Donnerstag23. Oktober 2025

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EU-Außenminister„Europa spricht immer noch nicht die Sprache der Macht“

EU-Außenminister / „Europa spricht immer noch nicht die Sprache der Macht“
Für den EU-Außenbeauftragten Josep Borrell dürfte es voraussichtlich das letzte Ratstreffen mit den EU-Außenministern gewesen sein, bevor im Dezember die neue Kommission übernimmt Foto: Nicolas Tucat/AFP

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Bei seinem letzten Ratstreffen liest EU-Chefdiplomat Borrell den Außenministern in Brüssel die Leviten. Doch beim umstrittenen Thema Israel kann er sich nicht durchsetzen.

Zum Abschied wollte Josep Borrell noch einmal ein Zeichen setzen. Die EU müsse den politischen Dialog mit Israel aussetzen, um gegen die anhaltenden Völkerrechtsverstöße in Gaza zu protestieren, forderte der scheidende EU-Chefdiplomat bei seinem wohl letzten Außenministertreffen am Montag in Brüssel. Es sei höchste Zeit, Stellung zu beziehen, so Borrell. Doch er wurde nicht erhört.

Über die katastrophale Lage in Gaza mit mehr als 40.000 toten Palästinensern redeten die EU-Politiker eher widerwillig. Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock sprach sich gegen Borrells Vorstoß aus – man müsse „Gesprächskanäle offen halten“, betonte sie. Ein Appell der Menschenrechtsorganisation „International Federation for Human Rights“, Borrell zu folgen und den „Völkermord“ in Gaza zu stoppen, fand kein Gehör. Neben Deutschland sprachen sich auch Luxemburg, Tschechien, Österreich und Ungarn gegen ein Ende des Dialogs aus. Spanien, Irland und Belgien unterstützten Borrell. Für eine Entscheidung wäre aber Einstimmigkeit nötig gewesen.

Viel engagierter diskutierten die EU-Politiker über die Lage in der Ukraine und die überraschende Wende in der US-Strategie: Kurz vor dem Ende seiner Amtszeit im Januar hat der scheidende Präsident Joe Biden offenbar grünes Licht für den Einsatz weitreichender amerikanischer Waffen für Angriffe innerhalb Russlands gegeben. Die meisten EU-Länder signalisierten Zustimmung; nur Ungarn sprach von einer „gefährlichen“ Entscheidung.

Der EU-Außenbeauftragte forderte die Mitgliedstaaten dazu auf, es den USA gleich zu tun und der Ukraine den Einsatz von Waffen für Angriffe innerhalb Russlands zu gestatten. „Immer wieder habe ich gesagt, dass die Ukraine in der Lage sein sollte, die von uns gelieferten Waffen zu nutzen, nicht nur um die Pfeile zu stoppen, sondern auch um die Bogenschützen zu treffen“, so der Spanier.

Borrell: „Haltet besser zusammen“

Allerdings ist die EU dafür gar nicht zuständig. Über die Lieferung und Freigabe von Waffen entscheiden die Mitgliedsländer allein. So will Deutschland auch künftig keine Taurus-Systeme an die Ukraine liefern. Zudem ist unklar, wie weit Bidens Entscheidung geht. „Wir kennen nicht die genauen Zahlen der (amerikanischen) Raketen, die die Ukraine im Bestand hat“, sagte Litauens Außenminister Gabrielius Landsbergis. „Es stellt sich die Frage, ob sie mit genügend Raketen ausgestattet sind, um einen Unterschied auf dem Schlachtfeld zu machen.“ Daher werde er noch keinen Champagner aufmachen.

Feierstimmung wollte auch sonst nicht aufkommen. Dafür ist die Weltlage zu ernst, und die EU ist zu schwach, wie Borrell einräumte. Die Europäer sprächen immer noch nicht „die Sprache der Macht“, sagte er zum Abschied in Brüssel (im Dezember kommt die neue EU-Kommission). Zugleich gab Borrell einen letzten Rat: „Haltet besser zusammen, trefft schnellere Entscheidungen.“

Denn die Welt warte nicht auf Europa – weder in der Ukraine, noch in Israel.