Fünf russische Banken hat die britische Regierung unter Premier Boris Johnson mit Sanktionen belegt, dazu drei milliardenschwere Oligarchen, die in Moskau und in der Schweiz leben. Schön und gut, findet Ian Blackford von der schottischen Nationalpartei SNP im Unterhaus – aber wäre es nicht auch an der Zeit, in London selbst aufzuräumen? Schließlich erstrecke sich durch die britische Hauptstadt „eine Kloake schmutzigen russischen Geldes“, Milliarden würden im Finanzzentrum City gewaschen. Und der regierenden Tory-Partei hätten die Oligarchen allein seit Johnsons Amtsantritt im Juli 2019 2,4 Millionen Pfund (2,88 Millionen Euro) zukommen lassen.
Das lässt Johnson nicht gern auf sich sitzen: Alle Parteispenden stammten von britischen Staatsbürgern, erläutert der Regierungschef während der Fragestunde am Mittwoch und weist damit auf ein zentrales Dilemma Großbritanniens hin. Viele Jahre lang durften sich reiche Russen mittels eines „Investoren-Visums“ für mindestens eine Million Pfund die Staatsbürgerschaft kaufen. Rasch war unter Korruptionsermittlern von „Londongrad“ die Rede, weil zahlreiche Superreiche aus der früheren Sowjetunion teure Immobilien aufkauften. Dazu bedienten sie sich der versierten Hilfe von Bankern, Anwälten und PR-Beratern sowie der engen Verbindung der City zu Steueroasen wie den englischen Kanalinseln oder den British Virgin Islands.
Die florierenden Geschäftsbeziehungen wollten die Konservativen lange nicht stören. Nach der Annexion der Krim ließ sich ein Sicherheitsberater des damaligen Premiers David Cameron 2014 mit einem Diskussionspapier fotografieren, das vor negativen Auswirkungen eines Wirtschaftsembargos warnte: Großbritannien werde „einstweilen weder Handelssanktionen befürworten noch Russen den Zugang zum Finanzzentrum verschließen“.
Die Opposition hegt auch jetzt noch den Verdacht, die Torys würden entgegen Johnsons bombastischer Rhetorik nur halbherzig gegen Putins Kleptokraten-Regime und dessen Helfershelfer vorgehen. Zu dem Eindruck trägt bei, dass die Nowo-Briten gern politische Landschaftspflege betreiben, sofern es sich um die Tory-Partei handelt. So ersteigerte Ljubow Tschernuchin, Gattin eines früheren Vizefinanzministers in Moskau, auf einem Galadinner der Torys 2017 ein Tennismatch mit dem damaligen Außenminister Johnson für 160.000 Pfund (191.000 Euro). Die Besichtigung von Churchills unterirdischer Kommandozentrale unter Anleitung des damaligen Verteidigungsministers Gavin Williamson war der Dame immerhin 30.000 Pfund (36.000 Euro) wert.
Die Geschäftsleute Viktor Fedotow und Alexander Temerko spendeten der Regierungspartei sowie einzelnen Abgeordneten insgesamt je 700.000 Pfund (839.000 Euro). Das Duo ist an der Firma Aquind beteiligt, die den Bau einer milliardenteuren Stromleitung zwischen Frankreich und der Insel plant. Vergangenen Monat verweigerte die Regierung dem Projekt die Zustimmung.
Dann halt Portugiese
Dem berühmtesten Zuwanderer aus Russland, Roman Abramowitsch, gehört nicht nur der erfolgreiche Fußballclub FC Chelsea im Westen der Stadt; über den 55-Jährigen heißt es in London, er verfüge allein dort über ein Immobilienimperium im Wert von 200 Millionen Pfund (240 Millionen Euro). Seit das Innenministerium dem Oligarchen ein längerfristiges Visum verweigert, taucht dieser kaum noch bei Spielen des FC Chelsea auf; inzwischen hat er sich die portugiesische Staatsbürgerschaft besorgt.
Hingegen gehört der Besitzer der wichtigen Londoner Abendzeitung Evening Standard seit 2020 auf Johnsons Initiative hin dem Oberhaus an. Evgenij Lebedew war als achtjähriger Sohn des damaligen KGB-Agenten und späteren Oligarchen Alexander Lebedew noch zu Sowjetzeiten auf die Insel gekommen.
De Maart
Das war ja der einzige Grund für Brexit.