Dienstag4. November 2025

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SachbuchExit Apokalypse – Wie die Tech-Milliardäre dem Weltuntergang entfliehen möchten

Sachbuch / Exit Apokalypse – Wie die Tech-Milliardäre dem Weltuntergang entfliehen möchten
Douglas Rushkoff, Autor und Protagonist der Cyberpunk-Bewegung Foto: Johannes Kroemer/Suhrkamp Verlag

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Während die Welt mit Kriegen und Krisen beschäftigt ist und einem Klimakollaps entgegensteuert, umtreibt die Superreichen die Frage, wie sie sich am Tag X vor der Katastrophe retten können. Der US-Autor Douglas Rushkoff geht in „Survival of the Richest“ dem Mindset der libertären Oligarchen auf die Spur.

Er hätte als ein Genie der Technologie und der Kühnheit in die Geschichte eingehen können. Doch er entschied sich dafür, sein Talent zu nutzen, um der Welt seine Vision von Faschismus aufzuzwingen. So etwa könnte die Geschichte von Elon Musk lauten, den das französische Monatsmagazin Les Inrockuptibles auf dem Titelbild seiner aktuellen Nummer in Uniform lässig auf einem Tisch sitzend zeigt, in der Pose von Charlie Chaplin in dessen Filmklassiker „Der große Diktator“ (1940), wie dessen Hitler-Parodie „Hinkel“ mit einer Weltkugel jonglierend.

In ihrer Coverstory porträtiert die Zeitschrift Musk und wirft die Frage auf, was den in Pretoria geborenen Milliardär überhaupt noch aufhalten könne. Als reichster Mann der Welt, Donald Trumps Buddy und Unterstützer der extremen Rechten in vielen Ländern, der den weltweiten Rechtsruck befeuert und ihn sich zunutze macht, habe er das Zeug dazu, die Welt in seinem Sinne zu verändern und unsere Zukunft nach seinen Vorstellungen zu gestalten – ohne Regulierung oder demokratische Kontrolle. Ihm scheint eine autoritäre Zukunft vorzuschweben, in der er sich selbst auch über der Masse thronen sieht, wie ein „tech king“, der die Menschheit zur Eroberung des Mars führt, dem Reiseziel seines Lebens.

Titel von Les Inrockuptibles
Titel von Les Inrockuptibles Illustration: Les Inrockuptibles

Mittlerweile ist klar, dass es Tech-Milliardären wie Musk nicht nur um ökonomischen Profit, sondern um politische Macht geht – und um die radikale Umgestaltung der Gesellschaft. Selbst auf dem Mars wären wir nicht einmal vor Superreichen aus dem Silicon Valley sicher, behauptet Douglas Rushkoff. Als der US-amerikanische Medientheoretiker und Tech-Experte, einer der Protagonisten der Cyberpunk-Bewegung, von fünf Milliardären eine lukrative Einladung in ein exklusives Wüsten-Hotelressort erhält, um über die „Zukunft der Technologie“ zu sprechen, glaubt er, dass man von ihm erwartet, dort über Zukunftstechnologien zu sprechen. Stattdessen befragen ihn seine Gastgeber zu Luxusbunkern und Marskolonien. Sie wollen eine Prognose von ihm. Denn während die Welt mit einer Klimakatastrophe, kriegerischen Konflikten und sozialen Krisen beschäftigt ist, umtreibt die Milliardäre vor allem die Frage, wie sie im Fall eines Systemkollapses ihre Privatarmeen in Schach halten können und sich vor einem Atomkrieg, einer Virus-Pandemie oder Klimakatastrophe in Schutz bringen können. Sie stellen Fragen wie: Bitcoin oder Ethereum? Virtual Reality oder Augmented Reality? Vor allem aber, wo sie am Tag X ihre Bunker hinstellen sollen.

Viele der Tech-Unternehmer wollen uns Normalsterbliche einfach nur hinter sich lassen – ohne uns auf ihrem Exodus mitzunehmen

Douglas Rushkoff, Autor

„Kreative Zerstörer“

Rushkoff hat sich eine Zeitlang im Kreis von den als Visionäre gefeierten „Vordenkern und kreativen Zerstörern“ bewegt. Nun zeigt er in dem 2022 im Original und nun auf Deutsch erschienenen Buch „Survival of the Richest“, wie aus der anfänglichen Aufbruchstimmung der Internet-Revolution „ein Programm aus Angst und Größenwahn“ werden konnte. „Viele der Tech-Unternehmer wollen uns Normalsterbliche einfach nur hinter sich lassen – ohne uns auf ihrem Exodus mitzunehmen“, so der 64-jährige Autor. Wer die Milliardäre sind, verrät Rushkoff nicht. Aber ihre Geschichte passt zum Mindset von Tech-Bossen wie Musk, Jeff Bezos, Peter Thiel und Mark Zuckerberg, längst über ihre Unternehmen weltbeherrschend und bereits dabei, sich Exitstrategien zu schaffen: Bunker auf abgelegenen Inseln, schwimmende Städte, virtuelle oder extraterrestrische Zufluchtsorte.

„Wovor sie eigentlich fliehen“, meint Ruskoff, „sind die Konsequenzen ihres eigenen Handelns. Sie wollen genug Geld verdienen, um der Realität zu entfliehen, die sie selbst geschaffen haben.“ In diesem Sinne mutet „Survival oft the Richest“ wie ein Science-Fiction-Roman an, ist aber ziemlich genau die Beschreibung unserer Zeit und des faschistoiden Menschenbildes jener Milliardäre, die der Demokratie den Kampf angesagt haben, um sie zu zerstören und durch eine ultralibertäre Technokratie zu ersetzen, angeführt von ihnen selbst – Oligarchen, die nach den Prinzipien der Gewinnmaximierung zu ihrem eigenen Nutzen vorgehen. Auf dem Weg dahin sollen Regierungsapparate, nach dem Prinzip der Disruption und mit der Kettensäge als Symbol, demontiert und die Staatsbediensteten rausgeworfen oder zur Kündigung gedrängt werden. Ganz zu schweigen von der Streichung sozialer Hilfsprogramme. Gesetze sind dabei nur Störfaktoren.

