkel Putin (fuer Sie Genosse Vlad )so gut im Griff hatte , annektierte er 2014 die Krim und dass Schroeder sich in Putin verliebt hatte , bedeutet das nicht dass er ihn im Griff hatte . Eigentlich war Schroeder Putin hoerig nachdem dieser ihm seine zwei Adoptivkinder besorgte und er ihm einen gut bezahlten Job bei Gazprom besorgte .

Reinertz Barriera Manfred
2. August 2025 - 13.23

Die Welt ist halt so wie sie jetzt ist, nicht so wie wir glaubten sie sein sollte, unsere Wertvorstellungen sind nicht universall mehr akzeptiert, und mit Leuten wie Trump kann man das auch verstehen...

Dunord Hagar
2. August 2025 - 7.34

"@ jean-pierre

Richtig!
Mutti Merkel und Schröder Gerd hatten den Vlad besser im Griff. Aber durch Mutti ist Uschi überhaupt erst nach Brüssel gekommen...

goelff jean-pierre
1. August 2025 - 14.23

Wäre unsere E.U. selbsbewusst gewesen,hätte der Vladimir sich sein Abenteuer wahrscheinlich nicht zugetraut!Und mit Uschi wird's auf keinen Fall besser werden.

RCZ
1. August 2025 - 7.59

Wie sieht die Militär Bilanz aus wenn man den Russen noch die Unterstützung der Chinesen hinzufügt?🧐🤔🥷⚖️