Sonntag28. Dezember 2025

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Flamenco Festival EschExpertin Susanne Zellinger: „Das Festival hat einen festen Platz in der internationalen Flamenco-Szene“

Flamenco Festival Esch / Expertin Susanne Zellinger: „Das Festival hat einen festen Platz in der internationalen Flamenco-Szene“
Das Flamenco Festival Esch 2024 findet noch bis zum 1. Juni in der Kulturfabrik Esch, dem Escher Theater und der Cinémathèque in Luxemburg-Stadt statt Symbolfoto: Freepik

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Susanne Zellinger gilt als Flamenco-Expertin – für das Flamenco Festival Esch 2024 reist sie jetzt nach Luxemburg. Doch was fasziniert sie an dem Tanz? Und wie relevant ist das Großherzogtum für die Szene? Ein Gespräch.

Tageblatt: Susanne Zellinger, Ihr Spezialgebiet ist der zeitgenössische Flamenco. Was begeistert Sie an dem Genre?

Susanne Zellinger: Der Flamenco ist eine hoch entwickelte Kunstform, die eine große Herausforderung darstellt, wenn man sich wirklich mit ihr beschäftigen will. Aber der Flamenco lässt auch Emotionen zu, was in unserer abgeklärten Zeit so wichtig ist. Wie oft habe ich schon geweint, wenn eine Soleá gesungen wurde, nicht nur wegen der Tragik in den Texten, sondern auch wegen der Schönheit, der Wahrhaftigkeit und seiner Unmittelbarkeit.

Inwiefern unterscheidet sich der moderne von dem traditionellen Flamenco? 

Viele der Veränderungen oder Erneuerungen, die wir heute im zeitgenössischen Flamenco-Tanz finden, fanden vor genau 100 Jahren im zeitgenössischen, modernen, expressiven Tanz statt. Und zwar aus den gleichen Gründen: Um sich von den eingefahrenen Vorschriften des Balletts und in unserem Fall von denen des traditionellen Flamenco zu befreien. Die Ansprüche an den Bühnentanz sind auch größer geworden, und um nur einige Veränderungen zu nennen: Sehr oft gibt es eine Geschichte oder ein Konzept, es werden nicht nur Palos (An.d.R.: musikalische Variationen) bzw. Tänze aneinander gereiht. Die Beziehung zur Musik hat sich verändert: Inzwischen ist alles erlaubt – von elektronischer Musik über Popmusik bis zur Etüde von Johann Sebastian Bach. Die Kleidervorschriften haben sich ebenfalls gelockert, Tabus werden ständig gebrochen und neue Bewegungsräume erobert.

Das Gender-Thema bekam in den letzten Jahren mehr Bedeutung, weil es präsenter ist. Vor allem die Männer zeigen mehr ihre weibliche Seite.

Susanne Zellinger, Flamenco-Expertin

Wie wirken sich politische und soziale Entwicklungen auf den Flamenco aus?

Der zeitgenössische Tanz greift die Strömungen und Gefühle der Zeit auf, in der wir leben. Der Flamenco ist eine lebendige Kunstform und dadurch entwickelt und verändert er sich.

Susanne Zellinger ist zu Gast beim Flamenco Festival Esch
Susanne Zellinger ist zu Gast beim Flamenco Festival Esch Foto: Fidel Meneses

Das gilt auch im Hinblick auf die Darstellung der Geschlechter, oder?

Das Gender-Thema bekam in den letzten Jahren mehr Bedeutung, weil es präsenter ist. Vor allem die Männer zeigen mehr ihre weibliche Seite, eines der erfolgreichsten Stücke der letzten Zeit war ¡VIVA! von Manuel Liñán, in dem alle Männer in Frauenkleidern auftreten. Das Thema ist aber natürlich viel komplexer und nicht in einem Satz abzuhandeln.

Sie reisen im Rahmen des Flamenco Festival Esch, das noch bis zum 1. Juni stattfindet, nach Luxemburg. Welche Rolle spielt der Flamenco in Europa und wie relevant ist das Festival in Luxemburg?

Der Flamenco ist eine europäische Kunstform, die Tradition und Avantgarde in sich vereinigt. Darauf sollten wir stolz sein und sie unterstützen. Das Festival in Luxemburg hat einen festen Platz in der internationalen Flamenco-Szene. Durch die gelungene Programmgestaltung auch für die Künstler, weil hier selbst jungen Talenten ein Platz gegeben wird, wie zum Beispiel Paula Comitre im letzten Jahr.

Haben Sie Programmtipps für die Ausgabe 2024?

Es gibt noch drei Auftritte zu sehen – und die sind meiner Meinung nach alle gleich spannend: Es sind drei KünstlerInnen der jungen Generation. Den Beginn macht Marco Flores aus Arcos de la Frontera – ein eleganter Tänzer, den sich viele der jüngsten Generation zum Vorbild nehmen. Lucía La Piñona verbindet Zeitgenössisches mit Tradition, El Choro ist ein Gitano aus Huelva, der mit großartigen Musikern ein unterhaltsames Programm bietet. Ich werde an allen drei Abenden eine kurze Einführung halten!

Sie haben eben El Choro erwähnt, mit dessen Auftritt das Festival am Samstag endet: In einem Textbeitrag auf flamenco-divino.at sprechen Sie von „Liebe“ für ihn. Was macht diesen Künstler so besonders?

Da weiß ich gar nicht, wo ich anfangen soll! Sein Temperament, seine Lebensfreude, sein tänzerisches Können, seine Präsenz auf der Bühne und seine Schönheit innen und außen – was will man mehr?

Worauf freuen Sie sich neben El Choro noch in Luxemburg?

Auf das Ambiente in der Kulturfabrik, das Zusammentreffen mit dem hervorragenden Team, das Künstlern, Journalisten und dem Publikum den Aufenthalt so angenehm und interessant wie möglich macht – es ist für mich ein Höhepunkt des Flamenco-Jahres.

Flamenco Festival Esch 2024, noch bis zum 1. Juni in der Kulturfabrik Esch, dem Escher Theater und der Cinémathèque in Luxemburg-Stadt. Informationen unter kulturfabrik.lu.

Zur Person

Susanne Zellinger war Chefredakteurin von Anda, einer Fachzeitschrift für Flamenco. Sie schreibt außerdem für die deutsche Tanzzeitschrift tanz, kuratiert Veranstaltungsreihen und hält Vorträge im In- und Ausland. 2018 war sie künstlerische Leiterin des Flamenco-Festivals im Kulturpark Traun. (Quelle: flamenco-divino.at)