Rushkoff warnt die Menschen davor, „die Welt als einen Raum zu sehen, der Milliardären gehört“, weiß aber auch, dass wir längst dabei sind, uns mit dieser neuen Realität abzufinden. Die Folge ist eine weitgehend „passive, nicht-staatsbürgerliche, nicht partizipatorische Beziehung zur Welt“. Der Autor schreibt von „technofeudalen Plattformen“. Dabei ist er nicht gegen die Technologien, ganz und gar nicht. Den fünf Milliardären, die ihn fragen, was zu tun ist, wenn am Tag X, am Tag des „Ereignisses“, die Finanzsysteme zusammenbrechen, sagt er: „Vielleicht ist der beste Weg, deinen Sicherheitschef davon abzuhalten, dir in deinem Bunker in den Kopf zu schießen, jetzt schon nett zu ihm zu sein.“ Eigentlich müsste er sogar nett zu allen sein. Dann käme es vielleicht auch nicht zur Apokalypse.

Ob über hochgerüstete Selbstversorgerfarmen in Pennsylvania oder unterirdische Swimming Pools – dass diese die neuen Feudalherrschenden wirklich vor Umweltkatastrophen retten, bleibt zu bezweifeln. Rushkoff liefert in seinem Buch ein Panoptikum von Zukunftsvisionen aus dem Blickwinkel einer begrenzten Anzahl von Menschen, die sich um ihr Überleben sorgen. Dabei stellt sich die Frage, was es dem Leser bringt, den manchmal etwas besserwisserisch anmutenden Ausführungen über das Mindset einer überschaubaren Gruppe von Milliardären zu folgen, deren Geisteshaltung Rushkoff mit jener von Kolonisatoren vergleicht. In der Tat schwankt das Buch hierbei zwischen Science und Fiction.

„Kapitalismus ohne Demokratie“

Was die Tech-Milliardäre eint, ist ihr libertäres Mindset. Schon der kanadische Historiker Quinn E. Slobodian hat in „Kapitalismus ohne Demokratie“ jene sich „libertär“ nennenden Ultraliberalen unter die Lupe genommen, denen die Zerschlagung der Staaten in kleine Steueroase, Privatstädte oder Mikronationen vorschwebt und die vom Tod des Staates träumen – im Original heißt sein Buch „Crack-Up Capitalism: Market Radicals and the Dream of a World Without Democracy“. Sie sind überzeugt, dass Freiheit und Demokratie unvereinbar seien. „Die große Aufgabe der Libertären besteht darin, einen Weg zu finden, um der Politik in all ihren Formen zu entkommen“, zitiert Slobodian Paypal-Gründer und Trump-Unterstützer Peter Thiel. Sie leben möglichst unbehelligt auf Inseln oder in Franchise-Unternehmen, in Steueroasen oder Gated Communitys, nur umgeben von „einer weitgehend rechtlosen Armee aus Dienstmädchen, Gärtnern, Fahrerinnen, Boten oder Fabrikarbeitern“. Libertäre könnten aber auch im Cyberspace, im Weltraum und auf dem offenen Meer Zuflucht finden. „Wenn wir mehr Freiheit wollen“, erklärt Thiel etwa, „sollten wir die Zahl der Länder erhöhen.“ Dies reicht angesichts der Sterblichkeit des Menschen in Rushkoffs High-End-Ressort nicht mehr aus.

 Illustration: Suhrkamp Verlag

Der Rezensent musste an Ross Lockhart denken, jene Hauptfigur aus Don DeLillos humorvollem Roman „Null K“ (2016) um einen Milliardär und Großinvestor, der den Tod gewissermaßen ausschalten will, indem er seine sterbenskranke Frau einfrieren lässt, damit sie erst wieder zum Leben erweckt wird, wenn Medizin und Technik soweit sind, dass Menschen ein ewiges Leben ohne Krankheiten führen können. Statt in Richtung Ewigkeit wollen die aktuellen Milliardäre wie Musk, Thiel & Co. der Apokalypse auf ein Anwesen etwa in Neuseeland (Thiel) oder Alaska entkommen. Andere ziehen luxuriöse Doomsday-Bunker vor, um den Weltuntergang auszusitzen. Diesen zu verhindern, scheint den Tech-Oligarchen dagegen weniger interessant. Douglas Rushkoff zeichnet ein dunkles Bild, tröstet aber jene große Mehrheit von Menschen, die nicht zu den „happy few“ gehören: Was die superreichen Prepper schließlich antreibt, sei nichts anderes als die Angst. Und zuletzt dürften auch ihre Überlebensstrategien vergebens sein.

Douglas Rushkoff: Survival of the Richest. Suhrkamp. 281 Seiten. 22 Euro.

 

 

LeCze
18. März 2025 - 9.02

Am Ende bleibt nur ein schwarzes Loch!😜😜😱🕳️

Luxmann
18. März 2025 - 7.43

Frueher haben die herrscher sich oft grossartige grabstaetten bauen lassen,um so im kollektiven gedanken der untertanen weiter zu leben.
Heute werden extravagantere loesungen wie die flucht auf andere planeten oder das einfrieren des koerpers erwogen...die motivation ist oft dieselbe,naemlich ein sehr ausgepraegtes geltungsbeduerfnis ,ohne das wohl auch niemand ein superkapitalist wie musk oder bezos werden kann.