Am 14. Februar hat Indonesien nicht nur einen neuen Präsidenten gewählt, sondern auch noch fast 20.000 Vertreterinnen und Vertreter für National-, Provinz- und Bezirksparlamente. Insgesamt standen eine Viertelmillion Kandidaten zur Auswahl.
Die Wahl in dem südostasiatischen Inselstaat gilt als die weltgrößte: Rund 204 Millionen der über 270 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner Indonesiens sind wahlberechtigt und dabei über etliche der insgesamt rund 17.000 Inseln verstreut. Zusätzlich zur komplexen Logistik kam es am Wahltag in einigen Teilen des Landes dann auch noch zu Überschwemmungen. Abstimmungen mussten verschoben oder verzögert werden. Teilweise arbeiteten die Helfer in knietiefem Wasser.
Diese Mammutaufgabe an nur einem Tag zu erledigen, hat in diesem Jahr laut des Gesundheitsministeriums über 100 indonesische Wahlhelferinnen und Wahlhelfer das Leben gekostet. Über 15.000 sind danach krank geworden, wie lokale Medien, unter anderem Channel News Asia, berichteten. Ein Wahlhelfer, der den Marathon überlebte, berichtete dem Medium, dass seine Schicht 26 Stunde dauerte und er letztendlich erst um 8 Uhr morgens am nächsten Tag herauskam, weil er so lange Daten hochladen musste. Anstatt danach nach Hause zu gehen, um zu schlafen, machte sich der Wahlhelfer auf den Weg zu seinem Job als Programmierer.
Wahlhelfer müssen unter 55 Jahre alt sein
Auch die indonesische Redakteurin Sapariah Saturi, die ehrenamtlich bei einem Wahllokal in der Hauptstadt Jakarta aushalf, schrieb in einer E-Mail, dass sie von 6 Uhr morgens am Wahltag bis zum nächsten Tag um 5 Uhr morgens außer Haus war. „Mitten in der Nacht wurde mir im Kopf ganz schwindlig und mein Bauch fing an, sich aufzublähen“, berichtete sie. Sie habe dann mehrere kalte Getränke getrunken und Balsam aufgetragen, um sich zu erfrischen. „Ich war sehr müde und als ich ging, hatte ich das Gefühl, zu schweben.“ Sie sei am nächsten Tag dann zu Hause geblieben und habe sich ausgeruht. Nochmal wolle sie das ihrer Gesundheit nicht antun, meinte sie.
Eigentlich sollte die diesjährige Wahl sogar ganz besonders auf die Gesundheit der Wahlhelferinnen und Wahlhelfer achten, nachdem bei der Wahl 2019 fast 900 Wahlhelfer starben und über 5.000 erkrankten. Zu den auslösenden Faktoren zählten damals laut der lokalen Nachrichtenseite „Antara News“ eine hohe Arbeitsbelastung, Müdigkeit sowie Komorbidität beziehungsweise Begleiterkrankungen. Um eine Wiederholung zu vermeiden, beschränkte die Wahlkommission (KPU) die Rekrutierung potenzieller Helferinnen und Helfer dieses Mal auf ein Alter zwischen 17 und 55 Jahren. Offiziell hätten die Helfer sogar ein Gesundheitszeugnis mitbringen und Beamte der Kommission hätten vor dem Wahltag Gesundheitskontrollen durchführen sollen.
Auch ein 19-Jähriger starb
Doch trotz der verschärften Regulierungen kam es erneut zu vielen Todesfällen und Erkrankungen. Laut des Gesundheitsministeriums waren dieses Mal Herzerkrankungen die häufigste Todesursache, aber auch septischer Schock, Bluthochdruck und Unfälle spielten eine Rolle. Die meisten Todesfälle waren Menschen in ihren 50ern, doch auch einige junge Mitarbeiter unter 20 Jahren befinden sich unter den Opfern. Einer von ihnen war der 19-jährige Gymnasiast Rhevi Kusmana, der nach der Wahl mit einer Herzerkrankung diagnostiziert wurde und im Krankenhaus verstarb, wie sein Vater dem lokalen indonesischen Medium Detik sagte. Sein Sohn habe bis 3 Uhr morgens im Wahllokal gestanden und einige Stunden später dann zur Schule gegangen, um einen Test abzulegen.
Die Wahlhelferinnen und Wahlhelfer arbeiten ehrenamtlich und erhalten nur eine kleine Aufwandsentschädigung von 1,1 bis 1,2 Millionen Indonesische Rupiah (IDR), umgerechnet rund 65 Euro. Die Familien der Verstorbenen sollen nun jedoch eine finanzielle Entschädigung für ihre verstorbenen Angehörigen erhalten – etwas über 2.100 Euro (36 Millionen IDR) sowie einen Zuschuss bei den Bestattungskosten von rund 590 Euro (10 Millionen IDR).
Lösung wurde zum Problem
Laut der Organisation Democracy and Electoral Empowerment Partnership (DEEP) war die Arbeitsbelastung auch deswegen so groß, weil eine neue App namens Sirekap, die eingeführt worden war, um den Wahlhelfern die manuelle Eingabe von Daten in das Wahlauszählungssystem zu ersparen, Probleme bereitete. Am Wahltag war das System so überlastet, dass die Server ausfielen und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Ergebnisse weiterhin manuell eingeben mussten. „Was als Lösung galt, ist stattdessen zu einem weiteren Problem geworden“, sagte DEEP-Geschäftsführerin Neni Nur Hayati gegenüber dem australischen Sender ABC. Dies sei „zusätzlich zu anderen Arbeitsbelastungen“ geschehen, die ohnehin schon schwer genug gewesen seien. „Ich kann mir vorstellen, dass sie gestresst waren.“
Als Sieger der indonesischen Präsidentschaftswahl ging im Februar Prabowo Subianto hervor. Der 72-Jährige, der sich während des Wahlkampfes in TikTok-Videos als liebenswerter Großvater präsentierte, war vor 25 Jahren einst einer der am meisten gefürchteten Männer des Landes. Der frühere General und Schwiegersohn des verstorbenen Diktators Suharto soll unter anderem im heutigen Timor-Leste ein Terrorregime geführt haben. Prabowo Subianto, der unter dem derzeit amtierenden Joko Widodo als Verteidigungsminister tätig ist, wird diesen nun im Oktober als Präsident ablösen. Widodo durfte nach zwei Amtszeiten nicht noch einmal kandidieren. Sein Sohn ist jedoch im Team des künftigen Präsidenten, was vermutlich auch Widodo in den kommenden fünf Jahren weiterhin zu einer gewissen Mitsprache verhelfen wird.
De Maart
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können