Montag27. Oktober 2025

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SpanienExtreme Trockenheit macht der iberischen Halbinsel zu schaffen

Spanien / Extreme Trockenheit macht der iberischen Halbinsel zu schaffen
Luftaufnahme der Ruinen des Dörfchens Aceredo, das wegen des Wassermangels und der Trockenheit wieder aus der Talsperre Alto Lindoso aufgetaucht ist Foto: AFP/Carmelo Alen

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Ein verrostetes Autowrack steht zwischen den Mauerresten einer ehemaligen Garage. Bierkästen mit leeren Flaschen liegen neben einer Hausruine, in der sich wohl einmal die Dorfkneipe des kleinen Ortes Aceredo befand. In der Umgebung ragen graue und mit Schlammkrusten überzogene Überbleibsel einer Siedlung auf. Ein Geisterdorf, das gut als Kulisse für einen apokalyptischen Film dienen könnte.

30 Jahre lang war das frühere Bauernnest Aceredo in den Fluten der Talsperre Alto Lindoso versunken. Nun, nach Monaten extremer Trockenheit, die den Wasserpegel stark fallen ließ, ist Aceredo aus der Tiefe wieder aufgetaucht. Das Dorf an der spanisch-portugiesischen Grenze ist zum Symbol für den aktuellen Wassernotstand in vielen Regionen Spaniens und Portugals geworden.

„Lasst es regnen“, bitten Spaniens Landwirte in der Überschrift eines Lageberichts ihres Dachverbandes Coag. Die Bauern warnen, dass ihre Ernten vertrocknen, wenn sich nicht endlich die Himmelsschleusen öffnen. Doch Spaniens Wetterdienst Aemet macht wenig Hoffnung auf Hilfe von oben. „Die nächsten Wochen werden warm und trocken sein“, prognostiziert das Wetteramt. Blauer Himmel, Sonne – was Spanienurlauber freut, ist für die Landwirte eine Horrornachricht.

Schon das vergangene Jahr war in Spanien eines der wärmsten seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. „Im letzten Sommer hat es kaum geregnet und im Herbst und in diesem Winter überhaupt nicht“, klagt Ramón Alonso, der Bürgermeister des Ortes Entrimo, in der Zeitung El País. Das Dorf Entrimo liegt gleich neben der ausgetrockneten Talsperre Alto Lindoso und ihrem Geisterort Aceredo. Der Stausee gleicht einer Pfütze. Nur noch der Boden des Beckens ist mit Wasser bedeckt.

Viel zu spät reagiert

Die Elektrizitätsgesellschaft Electricidade de Portugal (EDP) darf inzwischen kein Wasser mehr zur Stromerzeugung durch die Turbinen jagen und dann in den Fluss Lima ableiten. Denn niemand weiß, wie lange der Ort Entrimo und die anderen umliegenden Dörfer mit dem verbleibenden Trinkwasser auskommen müssen. Die Talsperre ist nur noch zu 15 Prozent gefüllt. „Wie sollen wir damit durch den Sommer kommen?“, fragt die Lokalzeitung der Region.

Die Anliegergemeinden werfen dem Talsperrenbetreiber EDP vor, das Staubecken trotz Regenmangels rücksichtslos zur Stromproduktion ausgebeutet zu haben. Erst als Portugals Regierung Anfang Februar das Wasserkraftwerk stilllegte, habe sich der Pegel auf niedrigem Niveau einigermaßen stabilisiert. Viel zu spät, klagen die Nachbardörfer, sei man eingeschritten. Stromproduzent EDP verteidigt sich mit dem Hinweis, dass man den gesetzlichen Mindestpegelstand respektiert habe.

