Mittwoch5. November 2025

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PolenEinigung auf Donald Tusk als Premier: Tauziehen zwischen PiS und Opposition um Regierungsbildung

Polen / Einigung auf Donald Tusk als Premier: Tauziehen zwischen PiS und Opposition um Regierungsbildung
Polens Präsident Andrzej Duda (l.) empfing gestern den Oppositionsführer Donald Tusk (M.) Foto: AFP/Janek Skarzynski

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Neun Tage lang hat PiS alles unternommen, um die siegreiche demokratische Opposition in Polen zu zerteilen. Doch am Dienstag gelang Donald Tusk ein zweiter Coup nach dem überraschend klaren Wahlsieg.

„Wir haben uns auf eine umfassende Zusammenarbeit in der nächsten Legislaturperiode geeinigt“, verkündete der informelle Oppositionschef zusammen mit den drei weiteren EU-freundlichen Parteichefs Wlodzimierz Czarzasty (Neue Linke), Szymon Holownia (Dritter Weg, Polen 2050) und Wladyslaw Kosiniak-Kamysz (Dritter Weg, Bauernpartei PSL). Das Bündnis habe sich auf Tusk als neuen Regierungschef geeinigt und diesen beauftragt, ein Kabinett zusammenzustellen, erklärte zufrieden der Linken-Chef Czarzasty. „Wir rufen Präsident Duda dazu auf, unsere Zeit nicht zu vergeuden; die Zeit der Polen und Polinnen ist wertvoll“, mahnte der TV-Showmaster Holownia vom zentristischen Wahlbündnis „Dritter Weg“ den Präsidentenpalast zur Eile.

Staatspräsident Andrzej Duda hatte für Dienstag und Mittwoch sämtliche Parteien, die es bei den Wahlen vom 15. Oktober in den neuen Sejm, Polens große Kammer, geschafft haben, zu Konsultationen in den Präsidentenpalast eingeladen.

Denn Duda kommt laut polnischer Verfassung der entscheidende Schritt nach Neuwahlen zu. Das ehemalige PiS-Mitglied muss einen gewählten Politiker mit der Bildung der neuen Regierung beauftragen. Dabei hat Duda keinerlei Vorgaben; es ist jedoch Tradition seit der Wende von 1989 in Polen, dass der Auftrag an die stärkste Partei geht. Diese ist trotz ihrer vernichtenden Niederlage (minus acht Prozent und 41 Abgeordnete weniger als 2019) die bisherige Regierungspartei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS). Fast sämtliche Beobachter in Warschau rechnen damit, dass Duda seine alten politischen Weggefährten trotz ihrer Niederlage belohnen wird. Denn dies gibt PiS auch die Möglichkeit, in den nächsten paar Wochen noch ihr wichtige Gesetzesprojekte mit ihrer alten Mehrheit durchs Parlament zu peitschen sowie allenfalls auch Akten etwa im Justizministerium und in anderen umstrittenen Behörden zu vernichten.

Mit ihrer Erklärung wenige Stunden vor den Konsultationen bei Duda hat die Opposition rund um Donald Tusk alle Behauptungen des völlig isolierten rechtspopulistischen Wahlsiegers Jaroslaw Kaczynski (PiS) Lügen gestraft, wonach die bunte „Chaos-Koalition“ der drei Parteien sofort wieder zerfallen würde. PiS gab sich am Dienstag dennoch nicht geschlagen: „Im Leben ist ja oft jenes wichtiger, was man nicht mit bloßen Augen sieht“, sagte PiS-Sprecher Rafał Bochenek am Dienstagmittag nach dem Treffen zwischen der PiS-Führung und Staatspräsident Duda. „Wir erhalten politische Signale zu verschiedenen möglichen Allianzen und Kooperationsmöglichkeiten“, machte der Parteisprecher dunkle Andeutungen, während (Noch)-Regierungschef Mateusz Morawiecki versicherte, PiS sei bereit, zu versuchen, auch die nächste Regierungskoalition zu stellen.

Staatsfernsehen TVP mischt mit

Dies ist indes kaum mehr möglich, denn Tusks Bündnis kommt zusammen auf 248 von 460 Sitzen im Sejm. Die pro-europäische Opposition verfügt also über eine klare Mehrheit.

Dennoch ist auffällig, wie oft das völlig von der PiS kontrollierte Staatsfernsehen TVP den alten, gerade wiedergewählten, EU-kritischen und konservativen PSL-Vize-Vorsitzenden Marek Sawicki zitiert, der in den letzten vier Jahren eher auf Kaczynskis als auf Tusks Linie politisierte. TVP lässt nichts unversucht, künftige Konflikte zwischen PSL und den übrigen drei Oppositionsparteien schon jetzt anzusetzen. Gerade in der Landwirtschaftspolitik und bei weltanschaulichen Fragen, vor allem beim Abtreibungsgesetz, zeichnen sich Konfliktlinien ab. Doch der „Dritte Weg“, dessen Teil die PSL ist, hat aus dem Munde von Holownia am Dienstag klar und deutlich angekündigt: „Heute haben wir den Regierungschef festgelegt, alle anderen Detailfragen klären wir“ bis zum Koalitionsvertrag.