5. November 2025 - 6.55 Uhr
Domaine TageblattEx-Weinbauminister Boden und Schneider erinnern sich an „nicht das schlimmste Ministerium“
Tageblatt: Was haben Sie aus Ihrer Zeit als Landwirtschaftsminister mitgenommen?
Fernand Boden: Landwirtschaft und Weinbau ist nicht das schlimmste Ministerium. Ich war zehn Jahre Bildungsminister, das war etwas heikler. (lacht) Es ist ein sehr interessantes Ressort. Ich komme aus Echternach, der Osten war also mein Wahlbezirk, und von daher hatte ich immer schon mit dem Thema Weinbau und mit den Winzern zu tun.

Landwirtschaft und Weinbau ist nicht das schlimmste Ministerium. Ich war zehn Jahre Bildungsminister, das war etwas heikler.
Aber das Ganze hat auch einen sehr großen europäischen Aspekt, da die Agrarpolitik das einzige Politikfeld ist, das exklusiv auf EU-Ebene reguliert wird. Da hatte ich als Luxemburger Minister, genau wie du wahrscheinlich auch, Romain, einige Kämpfe zu führen, um die Interessen der luxemburgischen Winzer durchzusetzen. Ich erinnere mich zum Beispiel daran, dass die südländischen Vertreter versucht haben, die Zuckerung des Weines zu verbieten. Das hattest du wahrscheinlich auch noch erlebt, oder?
Romain Schneider: Ja, das waren immer noch die Folgen aus dem österreichischen Weinskandal.
F.B.: Genau. Es war nicht so leicht, denen zu erklären, dass wir damit die Charakteristik unserer Weine verlieren würden. Ein anderes Mal kam die EU-Kommission auf die absurde Idee, den Rosé-Wein zu verbieten. Michel Barnier war damals französischer Agrarminister und hat jedem Landwirtschaftsminister drei Flaschen Rosé mitgebracht und gefragt, ob man der Meinung sei, diese Produkte zu verbieten. Das Resultat war ziemlich klar. Im Prinzip ist es ein schönes und interessantes Ministerium.
R.S.: Man muss auch wissen, der Luxemburger Landwirtschaftsminister ist der einzige, der auch explizit die Bezeichnung als Weinbauminister führt. Darauf wurde man im Ausland auch schon mal angesprochen.
Ich habe aber einen Fehler zu Beginn meiner Amtszeit begangen: Als ich die ersten Male an die Mosel kam, habe ich meine Reden immer damit begonnen, dass ich aus einer Brauereistadt komme
Herr Schneider, Sie kommen bekanntlich aus dem Norden. Wie war es für Sie, das Ministerium zu übernehmen?
R.S.: Ich kannte mich besser in der Landwirtschaft und der ländlichen Entwicklung aus als im Weinbau. Auch wenn die Thematik mir nicht ganz fremd war, da ich Präsident der zuständigen Chamber-Kommission war. Ich habe aber einen Fehler zu Beginn meiner Amtszeit begangen: Als ich die ersten Male an die Mosel kam, habe ich meine Reden immer damit begonnen, dass ich aus einer Brauereistadt komme. Bis einige Winzer zu mir sagten, dass ich ja ein ganz netter Kerl wäre, aber bitte aufhören sollte, vom Bier zu reden.
Wie schwer war es für Sie, sich in das Landwirtschaftsministerium einzuarbeiten?

R.S.: Die Landwirtschaft ist ja sehr vielfältig und geht von der Viehzucht über das Getreide bis hin zur Milchproduktion und noch viel mehr. Was ich in diesem gesamten Bereich sehr interessant fand: Man hatte am Ende immer ein Produkt in der Hand. Was die Einarbeitung angeht, da spielen die Beamten eine große Rolle. Ich bin da immer auf sehr kompetente und engagierte Mitarbeiter getroffen, die einen gut unterstützt haben.
F.B.: Auf europäischer Ebene hatten wir den Vorteil, dass wir Beamte hatten, die sehr lange dabei waren und ihre Dossiers daher sehr gut kannten. Und auch unsere Minister waren meistens länger da als die aus anderen Ländern. Wenn es dann in die letzte Verhandlungsrunde ging und nur noch Minister am Tisch saßen, hatte man oftmals einen Vorteil, weil man seine Dossiers besser kannte als die Kollegen aus anderen Ländern. Und da ging es manchmal um sehr viel, wenn ich nur zum Beispiel an die Milchquoten denke.
