Die Strategie der EU gegenüber der Ukraine stützt sich auf drei Hauptpfeiler. Erstens haben sich die europäischen Staats- und Regierungschefs auf eine Definition von Sieg geeinigt, die die Wiederherstellung der territorialen Integrität der Ukraine einschließt. Zudem haben sie zugesagt, die Ukraine so lange zu unterstützen, bis sie alle Gebiete zurückerobert hat, die in der Anfangsphase des Krieges von Russland besetzt wurden.
Zweitens hat sich die europäische Russlandpolitik ganz auf Wirtschaftssanktionen und internationale Isolierung konzentriert. Westliche Unternehmen sind massenhaft aus Sankt Petersburg und Moskau geflohen, die G7 hat eine Preisobergrenze für russisches Öl verhängt, und Hunderte von russischen Diplomaten wurden aus westlichen Hauptstädten ausgewiesen.
Schließlich hat die Abhängigkeit Europas von amerikanischer Unterstützung ein seit dem Kalten Krieg nicht mehr gekanntes Ausmaß erreicht. Trotz der eskalierenden Rivalität zwischen den USA und China hat die Regierung von Präsident Joe Biden beträchtliche diplomatische, wirtschaftliche und militärische Ressourcen eingesetzt, um die Sicherheit und Stabilität Europas zu gewährleisten.
Konstrukt am Wanken
Die Ukraine konnte so etwa 82 Prozent ihres Territoriums vor der Invasion halten, während Russland erhebliche Verluste an Personal und Ressourcen hinnehmen musste. Darüber hinaus ist das transatlantische Bündnis, das während der Amtszeit des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump als so gut wie tot galt, heute stärker als je zuvor seit dem Ende des Kalten Krieges.
Doch alle drei Säulen sind ins Wanken geraten. Zwar wurde Orbáns Versuch, ein Veto gegen den EU-Beitritt der Ukraine einzulegen, durch ein Verfahrenstrick vereitelt, doch ist diese Entscheidung eher ein symbolischer Sieg für die Ukraine als ein praktischer, da sie nichts an der anhaltenden Verzögerung der wichtigen Finanzhilfe ändert. Auf den Schlachtfeldern der Ostukraine hat der Krieg eine Pattsituation erreicht, die Russland begünstigt, da die ukrainische Gegenoffensive, die von Anfang an mit unrealistischen Erwartungen belastet war, ihre erklärten Ziele nicht erreicht hat.
Darüber hinaus wurde die Wirksamkeit der gegen Russland verhängten Sanktionen in Frage gestellt, nachdem eine aktuelle Untersuchung des Nachrichtenportals Politico ergeben hatte, dass die westlichen Restriktionen weit weniger verheerend waren als ursprünglich angenommen. Während der russische Präsident Wladimir Putin durch den Nahen Osten reist und damit droht, neue Fronten in Europa zu eröffnen, zeichnet sich in Washington ein Konsens darüber ab, dass die USA nach den Präsidentschaftswahlen 2024 mit Moskau zusammenarbeiten müssen.
Kaum Interesse aus den USA
Das schwindende Interesse der USA am Krieg in der Ukraine stellt die größte Bedrohung für die Stabilität Europas dar. Die größte Sorge der europäischen Staats- und Regierungschefs ist die mögliche Rückkehr von Donald Trump ins Weiße Haus im Jahr 2025, da rechtsgerichtete Denkfabriken bereits mit der Ausarbeitung von Plänen für eine „schlafende NATO“ begonnen haben und eine Verlagerung von der Lastenteilung zur „Lastverschiebung“ befürworten.
Doch das Problem geht über Trump hinaus. Sogar die Biden-Administration, die eine entscheidende Rolle bei der Koordinierung der ukrainischen Verteidigung gespielt hat, scheint ihren Ton geändert zu haben. Bei einer Pressekonferenz mit Selenskyj führte Biden kürzlich die neue Formulierung ein, dass die USA die Ukraine unterstützen würden, „solange wir können“, statt „solange es dauert“. Selenskyj, der nach Washington gereist war, um republikanische Abgeordnete um Zustimmung für ein größeres Hilfspaket zu bitten, und dem es nicht gelang, einen Durchbruch zu erzielen, war sichtlich entmutigt.
Bidens rhetorische Wende macht das Dilemma deutlich, in dem sich die europäischen Verbündeten der Ukraine befinden, und unterstreicht die dringende Notwendigkeit für Europa, seine Strategie zu überdenken. Erstens sollte sich die Definition eines ukrainischen Sieges nicht auf die von Russland zurückeroberten Gebiete beschränken. Der Charakter und die Identität der Nachkriegs-Ukraine, insbesondere ihr Bekenntnis zu demokratischen Prinzipien, sind ebenso wichtig. Sollte die Ukraine als lebendige Demokratie aus diesem Krieg hervorgehen und Mitglied der NATO und der EU werden, wäre dies ein spektakulärer Sieg, unabhängig von konkreten Gebietsgewinnen.