Besucher spazieren durch das alte Dorf Aceredo am Lindoso-Stausee
Besucher spazieren durch das alte Dorf Aceredo am Lindoso-Stausee Foto: AP/dpa/Emilio Morenatti

Ein kleiner Trost für die Nachbarorte ist, dass tausende Touristen aus Spanien und Portugal kommen, um den aus den Fluten erschienenen Gespensterort Aceredo zu besuchen. Sie spazieren durch die kuriose Ruinenlandschaft. Klettern durch verlassene Häuser. Schießen Erinnerungsfotos. Und sie geben in den Geschäften und Restaurants der Umgebung Geld aus. Aber es sind unter den Besuchern auch nachdenkliche Stimmen zu hören: „So etwas werden wir jetzt wohl öfter zu sehen bekommen“, sagt ein Familienvater im spanischen TV. „Der Klimawandel macht sich bemerkbar.“

Nach den Klimastudien wird das Mittelmeerland Spanien eines jener europäischen Länder sein, das am stärksten von der Erderwärmung getroffen wird. Dieser außergewöhnliche Dürrewinter fügt sich in dieses Bild. Er hinterlässt auf der ganzen iberischen Halbinsel sichtbare Spuren. Nicht nur an der spanisch-portugiesischen Grenze, wo der Geisterort Aceredo das Licht erblickte, sondern auch im südspanischen Andalusien oder in Zentralportugal tauchten in leeren Staubecken Kirchtürme, Klöster oder ganze Siedlungen auf.

Erste Einschränkungen in einigen Regionen

Im Durchschnitt sind Spaniens Talsperren derzeit zwar noch zu 44 Prozent gefüllt. Doch normalerweise sind es im Winter wenigstens 61 Prozent. „Es muss ein sehr regenreicher Frühling kommen, um die Situation zu verbessern“, sagt die Fernseh-Meteorologin Rosalía Fernández. Normalerweise fallen zwischen Oktober und April 75 Prozent der Niederschläge. Doch dieser Herbst und Winter sind nicht normal.

Luftaufnahme eines Teils der Ortschaft
Luftaufnahme eines Teils der Ortschaft Foto: AFP/Carmelo Alen

In etlichen spanischen Regionen gibt es bereits Einschränkungen für die Verbraucher. Dies bekommen vor allem die Landwirte zu spüren, die rund 70 Prozent des in Spanien aufbereiteten Trinkwassers für die Bewässerung ihrer Plantagen brauchen. Ihnen wird zuerst das Wasser abgedreht. Aber auch in den ersten Haushalten in Südspanien tröpfelt es nachts nur noch aus dem Hahn.

Auf der spanischen Ferieninsel Mallorca gibt es derzeit übrigens noch keine Probleme. Dort sorgten mehrere Sturzfluten im Herbst dafür, dass sich Talsperren und Grundwasservorkommen ausreichend füllten. Der Pegelstand der dortigen Trinkwasserspeicher, so meldeten die örtlichen Wasserbehörden, liege deutlich über dem nationalen Durchschnitt. Und zwar bei 63 Prozent.

Ein Mann steht mit einem Baby in Ruinen alter Häuser, die vor drei Jahrzehnten überflutet wurden. Dächer, die aus dem Wasser ragen, sind jeden Sommer ein alltägliches Bild am Lindoso-Stausee. In besonders trockenen Jahren tauchen Teile des alten Dorfes Aceredo auf, das vor drei Jahrzehnten überflutet wurde, als ein Wasserkraftwerk das Tal überschwemmte. Aber noch nie zuvor war das Skelett des Dorfes in seiner Gesamtheit aufgetaucht, und das mitten in der normalerweise nassen Wintersaison. 
Ein Mann steht mit einem Baby in Ruinen alter Häuser, die vor drei Jahrzehnten überflutet wurden. Dächer, die aus dem Wasser ragen, sind jeden Sommer ein alltägliches Bild am Lindoso-Stausee. In besonders trockenen Jahren tauchen Teile des alten Dorfes Aceredo auf, das vor drei Jahrzehnten überflutet wurde, als ein Wasserkraftwerk das Tal überschwemmte. Aber noch nie zuvor war das Skelett des Dorfes in seiner Gesamtheit aufgetaucht, und das mitten in der normalerweise nassen Wintersaison.  Foto: AP/dpa/Emilio Morenatti