Es war ein Aufatmen der italienischen Linken am Wahlabend zu spüren: Die 37-jährige Politikerin Elena „Elly“ Schlein konnte sich mit 53 Prozent zur Wahl der neuen Vorsitzenden der Demokratischen Partei (Partito democratico, Pd) durchsetzen. Gegenkandidat Stefano Bonaccini gratulierte nach anfänglicher Enttäuschung über die eigene Niederlage: „Elly hat offensichtlich die größeren Kapazitäten, die Partei zu erneuern.“
Schlein ihrerseits dankte herzlich und versprach enge Zusammenarbeit. Das dürfte nicht schwierig werden, denn die beiden kennen sich bereits gut: Bonaccini ist Regionalpräsident der Emilia-Romagna, Schlein Vizepräsidentin der Region. Kein geringer Posten für die junge Frau, die ohnehin eine geradlinige politische Karriere absolviert hat. Die 1985 in Lugano (schweizerisches Tessin) geborene Elena Ethel Schlein ist die Tochter der Rechtsprofessorin Maria Paola Viviani und des US-amerikanischen Professors für Politologie, Melvin Schlein. Während die Familie der Mutter ihre Traditionen im toskanischen Antifaschismus sieht, stammt die des Vaters aus einer aschkenasischen Familie: Ihr Großvater war Mitte des vergangenen Jahrhunderts als „Herschel Schleyen“ aus der heutigen Ukraine in die USA ausgewandert. Die dortigen Einwanderungsbehörden hatten den Namen dann in Harry Schlein umgewandelt.
Elly Schlein, aufgrund ihres familiären Hintergrunds mit drei Staatsbürgerschaften ausgerüstet, hat sich bereits früh in der politischen Linken engagiert. 2008 unterstützte sie in Chicago den Präsidentschaftswahlkampf Barack Obamas. 2011 agierte sie in einer progressiven Studentenvereinigung in Bologna. Drei Jahre später fand man Schlein als Europaabgeordnete für den Pd in Straßburg wieder. 2015 trennte sie sich von der Partei, die ihr zu sehr nach rechts abdriftete. Schließlich trat sie 2020 bei den Regionalwahlen in der Emilia-Romagna an und wurde für eine linke Wählervereinigung zur Vizepräsidentin der Region gewählt.
Zurück zu den Wurzeln
Als nach der verlorenen Parlamentswahl der Ex-Regierungs- und Pd-Chef, der eher katholisch-konservative Enrico Letta, seinen Rückzug ankündigte, entschloss sich Elly Schlein am 4. Dezember vergangenen Jahres, ihre Kandidatur für den Parteivorsitz anzukündigen. Ihr Credo: Die Partei zu den sozialdemokratischen Wurzeln zurückzuführen und eine politische Alternative zur rechtsgerichteten Regierung Giorgia Melonis anzubieten.
Wir werden ein Problem für die Regierung Meloni, wir werden uns für die Armen einsetzen, für alle Benachteiligten, seien es Frauen, Arme oder Migranten
Und in der Tat ist Schlein nicht nur in vielen italienischen Augen die „Anti-Meloni“: Die Chefin der postfaschistischen Fratelli d’Italia wurde in ihrem Wahlkampf nicht müde zu betonen, dass sie als „Mutter und Katholikin“ die Werte „Gott, Familie, Vaterland“ in den Vordergrund stelle. Schlein ist das ganze Gegenkonzept. Offen bekennt sie sich zu ihrer Bisexualität, besteht auf dem Recht der Frauen, über ihren Körper selbst zu bestimmen, sieht Ökologie und Kampf gegen den Klimawandel als eine hervorzuhebende politische Aufgabe an.
Richtiges Gegenprogramm
Den gegenwärtigen Umgang der Regierung mit Migranten bezeichnet Schlein als eine „Schande der Nation“. Mit ihrem Sieg bei den Parteiwahlen verkündete die neu gewählte Vorsitzende: „Wir werden ein Problem für die Regierung Meloni, wir werden uns für die Armen einsetzen, werden die öffentliche Schule und das Gesundheitswesen verteidigen, uns für alle Benachteiligten, seien es Frauen, Arme oder Migranten, einsetzen.“ Die Partei unter ihrer Führung werde sich um Basisarbeit bemühen und zu den sozialdemokratischen Wurzeln zurückfinden. Es gehe darum, die breite Schicht der Nichtwähler zu motivieren, an der Gestaltung der Gesellschaft mitzuarbeiten.
Ein Plan, der auch auf Unterstützung linker Kreise der Bewegung 5 Sterne trifft. Und selbst Regierungschefin Giorgia Meloni kam bei ihren Glückwünschen nicht umhin, zu konstatieren, sie erwarte, dass mit Elly Schlein „eine junge Frau die Leitung in der Via del Nazareno (Sitz der Pd-Zentrale; Anm. der Red.) übernimmt, die es der Linken ermöglicht, nach vorn und nicht rückwärtsgewandt zu blicken“.
De Maart
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