Fünf Parlamentswahlen in zwei Jahren haben die Bulgaren bereits hinter sich gebracht – und noch immer keine Regierung. Eine prominente Heimkehrerin aus Brüssel will ihr Land nun aus der Dauerwahlsackgasse führen: Bis Montag hat Bulgariens bisherige EU-Kommissarin Mariya Gabriel noch Zeit, im zersplitterten Parlament eine Mehrheit für ihr geplantes Technokraten-Kabinett zu finden.
Erweist sich die Heimkehr für die Hoffnungsträgerin der rechten Gerb-Partei als Karrieresprung oder als Karriereknick? Noch zeichnet sich die von der 43-Jährigen erhoffte Mehrheit für ihr Expertenkabinett nicht ab, im Gegenteil.
Von dem liberalen Antikorruptionsbündnis PP-DB über die prorussische „Wiedergeburt“ bis hin zur sozialistischen BSP schließen bisher drei der fünf größten Parlamentsparteien eine Unterstützung aus. Nur die Oligarchenpartei DPS der türkischen Minderheit hat bisher zustimmend reagiert. Die populistische Protestpartei ITN wiederum behauptet, von der von Präsident Rumen Radew zu Wochenbeginn mit der Regierungsbildung beauftragten Gabriel noch gar nicht kontaktiert worden zu sein.
Brüssel und Washington ist mit Blick auf den Ukraine-Krieg an einem stabilen Bündnis der beiden größten und prowestlichen Kräfte Gerb und PP-DB gelegen, um den russischen Einfluss im Balkanstaat zurückzudrängen. Doch es ist weniger die in Frankreich studierte und bereits seit 2009 in Brüssel wohnhafte Gabriel als der Gerb-Chef und langjährige Ex-Premier Bojko Borissow, der in den Reihen der PP-DB auf Skepsis stößt: In seiner 15-jährigen Ägide hat sich Gerb den zweifelhaften Ruf einer oligarchennahen Partei der florierenden Korruption und politisch gesteuerten Justiz verschafft.
Gerb-Chef droht
Mit der Nominierung von Gabriel, die in Brüssel den guten Ruf eines effektiven Arbeitstiers genießt, ist es Borissow zwar gelungen, eine unbelastete Premierkandidatin aus dem Hut zu zaubern. Doch obwohl sich PP-Chef und Ex-Premier Kiril Petkov bei einem ersten Treffen von der selbsterklärten Brückenbauerin Gabriel, ihrer proeuropäischen Orientierung und langer Auslandserfahrung durchaus angetan zeigte, hält seine Partei an der Ablehnung einer von Gerb geführten Expertenregierung weiter fest.
„Wenn es bis nächste Woche keine Regierung gibt, wird es auch keinen Haushalt geben“, warnt Gerb-Chef Borissow bereits dunkel vor einem Auszahlungsstopp von Löhnen und Renten. Unverdrossen hofft derweil die umtriebige Premieranwärterin Gabriel weiter darauf, Präsident Radew bis Montag fristgerecht ein mehrheitsfähiges Expertenkabinett zu präsentieren.
Um die PP-DB zumindest für die Tolerierung ihres geplanten Kabinetts zu ködern, ist Gabriel selbst bereit, sich hinter deren Forderung nach Ablösung des umstrittenen Generalstaatsanwalts Iwan Geschew zu scharen. Sollte ihre Regierungsmission dennoch bereits vor Amtsantritt scheitern, dürfte sich die PP-DB als zweitstärkste Fraktion an einer Regierungsbildung versuchen. In Sofia wird bereits über das vertraute Szenario erneuter Neuwahlen spekuliert: Im Herbst könnte die sechste Parlamentswahl in zweieinhalb Jahren steigen – ohne erkennbare Aussicht auf klarere Mehrheitsverhältnisse.
De Maart
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