Zur Abmilderung der schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels gilt es, einen Kompromiss zwischen Ambition und Gerechtigkeit zu finden. Die Verwirklichung einer fairen Energiewende und ambitionierter globaler Klimaschutzmaßnahmen hängt jedoch von Handelsregeln ab, die eine gerechte Entwicklung fördern. Um den Übergang zu kohlenstoffarmen Volkswirtschaften zu erleichtern, müssen die Entwicklungsländer verlässlichen Zugang zu grünen Technologien, Investitionen und internationalen Märkten haben.
Bedauerlicherweise behindern viele der handelspolitischen Maßnahmen von heute die grünen Ambitionen der Entwicklungsländer. Insbesondere die – von geopolitischen Interessen der Großmächte und aufstrebender Staatengruppen getriebene – Versicherheitlichung des internationalen Handels droht die globalen Lieferketten zu stören, den Zugang zu neuen Technologien zu beschränken und bestehende Machtungleichgewichte zu verstärken. Sollte sich dieser Trend ungebremst fortsetzen, besteht die Gefahr, dass er die multilaterale Zusammenarbeit und die regionalen Integrationsbemühungen im gesamten globalen Süden untergräbt. Ein Paradebeispiel dafür ist der CO2-Grenzausgleichmechanismus (CBAM) der Europäischen Union. Obwohl dieser Mechanismus die EU als globale Vorreiterin in Sachen Klimaschutz positionieren soll, betrachten ihn viele Entwicklungsländer – insbesondere in Afrika – als protektionistische Maßnahme und stellen seine Vereinbarkeit mit den Grundsätzen des Pariser Klimaabkommens von 2015 infrage.
Diese Bedenken sind wohlbegründet. Untersuchungen legen nahe, dass afrikanische Länder als direkte Folge dieses Grenzausgleichsmechanismus jährlich bis zu 25 Milliarden US-Dollar verlieren könnten und dass die vorgeschlagenen Änderungen den afrikanischen Exporteuren nicht immer zum Vorteil gereichen. Darüber hinaus verfolgt die EU trotz der Einrichtung der Afrikanischen Kontinentalen Freihandelszone (AfCFTA) weiterhin fragmentierte bilaterale Abkommen, die die Integrationsagenda Afrikas unterlaufen und die Einheitlichkeit regionaler Handelsstrategien schwächen.
Ein weiteres Beispiel ist der umstrittene Plan der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation (IMO), eine Steuer auf CO2-Emissionen in der Schifffahrt einzuführen. Die Steuer, die 2028 in Kraft treten soll, bleibt weit hinter der ehrgeizigeren CO2-Abgabe zurück, für die sich die Entwicklungsländer eingesetzt hatten und die den Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft, die Anpassung an den Klimawandel und den Aufbau von Kapazitäten in den am stärksten vom Klimawandel bedrohten Ländern der Welt hätte unterstützen können. Streitbeilegungsmechanismen zwischen Investoren und Staaten stellen ebenfalls eine große Herausforderung für wirksame Klimaschutzmaßnahmen dar. Diese in internationalen Investitionsverträgen verankerten Bestimmungen schränken häufig die Möglichkeiten afrikanischer Regierungen ein, Gesetze im öffentlichen Interesse zu erlassen oder eine Handels- und Investitionspolitik umzusetzen, die eine grüne Industrialisierung und nachhaltige Entwicklung unterstützt.
Normative Sichtweise
In den letzten Jahren haben sich internationale Entwicklungsexperten zunehmend auf die Verbindung zwischen Handel und Klimapolitik konzentriert. Dies signalisiert eine Abkehr von einer rein normativen Sichtweise des Klimawandels hin zu einem pragmatischeren Ansatz, der Klimapolitik als Motor für Wirtschaftswachstum und Investitionen anerkennt. Gleichzeitig befindet sich der Welthandel in einem tiefgreifenden Wandel, da die großen Handelsmächte geopolitischen und wirtschaftlichen Eigeninteressen Vorrang vor langjährigen Verpflichtungen zur Nichtdiskriminierung und multilateralen Zusammenarbeit einräumen und damit die Welthandelsorganisation schwächen.
Vor diesem Hintergrund setzen sowohl Industrie- als auch Entwicklungsländer Konjunkturpakete, Subventionen und protektionistische Handelsmaßnahmen ein, um ihre Klimaziele mit ihren eigenen umweltfreundlichen Industriestrategien in Einklang zu bringen und so die globale Wirtschaftsordnung zu ihren Gunsten umzugestalten. Der Wettlauf um einen Wettbewerbsvorsprung im Bereich grüner Branchen wird teilweise durch die beherrschende Stellung Chinas angetrieben, die sich das Land in den letzten zehn Jahren durch eine Kombination aus fiskalischer Expansion, strategischen Subventionen sowie Kontrolle über kritische Mineralien und wichtige Lieferketten aufgebaut hat.
