Mittwoch22. Oktober 2025

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Weltfrauentag Elisabeth Koltz ist eine der wenigen Restauratorinnen im Land: Im Einsatz für das „Gedächtnis der Gesellschaft“

Weltfrauentag  / Elisabeth Koltz ist eine der wenigen Restauratorinnen im Land: Im Einsatz für das „Gedächtnis der Gesellschaft“
Die gelernte Gemälde-Restauratorin Elisabeth Koltz brennt für den Erhalt des heimischen Kulturgutes Foto: Editpress/Julien Garroy

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Wie immer zum Weltfrauentag steht an diesem Tag die „andere“ Hälfte der Menschheit im Rampenlicht. Die Abtei Neimünster widmet Frauen, die sich in Kriegs- und Krisengebieten ums „Patrimoine“ bemühen, eine kleine, aber feine Fotoausstellung. Unter schwierigen Bedingungen retten sie Kulturgut. In Luxemburg setzt sich Elisabeth Koltz (47) dafür ein, eine der raren Restauratorinnen im Land.

Elisabeth Koltz hört man schon, ohne sie zu sehen. Ihr zugewandtes, sprühendes Wesen, gepaart mit Humor, Schlagfertigkeit und unerschütterlich guter Laune, fällt auf. Sie ist eine Motivatorin und sehr engagiert darin, Menschen für Denkmalpflege zu begeistern und darin zu unterstützen. So beschreibt sie ihre Rolle beim „Institut national pour le patrimoine architectural“ (INPA).

Der Erhalt von Kirchen, Kapellen, Wegekreuzen, Friedhöfen oder historischen Gärten ist das Metier der gelernten Gemälde-Restauratorin. Sie sieht sich als Begleiterin all derer, die Historisches bewahren wollen. Für sie ist es kein „alter Kram“, der in Zeiten von KI, Social Media, Globalisierung und World Wide Web getrost warten kann. So lange, dass er manchmal sogar in Vergessenheit gerät. Dagegen engagiert sie sich.

„Für mich ist Patrimoine das Gedächtnis einer Gesellschaft“, sagt sie. „Es zeigt uns, woher wir kommen und wie wir uns seitdem entwickelt haben.“ Und es lässt aus dem Blickwinkel der Gegenwart Rückschlüsse darauf zu, wie diese Zeugen der Geschichte vielleicht eine neue Verwendung finden könnten. Anders als die Frauen der Ausstellung sammelt sie nicht zwischen Ruinen und permanenter Bedrohung. Ihre Ausgangsposition ist weitaus komfortabler.

Aus der Vergangenheit eine Zukunft kreieren

Gerade die Kirchen im Land sind noch sehr geschützte Objekte. Die Beschäftigung mit der Frage, ob die entweihten unter ihnen eine neue Bestimmung finden könnten, ist Teil ihres Berufs. Die Beschäftigung mit der Vergangenheit der Objekte ermöglicht es ihr und ihrer Zunft, eine Zukunft für sie zu denken und aufzuzeigen. „Die Geschichte gibt mir ein Bewusstsein dafür, was wir als Gesellschaft schon alles erlebt haben“, sagt sie. „Und es gibt mir ein Bewusstsein dafür, wie viel Respekt wir vor dem überlieferten Kulturgut haben sollten.“

Aus der Geschichte lernen, ist für sie keine Phrase, sondern ein Muss. „Sie gehört zu unseren Wurzeln“, sagt sie. Koltz stammt aus einer künstlerisch beeinflussten Familie. Es gibt Schriftstellerinnen, Sänger, Maler und Konservatoren. Kunst ist bei ihr zuhause allgegenwärtig. Ihr ursprünglicher Berufswunsch war Archäologin. Das ist Mitte der 90er Jahre exotisch, denn es ist eine Männerdomäne.

Unter den Top-Neun der weltweit bekanntesten Archäologen gibt es nur zwei Frauen. Howard Carter (1874-1939) entdeckte das Grab des Pharaos Tutanchamun, Heinrich Schliemann (1822-1890) Troja und Zahi Hawass (1950-heute) das Tal der Mumien, um nur drei Archäologie-VIPs zu nennen. Koltz, damals 17 Jahre alt, sucht einen Praktikumsplatz, aber die Ausgrabungen der gallo-römischen Siedlung Vicus Ricciacus in Dalheim sind noch nicht im Gang.