Die westlichen Länder sollten sich daher darauf konzentrieren, die Ukraine bei der Verwirklichung dieser Vision zu unterstützen. Die Europäer sollten der Ukraine helfen, ihre Wirtschaft und ihre Rüstungsindustrie zu reformieren, damit das Land unabhängiger von den Launen der westlichen Innenpolitik wird. Dies würde die Ukraine in die Lage versetzen, finanziell tragfähige Mechanismen zu schaffen, um sich gegen russische Aggressionen zu verteidigen. Anstatt auf das Ende des Krieges zu warten, müssen die westlichen Regierungen der Ukraine helfen, ihre Wirtschaft und Steuerbasis wieder aufzubauen, während der Konflikt noch andauert.
Diese Neudefinition des ukrainischen Sieges muss mit einem neuen Verständnis dessen einhergehen, was eine russische Niederlage ausmacht. Da es unwahrscheinlich ist, dass der Krieg mit Putin und seinen Kumpanen auf der Anklagebank in Den Haag enden wird, müssen sich die Staats- und Regierungschefs der EU den langfristigen Herausforderungen stellen, die der vielschichtige Konflikt zwischen Russland und Europa mit sich bringt, einschließlich einer Energiekrise, politischer Umwälzungen und geopolitischer Instabilität. Ein langwieriger Konflikt mit einem russischen Schurkenregime erfordert eine umfassende Strategie, die die Schaffung von Kanälen zum Verständnis und zur Antizipation der Absichten und Taktiken des Kremls einschließt.
Abhängigkeit verringern
Unabhängig davon, wer im Januar 2025 sein Amt im Oval Office antritt, muss Europa seine Abhängigkeit von den USA verringern. Das bedeutet, mehr für die Verteidigung auszugeben und eine effektive gemeinsame Strategie zu entwickeln. Einem einzelnen Mitgliedstaat zu erlauben, die gesamte außenpolitische Agenda des Blocks an sich zu reißen, wie es Ungarn getan hat, ist unhaltbar und unvereinbar mit dem Bestreben der EU, ihren Einfluss in einer multipolaren Welt zu behaupten.
Trotz dieser Herausforderungen könnte der Europäische Rat in diesem Monat den Grundstein für eine neue Vision von Europa gelegt haben. Die letzten zwei Jahre waren von einer unerwarteten Annäherung der EU-Mitgliedstaaten geprägt: Frankreich entdeckte eine neue Begeisterung für Osteuropa und die Erweiterung und Deutschland zeigte ein wachsendes Interesse an der Verteidigung. Sogar Italien scheint seine frühere Liebesbeziehung zu Russland hinter sich gelassen zu haben, und das Vereinigte Königreich nähert sich der EU langsam wieder an.
Die Zukunft des transatlantischen Bündnisses bleibt angesichts der bevorstehenden wichtigen Wahlen in Europa, den USA und Großbritannien in Bewegung. Um inmitten regionaler und globaler Veränderungen zu überleben, muss die EU diese Zeit der Ungewissheit und des Wandels nutzen, um eine Strategie zu entwickeln, die es dem Block und der Ukraine ermöglicht, die Herausforderungen der kommenden Jahre zu meistern.
Mark Leonard, Direktor des European Council on Foreign Relations. Sein Buch „The Age of Unpeace: How Connectivity Causes Conflict“ ist 2021 bei Bantam Press erschienen.
Übersetzung: Andreas Hubig
Copyright: Project Syndicate, 2023. www.project-syndicate.org
De Maart
Europa wird sich nicht nur die Finger verbrennen durch die Unterstützung der korrupten Ukraine. Die Weltherrschaft wird die USA an die Chinesen abtreten müssen. Putins Reich ist ausreichend groß, aber es muss geschützt werden vor der bedrohlichen Ausweitung von EU und Nato unterstützt durch die USA die mit Waffen Verkäufen das große Geschäft machen. Europa wird die Rechnung zahlen müssen, doch die Kriegskassen sind leer......
@ TB
Wann Ech hei dei Topisch Commentaire liesen ( Luxmann ,Phil ),froen Ech mech wat mat mengen gut fondeierten Commentaire geschitt ass .
BG
Fr Smilla
@luxmann
Hinzuzufügen wäre, dass vor knapp 30 Jahren noch sämtliche ukrainische Raketen nach Europa gerichtet waren. Das heisst die damalige Anti-Europa-Denke ist immer noch in den meisten Köpfen präsent. Wenn sogar eine Frau von der Leyen 2021 in öffentlichen Medien die Ukraine als einer der korruptesten Staaten überhaupt zitiert, sollte einem das, auch nach drei Jahren, immer noch zu denken geben.
@luxmann/ Auch meine Meinung! Den Kommentar unterschreibe ich.
Wenn die Ukrainer fällt, dann ist als nächstes Europa und andere Länder dran. Putin möchte die Weltmacht. Wenn man das zulässt ist die Freiheit der Bürger verloren.
Europa sollte ganz einfach die finger von diesem konflikt weg halten.
Was geht uns die korrupte von banderisten durchsetzte ukraine an...bis 1990 war sie teil der udssr und das stoerte niemanden hier.