Dienstag28. Oktober 2025

Demaart De Maart

StandpunktEine einmalige Gelegenheit zur Abschaffung zerstörerischer Fischereisubventionen

Standpunkt / Eine einmalige Gelegenheit zur Abschaffung zerstörerischer Fischereisubventionen
 Foto: Ukrinform/dpa

Jetzt weiterlesen!

Für 0,99 € können Sie diesen Artikel erwerben:

Oder schließen Sie ein Abo ab:

ZU DEN ABOS

Sie sind bereits Kunde?

Es kommt nicht oft vor, dass die Verhandlungsführer bei Handelsgesprächen die Chance erhalten, zugleich schutzbedürftige Menschen und ihre Lebensgrundlagen zu schützen, die Gesundheit der Meere zu fördern und eines der Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen zu erfüllen. Doch genau diese Chance bietet sich derzeit den Handelsministern bei ihrer Zusammenkunft im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO), wo sie neue globale Regeln über die Begrenzung staatlicher Unterstützung für die Fischereiwirtschaft diskutieren wollen.

Diese staatlichen Subventionen setzen Anreize zur Überfischung, und die WTO-Mitglieder debattieren inzwischen seit 20 Jahren, wie man sie begrenzen kann. Während dieser beiden langen Jahrzehnte sind die weltweiten Fischbestände steil zurückgegangen, und arme, schutzbedürftige Fischer haben gemeinsam mit den marinen Ökosystemen gelitten.

Die Welternährungsorganisation (FAO) hat 2017 gewarnt, dass schätzungsweise ein Drittel der weltweiten Fischbestände überfischt seien – ein Anstieg von 10% im Jahre 1970 und 27% im Jahr 2000. Der Raubbau an den Fischbeständen bedroht die Ernährungssicherheit einkommensschwacher Küstenbewohner und die Lebensgrundlagen armer, schutzbedürftiger Fischer, die sich immer weiter vom Festland wegbewegen müssen und trotzdem immer kleinere Fangmengen mit nach Hause bringen.

Trotz dieser verstörenden Feststellungen schütten die Regierungen weiterhin rund 35 Milliarden Dollar jährlich an Fischereisubventionen aus, von denen zwei Drittel an die Fischereiindustrie gehen. Dadurch halten sie viele gewerbliche Fischereifahrzeuge auf dem Wasser, die ansonsten nicht wirtschaftlich betrieben werden könnten.

Veränderung hat eingesetzt

Die Staats- und Regierungschefs erkannten die Bedeutung dieses Problems bereits 2015, als sie vereinbarten, bis 2020 im Rahmen der Agenda für nachhaltige Entwicklung eine Vereinbarung über Fischereisubventionen zu schließen. Doch obwohl die Handelsminister diese Zusage 2017 bestätigt haben, sind die Gespräche bei der WTO wiederholt ins Stocken geraten.

Während des vergangenen Jahres jedoch hat eine Veränderung eingesetzt. Regierungschefs und Handelsminister aus aller Welt haben mir erzählt, dass sie in diesem Jahr eine Einigung erzielen wollen. In Genf hat der Leiter dieser Verhandlungen, der kolumbianische Botschafter Santiago Wills, mit WTO-Mitgliedern an der Abfassung eines Verhandlungstextes zusammengearbeitet, der meiner Ansicht nach die Grundlage für die letzte Stufe der Verhandlungen bilden kann. Doch trotz der von den Regierungschefs geäußerten politischen Unterstützung bleiben bedeutsame Trennlinien. Tatsächlich laufen wir beim gegenwärtigen Stand der Dinge Gefahr, es nicht zu schaffen, vor der WTO-Ministerkonferenz am Jahresende eine Übereinkunft zu treffen.

Nachhaltigkeit unserer Meere

Dieser knappe Zeitrahmen ist der Grund für die Zusammenkunft der Handelsminister in diesem Monat. Während niemand ein Wunder erwartet, stellt das Treffen eine einmalige Chance dar, die Verhandlungen bis in Reichweite einer Übereinkunft voranzutreiben. Die WTO-Mitglieder müssen für die UN-Biodiversitätskonferenz im Oktober, spätestens jedoch bis zum Beginn der WTO-Ministerkonferenz Ende November eine Vereinbarung getroffen haben. Ansonsten sind die Artenvielfalt der Meere und die Nachhaltigkeit der Fischbestände, auf die so viele Menschen als Nahrungs- und Einkommensquelle angewiesen sind, gefährdet.

