Montag20. Oktober 2025

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FrankreichErster Missbrauchsprozess gegen Schauspieler Gérard Depardieu beginnt

Frankreich / Erster Missbrauchsprozess gegen Schauspieler Gérard Depardieu beginnt
Foto von Schauspieler Gérard Depardieu aus dem Jahr 2017 Foto: AFP/Tiziana Fabi

Ein halbes Jahrhundert lang war Gérard Depardieu Frankreichs Vorzeige-Schauspieler und eroberte weltweit ein begeistertes Kinopublikum. Dann warfen ihm immer mehr Frauen öffentlich sexuelle Belästigungen und Missbrauch vor. Von Montag an muss Depardieu sich erstmals wegen mutmaßlicher sexueller Übergriffe während Dreharbeiten 2021 vor Gericht verantworten. Der 76-Jährige weist alle Vorwürfe zurück.

„Der Mann ist finster, aber der Schauspieler ist überragend“, sagte Catherine Deneuve einmal über Depardieu. Sie spielte 1980 in „Die letzte Metro“ von François Truffaut an seiner Seite – der erste Film, für den Depardieu mit dem französischen Filmpreis César ausgezeichnet wurde. Mit seinem Großmaul und seinem impulsiven Spiel wurde Depardieu weltberühmt.

Er arbeitete mit den berühmtesten Filmschaffenden Frankreichs zusammen und kommt auf mehr als 200 Filme. Darin verkörperte er den wortstarken Cyrano ebenso brillant wie einen abgehalfterten Schlagersänger, einen Schlachthofarbeiter oder einen Alzheimer-Patienten. Im Gedächtnis bleiben auch seine Auftritte als unbeugsamer Gallier, für die Depardieu wegen seiner kulinarischen Leidenschaft längst die passende Körperfülle erreicht hatte.

Seine Karriere ist eine klassische Aufsteiger-Geschichte: Depardieu wuchs in einer Arbeiterfamilie auf, sein Vater war Klempner und Alkoholiker. Als Kind stotterte Gérard, verließ mit 13 die Schule, jobbte unter anderem als Stricher, wie er in seiner Autobiografie berichtete. Schließlich kam er über einen Freund zum Theater, das ihm die Chance seines Lebens bot.

Seit Jahren ein Alkoholproblem

Wegen seines immensen Schauspieltalents wurde ihm sein rüpelhaftes und sexistisches Auftreten immer wieder verziehen. Depardieu hat seit Jahren ein Alkoholproblem, was nicht nur zu zahlreichen unschönen Szenen, sondern auch zu Verkehrsunfällen führte. Er bekannte einmal, bis zu 14 Flaschen am Tag zu trinken – von Champagner bis Wodka. Zu seinen Tiefpunkten zählte eine öffentliche Pinkelpause im Gang eines Flugzeugs.

Seine Steuerflucht nach Belgien, die Annahme der russischen Staatsbürgerschaft und die Nähe zu Kreml-Chef Wladimir Putin und weiteren zweifelhaften Machthabern der Region ließen seinen Stern weiter sinken. Mit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine distanzierte Depardieu sich vorsichtig von Moskau. Zudem spendete er für ukrainische Kinder. Depardieu hat selbst vier Kinder aus drei Beziehungen anerkannt.

Die erste Frau, die Depardieu wegen Vergewaltigung verklagte, war 2018 die Schauspielerin Charlotte Arnould. Ein erstes Ermittlungsverfahren wurde eingestellt. Arnould klagte erneut, mittlerweile beantragte die Staatsanwaltschaft in dem Fall einen Prozess gegen Depardieu, die Entscheidung darüber steht noch aus.

Der Schauspieler weist alle Vorwürfe von sich. „Ich habe absolut niemals eine Frau missbraucht“, versicherte er. Arnould hielt er entgegen, aus freien Stücken Sex mit ihm gehabt zu haben: „Wenn sie unter Zwang stand, dann unter ihrem eigenen Zwang.“

Vorwürfe von mehr als 20 Frauen

Insgesamt werfen mehr als 20 Frauen Depardieu sexuelle Gewalt vor, viele von ihnen verzichteten jedoch darauf, Klage einzureichen. In sechs Fällen wurden Klagen eingereicht, davon zwei wegen Vergewaltigung. Die Nötigungsklage einer französischen Schauspielerin und die Vergewaltigungsklage einer spanischen Journalistin wurden abgewiesen, weil sie verjährt waren.

Die öffentliche Meinung drehte sich weiter gegen den Schauspielstar, als 2023 ein Dokumentarfilm veröffentlicht wurde, der Depardieu auf einer Drehreise in Nordkorea zeigte. Er trat dort dermaßen vulgär und sexistisch auf, dass die damalige französische Kulturministerin Rima Abdul Malak von einer „Schande für Frankreich“ sprach und Depardieus Ausschluss aus der Ehrenlegion einleitete. Sinnfällig für seinen Absturz war auch die Entfernung seines Ebenbilds aus dem Pariser Wachsfigurenkabinett kurz vor Depardieus 75. Geburtstag.

Der am Montag beginnende Prozess war eigentlich bereits für vergangenen Oktober geplant, wegen gesundheitlicher Probleme Depardieus wurde er jedoch vertagt. Dem Schauspieler sei daran gelegen, „gehört zu werden“, versicherte sein Anwalt. Dazu wird der tief gestürzte Schauspieler nun Gelegenheit bekommen. 

Im Februar wurde zudem bekannt, dass die französische Justiz gegen Depardieu wegen schweren Steuerbetrugs und Geldwäsche ermittelt. Hintergrund ist seine Steuerflucht nach Belgien, zu der er sich 2012 öffentlich bekannt hatte. Nun wird ihm allerdings vorgeworfen, sich damals nur zum Schein in Belgien niedergelassen zu haben. (AFP)