LibyenErneut menschliche Tragödie im Mittelmeer: 60 Tote innerhalb einer Woche

Libyen / Erneut menschliche Tragödie im Mittelmeer: 60 Tote innerhalb einer Woche
Mitarbeiter der Hilfsorganisation SOS Méditerranée retten am Mittwoch 25 Menschen vor der Küste Libyens, nachdem diese rund eine Woche ohne Nahrung und Trinkwasser auf See waren Foto: Johanna de Tessieres/SOS Méditerranée/AFP

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Ein tragischer Vorfall hat sich vor der Küste Libyens abgespielt: Mehr als eine Woche trieb ein Schlauchboot unentdeckt in den Territorialgewässern. Von den etwa 85 Menschen an Bord starben 60. Kinder, Frauen und Männer verdursteten oder verhungerten in dem Boot, die Leichen wurden von den Überlebenden ins Meer geworfen.

Nach und nach verdichten sich die Informationen zu dem neuen Schiffsunglück vor der libyschen Küste. Vor mehr als einer Woche war ein Schlauchboot auf die Überfahrt nach Lampedusa in See gestochen, doch offenbar schon nach wenigen Kilometern hatte der Motor des kleinen Boots versagt. 85 Menschen – so ist aus Berichten Überlebender zu entnehmen – sollen ursprünglich an Bord gewesen sein. Über 60 von ihnen verdursteten oder verhungerten in den Tagen, da das Boot steuerlos in der See trieb.

Am Mittwochmorgen hatte das Seenotrettungsschiff Ocean Viking das Schlauchboot in den Territorialgewässern Libyens ausgemacht und die 25 Überlebenden an Bord genommen. Die Menschen waren vollkommen dehydriert und auch psychisch in schlechtem Zustand. Aus ihren Aussagen ließen sich dramatische Situationen rekonstruieren, die sich auf dem kleinen Seefahrzeug zugetragen haben müssen. Viele der Flüchtenden klagten bereits wenige Stunden nach der Abfahrt über Durst, für die Menge der Menschen, die sich auf die gefährliche Überfahrt gewagt hatten, war einfach zu wenig Trinkwasser und Nahrung an Bord. Als die ersten starben, wurden ihre Leichen von den Überlebenden ins Meer geworfen. Nach den Aussagen der Überlebenden haben sich dabei Mütter von ihren Kindern trennen müssen, die Menschen an Bord seien an ihre psychischen Grenzen gekommen. Die Besatzung der Ocean Viking sprach von „Horrorberichten“, die schwer zu ertragen seien. Das Seenotrettungsschiff sei derzeit das einzige gewesen, das in der Meereszone vor Libyen patrouillierte. Die Schiffe Seawatch 4 und 5 sowie Humanity1 lägen beschlagnahmt in italienischen Häfen fest.

Möglicherweise war bereits vor Wochenfrist ein Notruf von dem Schlauchboot abgehört worden. Die Organisation SOS Méditerranée, die den Funkspruch abgefangen hatte, konnte jedoch keine Koordinaten zuordnen.

Weitere Flüchtlinge aufgenommen

Ocean Viking hatte in der vergangenen Woche eine Reise von 1.450 Kilometern zurückgelegt. Außer den 25 Überlebenden des verunglückten Schlauchboots hatte das Schiff weitere 224 Flüchtende aus Seenot gerettet. Allein 113 Personen konnten mithilfe des Seglers Trottamar III gesichert werden, darunter sechs Frauen und zwei Kinder. Weitere 88 Personen übernahm die Ocean Viking vom ebenfalls in den dortigen Gewässern patrouillierenden Sea Bird 2.

Zwei Migranten sind noch am Donnerstag mit einem Hubschrauber von der Ocean Viking in eine Klinik auf Sizilien verbracht worden. Ein junger Mann erlag trotz des Noteinsatzes jedoch an seiner Erschöpfung.

Der Ocean Viking, ein unter norwegischer Flagge fahrender Offshore-Versorger im Dienst von SOS Méditerranée, ist von den italienischen Küstenbehörden Ancona als sicherer Hafen zugewiesen worden. Bis dahin muss das Schiff noch eine Seereise von mehr als drei Tagen zurücklegen. Fraglich bleibt, ob sich die Lage der Flüchtenden über eine so lange Zeit an Bord stabilisieren lässt.