Verschärft werden diese Spannungen durch die Entscheidung von US-Präsident Donald Trump, aus dem Pariser Klimaabkommen auszusteigen, so wie er es auch während seiner ersten Amtszeit getan hat. Durch diesen Schritt wurde das globale Vertrauen weiter ausgehöhlt und die multilaterale Klimazusammenarbeit geschwächt, wodurch Zweifel an der Verlässlichkeit der Zusagen der Industrieländer im Hinblick auf die umfassendere Agenda für nachhaltige Entwicklung aufkommen.
Doch Phasen geopolitischer Neuausrichtung können auch neue Chancen eröffnen. Selbst in Zeiten zunehmender Spannungen und wirtschaftlicher Zersplitterung bieten sich den afrikanischen Ländern Möglichkeiten, gerechtere klimafreundliche Handelsregeln durchzusetzen. Eine der vielversprechendsten Optionen ist die verstärkte regionale Integration.
Trotz tiefer Gräben innerhalb der G20 könnte die diesjährige Präsidentschaft Südafrikas dazu beitragen, eine Handelspolitik voranzutreiben, die besser geeignet ist, Klimarisiken zu bewältigen und den Übergang zu sauberer Energie im globalen Süden zu beschleunigen. Der bevorstehende Gipfel der Staats- und Regierungschefs in Johannesburg bietet eine Plattform, um sich für eine inklusivere Agenda einzusetzen, die Risikomanagement, wirtschaftliche Diversifizierung und industrielle Entwicklung in eine langfristige Vision der Umweltgerechtigkeit integriert.
Einige einkommensschwache Volkswirtschaften sind besonders anfällig für Maßnahmen wie den EU-Grenzausgleichsmechanismus, der in seiner jetzigen Form vom Grundsatz der „gemeinsamen, aber differenzierten Verantwortung“ abweicht, wie er im Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen verankert ist. Ohne sorgfältige Planung und Umsetzung könnte der Mechanismus die Ungleichheiten innerhalb Afrikas verschärfen und die Energiewende auf dem Kontinent gefährden.
Um dies zu verhindern, muss der Grenzausgleichsmechanismus innerhalb eines transparenten, multilateralen Rahmens umgesetzt werden, der die unterschiedlichen historischen Verantwortlichkeiten und Reaktionskapazitäten der Länder anerkennt. Eine Umlenkung der Einnahmen aus dem Mechanismus zur Unterstützung des grünen Wandels in Ländern mit niedrigem Einkommen wäre beispielsweise ein Schritt in die richtige Richtung.
Neue Denkansätze
Ebenso wichtig ist es, Ländern, die stark von fossilen Brennstoffen abhängig sind, bei der Diversifizierung ihrer jeweiligen Volkswirtschaften zu helfen. Dies wirft eine grundlegende Frage auf: Wie kann Handelspolitik eingesetzt werden, um eine klimaresiliente Entwicklung zu fördern? Die Antwort liegt in der Erkenntnis, dass Diversifizierung nicht nur für langfristiges Wachstum, sondern auch für den Aufbau von Widerstandsfähigkeit gegenüber Klimakatastrophen und externen Schocks von zentraler Bedeutung ist.
Obwohl ein weltweiter Konsens über die Klimapolitik nach wie vor nicht zu erreichen ist, bieten regionale Handelsabkommen und Koalitionen einen gangbaren Weg nach vorn. Die Afrikanische Freihandelszone zum Beispiel könnte uns dabei helfen, den Handel als Katalysator für eine integrative Entwicklung neu zu begreifen. Durch die Stärkung des innerafrikanischen Handels und der wirtschaftlichen Widerstandsfähigkeit könnte sie dazu beitragen, neue Wege in Richtung Ernährungssouveränität, Klimaanpassung und langfristiger Stabilität auf dem gesamten Kontinent zu erschließen.
Die Welt braucht neue Denkansätze und gerechtere Beziehungen zwischen dem globalen Norden und Süden. Obwohl die heutige, von Eigeninteressen und schwacher Führung geprägte geopolitische Landschaft mit Unsicherheiten behaftet ist, schafft sie auch Raum zur Förderung grüner, klimabewusster Lösungen, die in den bestehenden Rahmenwerken im Handelsbereich weitgehend fehlen.
Wenn die aktuell turbulente Zeit einer neuen Zusammenarbeit weicht, sollten wir bereit sein, ein neues Klima-Rahmenabkommen im Handel einzuführen. Eine derartige Regelung müsste die Dekarbonisierung in allen Branchen unterstützen und gleichzeitig die Grundsätze der Gerechtigkeit und Solidarität wahren, um zu gewährleisten, dass die Entwicklungsländer auf ihrem Weg in eine nachhaltigere Zukunft aktiv unterstützt werden.
Aus dem Englischen von Helga Klinger-Groier
Saliem Fakir ist Gründer und geschäftsführender Direktor der African Climate Foundation.
Copyright: Project Syndicate, 2025. www.project-syndicate.org
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