Zwar sind die Verhandlungen komplex, weil die Fische kein bestimmtes nationales Gebiet bewohnen oder maritime Grenzen beachten. Die WTO-Unterhändler müssen sowohl dem bestehenden Regelwerk zur internationalen Fischerei Rechnung tragen als auch der Rolle der Regulierungsbehörden, die viele Aspekte der Fischerei weltweit regeln. Sie müssen zudem festlegen, wie neue Subventionsregeln auf weit verstreute Fischereifahrzeuge anzuwenden wären.

Verstärkt wird diese Herausforderung noch durch die Tatsache, dass die WTO keine Organisation für das Fischereiwesen ist. Doch verfügt die WTO über ein seit langem bestehendes Regelwerk, das handelsverzerrende Subventionen auf Industrieprodukte und landwirtschaftliche Erzeugnisse begrenzt. Das ist der Grund, warum sich die Handelsminister 2001 darauf einigten, ähnliche Maßnahmen zum Schutz der Hochseefischerei zu konzipieren.

Obwohl noch viel zu tun bleibt, würde der aktuelle Entwurf für einen Verhandlungstext einen wichtigen Beitrag zur Nachhaltigkeit unserer Meere leisten. Zunächst einmal würde er jede staatliche Finanzierung für Schiffe, die illegalen Fischfang betreiben, verbieten. Laut FAO entfallen auf derartige Aktivitäten 11-26 Millionen Tonnen Fisch pro Jahr; das sind rund 20% der weltweiten Gesamtfangmenge. Die Vereinbarung würde zudem noch andere Arten von Subventionen beschränken, die erhöhte Fischereiaktivitäten unterstützen, denn sie sieht vor, dass die Regierungen nachweisen müssen, dass sie Schritte unternommen haben, damit eine derartige Unterstützung die Fischbestände nicht schädigt.

Einer der schwierigsten Aspekte bei den Verhandlungen ist, das ursprüngliche Verhandlungsmandat zu definieren und zu respektieren, das den Entwicklungsländern – und insbesondere den am wenigsten entwickelten Ländern – eine Sonderbehandlung garantierte. Viele dieser Länder stützen sich auf das Fischereihandwerk und streben politische Spielräume an, um ihre eigenen industriellen Fangkapazitäten auszuweiten. Doch weil ihre fischereiwirtschaftlichen Fähigkeiten nur schwach entwickelt sind, werden sie sich möglicherweise schwertun, ebenso schnell und effektiv neue Subventionssysteme umzusetzen wie die reicheren WTO-Mitglieder das können.

Frage der Transparenz

Eine weitere schwierige Frage ist, wie man Transparenz sicherstellt. Dies muss Regelungen umfassen, wonach ein Mitglied bekannt machen muss, wenn es unschädliche und nicht zu Verzerrungen führende Subventionen zur Förderung seiner Fischereiindustrie einsetzt. Diese Probleme zu lösen wird nicht einfach, doch wir müssen es tun, weil die WTO-Mitglieder versprochen haben, die Fischereiwirtschaft und die Meere, die wir alle teilen, zu schützen.

Indem sie einen Ausstieg aus schädlichen Fischereisubventionen aushandeln, halten die WTO-Mitglieder nicht bloß frühere Zusagen ein. Sie verleihen damit zugleich auch anderen internationalen Anstrengungen zur Bekämpfung von Problemen im Bereich globaler öffentlicher Güter – vom Klimawandel bis hin zur Covid-19-Pandemie – einen Schub.

Wir wollen hoffen, dass sich die Handelsminister der Welt als der Herausforderung gewachsen erweisen.

*Ngozi Okonjo-Iweala war Finanz- und Außenminister Nigerias und Geschäftsführender Direktor der Weltbank. Er ist Generaldirektor der Welthandelsorganisation.

* Aus dem Englischen von Jan Doolan.

Copyright: Project Syndicate, 2021, www.project-syndicate.org