R.S.: Was uns da auch immer in die Karten spielt, ist unsere Mehrsprachigkeit. Mehr als einmal kam der französische oder deutsche Minister zu einem und fragte, ob man ihm nicht beim Gespräch als Übersetzer helfen möchte. Dadurch verstand man natürlich auch ihre Sichtweisen und Probleme besser. Und da haben unsere Beamten in Brüssel auch immer einen sehr guten Job gemacht. Das sind heute noch die gleichen wie damals.
F.B.: Bei mir war es damals Frank Schmit, der in Brüssel war.
R.S.: Bei mir auch.
F.B.: Der ist auch heute noch da, und das ist sehr wichtig. Langjährige Beamte kennen dieses ganze Räderwerk in Brüssel.
R.S.: Wir müssen bei diesem Gespräch aber ein Gläschen Wein trinken, oder nicht?
Da sagen wir sicher nicht Nein.
F.B.: Ich hatte heute zwar schon ein Glas, aber eins kann ich mittrinken.
R.S.: Pinot Gris, Rivaner?
Also da wir ja Rivaner produzieren, würden wir zum Rivaner tendieren.
R.S.: Dann nehmen wir einen Rivaner.
F.B.: Früher wollte jeder Elbling oder Rivaner, das hat sich aber auch geändert. Dabei ist der Rivaner ein süffiger Wein.
R.S.: Der Rivaner ist bestellt.
F.B.: In meinen Augen ist auch der Auxerrois ein Wein, der sehr unterschätzt wird.
R.S.: Den mag ich auch sehr gerne. Ein Restaurant in Wiltz, in das ich regelmäßig gehe, hat einen sehr guten luxemburgischen Auxerrois, ich weiß jetzt aber nicht mehr, von welchem Winzer. Ansonsten mag ich den Pinot Gris auch sehr gerne.
F.B.: Ich habe immer den Riesling bevorzugt, vor allem beim Essen. Aber einem Kollegen ist der zu sauer, sodass wir auch öfter auf Pinot Gris umschwenken.
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Wird man als Weinbauminister auch zum Weinkenner?
R.S.: Da ich aus dem Norden komme, war das bei mir relativ einfach, mehr über Wein zu lernen. (lacht) Durch die vielen Gespräche mit Winzern, den Einblick in die Produktion und natürlich auch durch die Verkostung lernt man schon einiges dazu und lernt auch, die Weine etwas besser auseinanderzuhalten.
F.B.: Die Vielfalt ist schon groß und der Winzer muss für alle etwas parat haben.
Wir haben gelernt, dass der Winzer seine Kunden kennen muss.
F.B.: Natürlich. Das ist hier in Luxemburg auch sehr schön, da die Kunden doch zum größten Teil sehr treu sind. Wenn jemandem etwas schmeckt, dann kommt er auch zurück und der Winzer weiß, was der Kunde will. Dadurch wird die Beratung auch besser.
Wobei viele jüngere Winzer uns erzählten, dass sich das etwas verändert habe. Früher sei der Kunde zu seinem Winzer gegangen und hätte einige Kisten gekauft. Heute schauen sich die Kunden eher bei verschiedenen um und kaufen dann ein paar Flaschen.
F.B.: Wir sind ja auch nicht mehr die Jüngsten und halten unseren Winzern die Treue. (lacht)
(Die Kellnerin kommt mit der Flasche Rivaner rein.)
F.B.: In der Literflasche, so wie es früher beim Rivaner üblich war.
Als zuständiger Minister für den Weinbau ist man viel auf Weinfesten und anderen Empfängen präsent. Da kann man dann ja nicht ankommen und nur Wasser trinken.
F.B.: Ich glaube, dass sie heute in der Hinsicht wesentlich toleranter sind. Aber ja, man muss Charakter haben, keine Frage. Der einzige Vorteil, den man als Minister hat: Man hat einen Fahrer. (lacht)
Klopft man sich als Weinbauminister selbst auf die Schulter, wenn man feststellt, dass die Qualität der einheimischen Weine immer besser wird?

F.B.: Das ist der Verdienst der Winzer. Wir konnten höchstens unterstützen, zum Beispiel, indem wir Finanzhilfen gaben, damit Winzer neue Sorten anbauen konnten, da uns bewusst war, dass Elbling zum Beispiel keine große Zukunft haben würde. Über die Jahre wurde vermehrt auf Forschung und Wissenschaft gesetzt, auch mit der Hilfe des IVV („Institut viti-vinicole“; Anm. d. Red.).
