Rotes Kreuz und CoronaEine Herausforderung – auch für erfahrene Krisenhelfer

Rotes Kreuz und Corona / Eine Herausforderung – auch für erfahrene Krisenhelfer
Im Blutspendezentrum des Roten Kreuzes. Zwischen dem 20. März und dem 2. April haben sich 1.700 neue Blutspender gemeldet. Foto: Croix-Rouge Luxembourg

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Es gehört zum Wesen des Roten Kreuzes, auf Notsituationen zu reagieren und Hilfe anzubieten, sei es im Ausland oder zu Hause. Dennoch stellten die Covid-19-Pandemie und der Lockdown auch die rund 2.400 Mitarbeiter zählende Organisation vor bisher nicht gekannte Herausforderungen.

Wie jede andere Organisation bedeutete der Lockdown auch für das Rote Kreuz zuerst mal, sich an die neue sanitäre Krise anzupassen: Telearbeit für die administrativen Angestellten und dort, wo es möglich war, die Reduzierung zwischenmenschlicher Kontakte durch eine Anpassung an die neue Situation, indem etwa HIV-Tests den Interessierten postalisch zugestellt wurden. Trotz Corona konnten jedoch alle Dienste aufrechterhalten werden, betonte der stellvertretende Rot-Kreuz-Generaldirektor Marc Crochet gestern. Es gehöre sozusagen zur Genetik des Roten Kreuzes, sich auf ungewöhnliche Situationen einzustellen, hatte zuvor Generaldirektor Michel Simonis gesagt. Neben der normalen Tätigkeit hatte sich das Rote Kreuz  intensiv in die Bekämpfung der Pandemie eingeklinkt. Befinde sich der Staat in einer außergewöhnlichen Situation, sehe man sich beim Roten Kreuz verpflichtet dazu, zu helfen, so Crochet.

Komplett umgestellt worden war die Tätigkeit des Rehabilitationszentrums in Schloss Colpach. Die ehemals als Erholungsstätte genutzte Infrastruktur beherbergt seit 2018 ein Rehabilitationszentrum u.a. für Krebspatienten. Fortan wurden die Zimmer für Covid-Kranke reserviert. Insgesamt 117 Patienten wurden während der ersten Pandemie-Welle betreut, das für eine durchschnittliche Dauer von drei Wochen, so Jean-Philippe Schmit, Generaldirektor des Rehabilitationszentrums, gestern. Die anderen Patienten waren nach Hause geführt worden, wo sie weiterhin fachgerecht betreut wurden.

28 von 80 Betten belegt

Von den 80 zur Verfügung stehenden Betten waren maximal 28 belegt. Vor zwei Wochen ist Schloss Colpach wieder seiner eigentlichen Bestimmung übergeben worden. 714 Patienten waren 2019 aufgenommen worden, so Schmit, der auf eine hohe Zufriedenheitsrate von 95 Prozent verweist. Die Wiederaufnahme des Betriebs bezeichnete Simonis als sehr wichtig. Immerhin sollen die Menschen schnellstens aus dem Spital kommen, auch um die Aufnahmekapazitäten der Krankenhäuser zu erhalten.

Ausgebaut wurde während der Pandemie der Kundenkreis der „épiceries sociales“ insbesondere auf Menschen, die auf Kurzarbeit umsteigen und daher Einkommensbußen verkraften mussten. Man habe verhindern wollen, dass die Menschen ein zweites Mal von der Krise bestraft werden, so Crochet.

Das Rote Kreuz hält sich zugute, die Aufmerksamkeit der Behörden auch auf Menschengruppen gelenkt zu haben, die üblicherweise kaum im Sichtfeld der Behörden sind. Marc Crochet nannte dabei Personen, die sich notfalls nicht in Isolation oder in Quarantäne hätten begeben können, so etwa Obdachlose. Zusammen mit den Behörden wurde ein Konzept zu ihrer Unterbringung ausgearbeitet. Zuerst war allein ein Hotel in Differdingen dazu benutzt worden. Derzeit stünden drei weitere Einrichtungen zur Verfügung, so Crochet. Davon sei eine Asylsuchenden vorbehalten. Während der ersten Covid-19-Phase mussten 36 Personen isoliert werden. Die einzelnen Standorte seien mit den staatlichen Diensten ausgesucht worden, sagte Generaldirektor Simonis.

Unterstützung für das Pflegepersonal

Unterstützende Hilfe leistete man dem Pflegepersonal durch die Bereitstellung von Betreuungsstrukturen für Kinder in zwei der vier Rot-Kreuz-eigenen Einrichtungen.

Ungeachtet aller Erfolgsmeldungen – auch für das Rote Kreuz hat die Pandemie ihre Schattenseite. So musste auf die jährliche Tür-zu-Tür-Kollekte verzichtet werden. Kompensiert werden konnten die Ausfälle teilweise durch zusätzliche Geldspenden. In dieser Krisensituation habe die Solidarität der Menschen gespielt, betonte Generaldirektor Simonis. Das betrifft nicht nur den finanziellen Bereich. Auch bei den Blutspenden habe man zahlreiche neue Spender verzeichnet. Dabei habe man zu Beginn des Lockdowns einen drastischen Rückgang befürchtet.

2021 soll die Kollekte-Aktion durch die rund 40 Lokalsektionen wieder aufgenommen werden. Der persönliche Kontakt zu den Spendern sei sehr wichtig, meinte Simonis. Im April 2019 hatten mehr als 2.000 Ehrenamtliche Geld gesammelt.

Bereits im Herbst soll eine separate Spendenkampagne gestartet werden, dieses Mal, um Mittel für internationale Projekte zu sammeln. Die Corona-Krise hat die Arbeit vor Ort erschwert, wie aus den Ausführungen von Rémi Fabbri, Direktor der Internationalen Hilfe, hervorgeht. Insbesondere auf dem afrikanischen Kontinent wurde die Hilfe Pandemie-bedingt angepasst. Der Bedarf an Unterstützung für internationale Projekte sei hoch, so Michel Simonis. Dieses Jahr fehlten rund 350.000 Euro für internationale Aktivitäten, hatte zuvor Marc Crochet gesagt.

Das Rote Kreuz Luxemburg ist in den Bereichen Gesundheit, Soziales, Jugend und humanitäre Hilfe tätig. Gestern stellte die Direktion den 2019er Jahresbericht vor. Zu den bekanntesten Diensten zählt der Pflegeservice Help mit seinen über 1.100 Mitarbeitern. Seit Anfang dieses Jahres wird ein 24/24-Dienst angeboten, der jedoch nicht von der Pflegeversicherung anerkannt wird. Man habe ihn aus eigenen Mitteln aufgebaut, so Simonis. Er helfe, den Wechsel aus der Spital- in die ambulante Betreuung zu schaffen. Ausgebaut wurden auch die Strukturen für betreutes Wohnen.

Große Sorge bereitet dem Roten Kreuz nach wie vor der akute Mangel an erschwinglichem Wohnraum. Die Zahl der Hilfesuchenden nehme zu, sagte Simonis. Am Dienstag unterzeichnete die Organisation mit dem Wohnungsbauministerium eine Konvention über staatliche Beihilfen in Höhe von 75 Prozent für Projekte zur Schaffung von Sozialwohnungen.

Der Eingang zum Rehazentrum Schloss Colpach. Während der ersten Pandemie-Welle empfing das Zentrum Covid-positiv getestete Patienten.
Der Eingang zum Rehazentrum Schloss Colpach. Während der ersten Pandemie-Welle empfing das Zentrum Covid-positiv getestete Patienten. Foto: Croix-Rouge Luxembourg