„Liebe auf den ersten Blick“ 

„Da bin ich bei den Restauratorinnen im Nationalmuseum gelandet und es war Liebe auf den ersten Blick“, sagt sie. Sie wird gleich mit eingespannt und restauriert ein erstes Gemälde. Zu der Zeit arbeiten dort nur Frauen. Das hat einen Grund. „Gemälde zu restaurieren ist physisch nicht so anstrengend wie mit Steinen zu arbeiten“, sagt sie. Zwar beschäftigt sie sich heute in Form von Gebäuden damit, aber im Studium an der „École nationale supérieure des arts visuels de La Cambre“ in Brüssel (B) findet sie sich neben zwei, drei anderen Studentinnen nur unter Männern wieder.

Obwohl sie direkt nach dem Studium für neun Monate nach Ägypten geht, wo am Karnak-Tempel in Luxor gearbeitet wird, bleibt sie danach bei den Gemälden. Zehn Jahre restauriert sie Werke in einem eigenen Atelier mit ihrem Mann, einem Steinmetz, in Frankreich, für Museen, andere öffentliche Einrichtungen und Privatleute. Wenn die Besitzer ihre „neuen“, alten Gemälde bei ihr abholen und strahlen oder vor Rührung Tränen in den Augen haben, ist sie mehr als zufrieden.

„Gemälderestauration ist wie eine Wiederentdeckung, wie ein zweites Leben, das man den Bildern gibt“, sagt sie. Heute ist ihr Arbeitsfeld zwar ein anderes, aber die Herangehensweise ist für sie die gleiche. „Man analysiert den Zustand des Objektes und die Veränderungen, die es erlebt hat“, sagt sie. „Und man fragt sich, was will man bewahren und wohin will man es entwickeln?“ Sie liebt dieses Sich-Hineinversetzen in das Leben des „Patrimonie“ und das tiefe Verständnis für den Zweck des Objektes, der viele Jahre vorher, oft Jahrhunderte zuvor, bestimmt wurde.

Restauration, ein kreativer Beruf 

Heute steht dafür immer weniger Zeit zur Verfügung. „Der Druck ist enorm und das passt eigentlich nicht zur Denkmalpflege“, sagt sie. Hat sich seit ihren Anfängen im Geschlechterverhältnis etwas verändert? Im Land sind Restauratorinnen rar. „Es gibt vielleicht zehn“, schätzt sie. Umso mehr freut es sie, dass Tania Brugnoni, die neue Direktorin des Nationalmuseums, eine Kollegin aus ihrem Metier ist. Die geringe Zahl erklärt sich in ihren Augen damit, dass es ein handwerklicher Beruf ist und das Handwerk nach wie vor unter seinem Ruf leidet. Wer sonst nichts kann, geht ins Handwerk.

„Dabei ist Restauration ein schöner, kreativer Beruf“, sagt Koltz. Er gehört mehr beworben – schon in der Schule, findet sie. Genauso wie das Bewusstsein für „Patrimoine“. Neben ihren Kolleginnen aus dem Irak, Libanon, Afghanistan oder Sudan, deren Einsatz und Arbeit die Ausstellung würdigt, fühle sie sich „klein“, sagt sie. Obwohl die meisten der elf porträtierten Frauen in ihrem Fachgebiet promoviert sind, hatten sie nicht das Glück, in einer freien und (noch) friedlich geprägten Gesellschaft aufzuwachsen. Es gehört zwar nicht zur Denkmalpflege im eigentlichen Sinne, aber auch das gilt es zu bewahren. Gerade jetzt.

Ausstellung: Porträts von Frauen – jenseits der Steine

Anlässlich des Weltfrauentags ehren die Internationale Allianz zum Schutz des Kulturerbes (ALIPH) und die Luxemburger Unesco-Kommission talentierte und mutige Frauen, die sich weltweit für das „Patrimoine“ einsetzen. Die ALIPH wurde 2017 in Genf gegründet und ist der weltweit führende Fonds, der sich dem Schutz oder der Sanierung des Kulturerbes in Krisensituationen widmet. Es handelt sich um eine öffentlich-private Partnerschaft, an der acht Länder und drei private Geber beteiligt sind. Bis heute hat ALIPH fast 500 Projekte in mehr als 37 Ländern unterstützt, um zu Frieden und nachhaltiger Entwicklung beizutragen. Das Großherzogtum Luxemburg ist eines der Gründungsländer der ALIPH.
Die Ausstellung in der Kapelle der Abtei ist noch bis zum 30.3.2025 zu sehen. „Centre culturel de rencontre Abbaye de Neumünster“, 28, rue Münster, L-2160 Luxemburg. Der Eintritt ist frei, täglich geöffnet von 10.00 bis 18.00 Uhr.