R.S.: Etwas, das ihr ja wahrscheinlich selbst feststellen konntet, ist der enorme Arbeitsaufwand und wie viel Know-how man braucht, um Wein zu produzieren. Ohne Hilfe wäre es euch wohl auch schwerer gefallen. Man lernt ein Produkt wertzuschätzen, ob es sich nun um Wein, Milch oder eine Kartoffel handelt. Die Politik hat über die Jahre die nötigen Rahmenbedingungen geschaffen. Und wie Fernand bereits erwähnte, spielte beim Weinbau auch das IVV eine wichtige Rolle.
F.B.: Das feiert jetzt übrigens 100-jähriges Jubiläum.
R.S.: Ja, genau, ich habe auch eine Einladung bekommen. Das hat mich gefreut und ich werde da normalerweise auch hingehen.
F.B.: Ich ebenfalls.
R.S.: Man sieht heute auch, dass Winzer sich nicht nur größeres Wissen angeeignet haben, sondern auch verstärkt auf externe Berater zurückgreifen. Was die Politik angeht, denke ich, haben wir in Luxemburg schon eine große Kontinuität. Natürlich ging es je nach Partei mal mehr in die eine oder andere Richtung, aber vom Grundprinzip haben wir immer alle in die gleiche Richtung gezogen.
F.B.: Ich muss aber ehrlich sagen, dass die Vermarktung in all den Jahren etwas vernachlässigt wurde. Die Winzer taten sich schwer damit, einzusehen, dass man sich auch die Vermarktung der Produkte etwas kosten lassen muss. Große Unternehmen pumpen sehr viel Geld in die Vermarktung ihrer Produkte. Der Staat hat dann versucht, die Initiative zu ergreifen.
Sie haben beide mehr als eine Legislaturperiode als Landwirtschaftsminister gedient. Wollten Sie das Ressort unbedingt behalten oder hatten Sie einfach keine Wahl?
R.S.: Als ich das erste Mal in die Regierung eintrat, hatte ich keine Wahl. Als die LSAP nach den Wahlen 2009 das Landwirtschaftsministerium bekam, wurde ich gefragt, ob ich das machen will, und ich habe Ja gesagt.
Ich hatte dir damals noch ein gutes Koalitionsprogramm geschrieben. Aber du hast es auch gut umgesetzt.
F.B.: Ich hatte dir damals noch ein gutes Koalitionsprogramm geschrieben. Aber du hast es auch gut umgesetzt. (lacht)
R.S.: Wir hatten eine sehr gute Amtsübergabe. (lacht) Wenn man dann eingearbeitet ist, gibt es ja Projekte, die man gerne weiterbegleiten würde, und dann will man auch dranbleiben. Gut, ich wurde dann etwas gebremst, als die Dreierkoalition kam und die DP das Landwirtschaftsministerium bekam. Aber als sich bei den darauffolgenden Wahlen die Möglichkeit wieder bot, habe ich keine Sekunde gezögert, das Landwirtschaftsministerium wieder zu übernehmen. Ich habe die „matière“ gekannt, die Leute. Das war beim ersten Mal nicht der Fall und ist auch nicht so einfach.
Wie macht man das denn? Bekommt man ein Buch mit Gesetzestexten, die man einfach lernt?
R.S.: Nein, bei mir war es so, dass mein damaliger Berater, André Vandendries …
F.B.: … das war mein Schüler …
R.S.: … der kam zu mir ins Büro und hat gefragt: „Wo fangen wir an?“ Und ich antwortete: „Wir fangen bei null an.“ Das stimmte nicht ganz, aber ich musste doch vieles lernen. Deshalb besuchte ich die ersten sechs Monate fast täglich irgendeinen landwirtschaftlichen Betrieb mit meinen Beratern und habe die „matière“ so gelernt.
Man muss die Bauern und Winzer verstehen können und das sind nicht immer die einfachsten Charaktere
F.B.: Der Posten des Landwirtschaftsministers ist interessant, wenn man ein gutes Verhältnis zu den Menschen hat. Man muss die Bauern und Winzer verstehen können und das sind nicht immer die einfachsten Charaktere. Wer aus der Stadt kommt und keinen Draht zu den Menschen hat, für den ist es schwierig. Da wird man nicht glücklich. Es ist kein einfaches Ministerium, aber ein schönes Ministerium. Es gab unzählige Versammlungen mit sehr langen Diskussionen, was auch für den Minister nicht immer einfach war. Wer sich aber darauf nicht einlassen will, für den ist der Posten nichts.
Ist es denn bei Regierungsbildungen ein Ministerium, das schnell vergeben ist?
