Samstag15. November 2025

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BelgradEtappenerfolg auf dem Weg zur Zwangseinigung

Belgrad / Etappenerfolg auf dem Weg zur Zwangseinigung
Serbiens Präsident Aleksandar Vucic und Kosovos Premier Albin Kurti Fotos: AFP; Montage: Tageblatt/Yannick Schumacher

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Der starke Druck des Westens macht es möglich: Die früheren Kriegsgegner Kosovo und Serbien haben mit der Annahme des EU-Plans einen ersten Schritt zur Normalisierung ihrer Beziehungen gemacht. Doch noch ist nichts unterschrieben und steht das Tauziehen um dessen Umsetzung erst bevor.

Auch nach ihrer Absegnung des EU-Plans zur Normalisierung der Beziehungen zwischen Kosovo und Serbien können sich die Dauerstreithähne die vertrauten Nadelstiche nicht ganz verkneifen. Es sei eine „Schande“, dass die Vereinbarung nicht unterzeichnet worden sei, so Kosovos Premier Albin Kurti in Brüssel: „Ich war dazu bereit, aber die serbische Seite wollte das nicht.“ Er habe gehofft, dass „wir uns auf einige Kompromisse verständigen“, versicherte derweil Serbiens Präsident Aleksandar Vucic: „Aber Herr Kurti war dazu nicht bereit.“

Immerhin hatte der starke Druck des Westens die unwilligen Nachbarn in Brüssel ausnahmsweise nicht nur zum üblichen Austausch von Unfreundlichkeiten an einen Tisch gebracht: Mit der Annahme des EU-Plans haben die einstigen Kriegsgegner zu Wochenbeginn einen ersten Schritt in Richtung eines Ausgleichs und des von Brüssel geforderten Nachbarschaftsabkommen gemacht. „Ein Fortschritt ist erzielt. Aber es ist noch viel Arbeit nötig, um das Vereinbarte auch umzusetzen“, fasst der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell den Etappenerfolg auf dem Weg zur Zwangseinigung zusammen.

Vertragspapier hat sich auf dem Balkan zwar oft als geduldig erwiesen. Doch falls die abgesegnete EU-Vorlage umgesetzt wird, könnte sie die labile Nachbarschaftsehe tatsächlich in ruhigere Fahrwasser lotsen. Beide Seiten müssen dafür gehörige Zugeständnisse machen. Aber beide Seiten könnten davon auch profitieren.

„Rote Linie“

Die von Belgrad strikt abgelehnte Anerkennung von Kosovos Eigenstaatlichkeit wird in dem EU-Plan zwar nicht direkt angesprochen. Doch mit dem Vertragspassus, dass beide Seiten ihre Pässe, nationalen Hoheitssymbole, Zollstempel und Berufsabschlüsse anerkennen, wird Serbien zur faktischen Anerkennung des seit 2008 unabhängigen Kosovo gezwungen. Bisher hatte Belgrad den abgelehnten UN-Beitritt Kosovos zur „roten Linie“ erklärt. Nun ist in dem Vertragswerk ausdrücklich vermerkt, dass sich Serbien Kosovos Zutritt zu internationalen Organisationen nicht widersetzen werde.

Trotz der Angst vor einem Staat im Staat wird sich aber auch Pristina bei der bisher verweigerten Schaffung eines Verbands der serbischen Kosovo-Kommunen bewegen müssen. So sieht der EU-Plan nicht nur „ein angemessenes Niveau von Selbstmanagement“ für die serbische Minderheit in Kosovo vor, sondern auch die Möglichkeit von Finanzhilfen Belgrads für ihre Landsleute in der Ex-Provinz. Auch die serbisch-orthodoxe Kirche im Kosovo soll mit einem geregelten Status künftig besser geschützt werden.

Der Vertragsteufel steckt im noch nicht ausgearbeiteten Detail: Auf einen Annex zur genauen Umsetzung des Abkommens müssen sich Pristina und Belgrad erst noch verständigen. Die EU drückt aufs Tempo: Bis Ende März soll das Abkommen unter Dach und Fach – und unterzeichnet sein. Doch in beiden Staaten regt sich Kritik – und auch Widerstand.

In Pristina wurde bereits eine Demonstration gegen die vereinbarte Schaffung eines serbischen Kommunalverbands (ZSO) angekündigt: Oppositionspolitiker werfen Kurti vor, dem Land statt der angestrebten Anerkennung durch Serbien den bisher abgelehnten Minderheitenverband eingehandelt zu haben. 

Noch härteren Verrätervorwürfen sieht sich sein Belgrader Gegenspieler ausgesetzt. „Keine Kapitulation: Vucic hat Kurti erneut zerlegt!“, pries am Dienstag zwar das Regierungsblatt Informer den Landesvater. Doch andere sehen das anders. Die Annahme des Abkommens durch Vucic sei eine „offene Anerkennung der Unabhängigkeit des Kosovo“, schäumt Bosko Obradovic, der Chef der rechtsklerikalen Dveri: „Entweder wird der Willen des Volkes erhört – oder jemand muss gehen.“