Für viele von uns gehören Bankautomaten zum Alltag – kaum beachtete Geräte an vielen Straßenecken. Doch auf Tuvalu, einem der kleinsten und abgelegensten Länder der Welt, markiert ihre Einführung einen historischen Moment. Seit vergangener Woche verfügt der pazifische Inselstaat erstmals über eigene Geldautomaten – und das wurde gebührend gefeiert.
Tuvalu, ein Archipel aus neun winzigen Koralleninseln, liegt mitten im Pazifik, zwischen Hawaii und Australien, etwa 5.000 Kilometer nordöstlich von Australien. Die Fläche des gesamten Landes beträgt gerade einmal 26 Quadratkilometer. Mit seiner traumhaften Natur, exotischen Fischen und bunten Korallenriffen wirkt Tuvalu wie ein Postkartenidyll. Gleichzeitig ist das Leben hier durch Isolation und infrastrukturelle Herausforderungen geprägt.
„Transformierender Schritt“
Bislang wurden alle finanziellen Transaktionen – egal ob durch Einheimische oder die wenigen Touristen – ausschließlich bar abgewickelt. Dass nun auf der Hauptinsel Funafuti erstmals Geldautomaten stehen, ist für die rund 11.000 Einwohner ein echter Meilenstein. Premierminister Feleti Teo präsentierte die neuen Maschinen persönlich – flankiert von Regierungsvertretern, lokalen Würdenträgern und einem riesigen Schokoladenkuchen. „Ein bedeutender Meilenstein“, so nannte er die Einführung der Geräte laut einer Mitteilung der Regierung.
Betrieben werden die Automaten von der National Bank of Tuvalu. Deren Geschäftsführer, Siose Teo, sprach von einer „großartigen Errungenschaft“ und einem „transformierenden Schritt“, der die wirtschaftliche Selbstermächtigung der Bevölkerung fördern solle. Auch Nisar Ali vom beteiligten Technikunternehmen Pacific Technology Limited zeigte sich erfreut: „Das wird definitiv Barrieren abbauen und der Bevölkerung moderne und verlässliche Bankdienstleistungen näherbringen“, sagte er.
Bis 2100 unbewohnbar
Ein großer Schritt also – nicht nur finanziell, sondern auch symbolisch. Denn Tuvalu steht wie kaum ein anderes Land im Zentrum der Klimakrise. Der höchste Punkt des Inselstaats liegt weniger als fünf Meter über dem Meeresspiegel. Schon jetzt nagen steigende Pegel an den Küsten, das eindringende Salzwasser macht Ackerflächen unbrauchbar, und das fragile marine Ökosystem leidet unter der Erwärmung der Meere.
International bekannt wurden Tuvalu und seine Klimasorgen einst durch den früheren Außenminister Simon Kofe, der 2021 während einer Rede an die UN knietief im Wasser stand – im Anzug, mitten im Ozean. Seine Botschaft war klar: Tuvalu versinkt. Und mit dem Land verschwinden Kultur, Geschichte und Identität. Während viele Länder Küstenschutz betreiben oder Infrastruktur anpassen, geht es für Tuvalu um das nackte Überleben. Prognosen zufolge wird der Inselstaat bis zum Ende des Jahrhunderts unbewohnbar sein. Australien hat vor einem Jahr ein Umsiedlungsprogramm ins Leben gerufen, das jährlich 280 Tuvaluer aufnimmt. Ein eigens geschaffenes „Pacific Engagement“-Visum erlaubt zusätzlich bis zu 3.000 Menschen aus dem Pazifikraum, mitsamt ihrer Familien nach Australien zu migrieren.
Bald nur noch virtuell ein Land?
Doch wie bewahrt man eine Nation, deren physisches Territorium bald verschwunden sein könnte? Tuvalu sucht nach digitalen Antworten. Eselealofa Apinelu, Tuvalus frühere Generalstaatsanwältin und heutige Hochkommissarin in Fidschi, sprach sich bei einer Pazifik-Konferenz für einen digitalen Zwilling des Landes aus – ein virtuelles Abbild, das Kultur, Werte und Geschichte bewahren soll.
Solche digitalen Zwillinge sind keine Science-Fiction: Mit Sensoren, Drohnen, Datenanalysen, Künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen werden reale Orte in virtuelle Räume übersetzt. Tuvalu möchte sich damit ein digitales Denkmal setzen – als Nation, die nicht untergeht, sondern neue Wege geht.
Dass die Insulaner trotz der düsteren Aussichten für ihr Land nicht aufgeben und weiter an Innovation und Fortschritt glauben, zeigt nun auch die Einführung der ersten Geldautomaten, mit der Tuvalu einen Schritt in Richtung moderne Infrastruktur macht.
De Maart
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