F.B.: Es ist nicht das erste, das vergeben wird. Das machen die Parteien unter sich aus, wobei sie natürlich auch im Hinterkopf haben, wer aus ihren Reihen für einen Posten infrage kommen könnte.
Wenn die Regierung dann bei einem offiziellen Anlass zusammensitzt, muss der Weinbauminister den Wein aussuchen?
R.S.: Das macht das IVV. Aber es war schon Usus, dass man seinen Ministerkollegen zu Weihnachten ein kleines Geschenk machte und wir haben dann meist eine Flasche Wein oder einen Crémant verschenkt.
Aber es ist nicht so, dass der Weinbauminister innerhalb der Regierung entscheidet, welcher Wein getrunken wird?
R.S.: Nein, aber man muss schon dafür sorgen, dass einmal im Jahr Federweißen da ist. Das hat dann auch immer geklappt und jeder hat ein Glas bekommen, nach dem Regierungsrat wohlverstanden. (lacht)

Verfolgt man die Dossiers auch noch, nachdem man Minister eines Ressorts war, oder hat man noch engere Beziehungen zu Mitarbeitern oder Wegbegleitern?
F.B.: Es interessiert mich immer noch, aber ich bin nicht mehr wirklich drin. Es ändert sich alles so schnell und es kommen so viele neue Abkürzungen, dass man doch irgendwann den Überblick verliert. Man hatte natürlich auch gute Beziehungen zu verschiedenen Mitarbeitern, mit denen man sporadisch noch in Kontakt ist.
R.S.: Also was die Theorie angeht, bin ich mittlerweile auch etwas raus. Aber die personellen Beziehungen bestehen schon noch.
Ich habe alle Beamten übernommen, die da waren. Es bringt nichts, Leute rauszuwerfen und neue dahinzusetzen.
Sie haben beide angesprochen, wie wichtig es als Minister ist, auf gute Beamte zurückgreifen zu können.
F.B.: Ich habe alle Beamten übernommen, die da waren. Es bringt nichts, Leute rauszuwerfen und neue dahinzusetzen.
R.S.: Ja, da kann ich nur zustimmen. Als ich das Landwirtschaftsministerium übernommen habe – wie lange warst du zu dem Zeitpunkt da?
F.B.: 14 Jahre.
R.S.: Da haben viele Leute mich gefragt, was ich mit all den CSV-Leuten machen würde. Aber es waren keine CSV-Leute, es waren Mitarbeiter, die einen sehr guten Job gemacht haben. Deshalb habe ich auch weiter mit denen gearbeitet und keinem einen Wechsel nahegelegt. Ich habe zwar eine Vertrauensperson mitgebracht, weil ich eine dabeihaben wollte, aber ich habe mit allen sehr gut zusammengearbeitet.
Ist das im Landwirtschaftsministerium anders als in anderen Ministerien?
F.B.: Ich habe auch in meinen anderen Ministerien alle Leute übernommen.
R.S.: Ich habe auch nirgends jemanden ausgetauscht und denke auch, dass das nichts bringt.
F.B.: Das bringt auch nichts, außer dass der Frust bei der Belegschaft steigt. Wenn jemand mit einem neuen Minister kommt, der sich dann als Chef aufspielt, das finde ich wirklich nicht gut. Leider habe ich das Gefühl, dass das heutzutage immer öfter der Fall ist.
Was fehlt Ihnen heute vielleicht aus Ihrer Zeit als Weinbauminister? Der Kontakt zu den Leuten, die Veranstaltungen? Der Wein?
F.B.: Der Kontakt besteht immer noch. Was sich geändert hat: Man geht zu einer Veranstaltung, wenn man Lust hat und nicht, weil man muss.
R.S.: Das ist bei mir genauso. Auch wenn ich aus dem Norden natürlich einen längeren Weg zur Mosel habe und deshalb nicht mehr so häufig dort bin. Würde ich nicht im Ösling wohnen, dann hätte ich mich für die Moselgegend entschieden. Von daher fehlt mir heute schon ein wenig, dass ich die schöne Landschaft nicht mehr so häufig sehe. Aber es gibt ja auch einen Grund, wieso ich damals aufgehört habe, und das war unter anderem, weil ich nicht mehr so viel unterwegs sein wollte, so viele Verpflichtungen haben wollte, vor allem abends.
Würde ich nicht im Ösling wohnen, dann hätte ich mich für die Moselgegend entschieden.
F.B.: Heute fahre ich mit dem Bus nach Grevenmacher. Denn das eine oder andere Gläschen will man dann doch meistens kosten. (lacht)
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