Was in Museen ausgestellt ist, beträgt nur eine kleine Menge dessen, was Museen eigentlich besitzen. Ihre Sammlungen enthalten eine Vielzahl an Kunstwerken, die noch nicht das Tageslicht erblickt haben oder sogar nie erblicken werden. Die Aufbewahrung der Werke gilt als Norm, deren Ausstellen als Seltenheit. Es gehört zur Arbeit der Kuratoren, Arbeiten verschiedener Künstler ein „Leben“ im Publikum zu gewähren, indem sie sie in diverse Themen oder Ästhetiken einbinden, was jedoch nicht immer möglich ist.
Das luxemburgische „Musée d’art moderne Grand-Duc Jean“ (Mudam) hat in seiner Ausstellung „Deep Deep Down“ vor, sich genau dieses Problems anzunehmen. Dem Publikum sollen so viele Kunstwerke wie möglich präsentiert werden. Jedoch sind dabei gewisse Richtlinien zu beachten. Damit soll vermieden werden, dass die Räume aussehen wie im Salon de Paris im 19. Jahrhundert: vollgestopft mit Kunst.
So wurde nur ein Werk pro Künstler ausgewählt und dieses auch nur, wenn es im Zusammenhang damit keine speziellen Maßnahmen zu berücksichtigen gab. In den platzierten Kisten befinden sich die größten Arbeiten, ausgestellt in ihrer verhüllten Form und von ihrem Umlauf gezeichnet. Skulpturen, 2D-Objekte, Fotos und Gemälde sind in aufsteigender Größe in der Ost- und der West-Galerie im unteren Stockwerk des Museums ausgestellt. Darunter befindet sich Edi Hilas Gemälde „The Blue House“ (2000), das ein unfertiges blaues Haus zeigt. Es ist Teil seiner Häuserporträts-Reihe, die den politischen Wandel in Albanien darstellt. Von der amerikanischen Fotografin Nan Goldin – u.a. bekannt für Fotos von Homosexuellen, Dragqueens und Transvestiten – wird „Dressing room at I.C., Manila“ (1992) ausgestellt. Ebenfalls zu sehen sind Werke u.a. von Fiona Rae, Pasha Rafiy, Richard Long, Suki Soekyeong Kang und Annette Kelm.
Vielfalt audiovisueller Kunst
Audiovisuelle Werke in der Reihenfolge ihrer Dauer – vom kürzesten zum längsten – im Auditorium vorgeführt. Das Vorführungsprogramm beansprucht den größten Teil der Expo und erstreckt sich über den ganzen Tag. Dem Zuschauer wird eine Vielfalt an audiovisueller Kunst offenbart: von Animation und Kurzfilmen bis hin zu experimentellen Filmen. Einer der vorgeführten Animationsfilme ist zum Beispiel „Toontown Année Zéro“ (2000) von Laure Tixier. Hier gleitet man lautlos durch eine Illustration einer zerbröckelten, farbigen Stadt. Rauf und runter, von rechts nach links, von links nach rechts wird das angebliche Disney-Königreich in seinen Ruinen erforscht. Unterbrochen wird das Spektakel durch die Erscheinung eines Mädchens. Ebenfalls zu sehen ist der Kurzfilm von Sven Johne mit dem Titel „Elmenhorst“ (2006). Hier kriecht das Meer rauschend zum Strand. Zwei Figuren in der Ferne, am Wasser entlang gehend, kommen immer mehr zum Vorschein. Erst nachdem die Figuren vorbeigehen, verlieren sie ihre Anonymität und entpuppen sich als Vater und Sohn. Beide Männer wollen sich etwas sagen, sind aber unfähig, es in Worte zu fassen. So greifen sie einer nach dem anderen zum Gewehr und schießen ins Meer, eine Sprache, in der sie einander zu verstehen wissen.
Eine abwechslungsreiche, interessante Ausstellung, die noch bis zum 25. Februar im Mudam zu betrachten ist.

Ästhetisch, aber sonderbar
Für eine weitere aktuelle Mudam-Ausstellung zeichnet Rayyane Tabet verantwortlich. Auf drei Ebenen verstrickt der libanesische Künstler seine eigene Geschichte mit der des Mudam. Seine Darstellung im Pavillon wirkt auf den ersten Blick ästhetisch, aber sonderbar. Der gläserne Gang zum Pavillon, der normalerweise einen schönen Ausblick auf Garten und Festung bietet, ist nun mit einem weißen Vorhang verschleiert. Mit dem Familienerbstück seiner Großmutter versteckt Tabet das bedeutendste Merkmal des Mudam-Architekten Ieoh Ming Pei: die markante Anzahl an Fenstern, die dem Museum eine immense Offenheit und Helligkeit verleihen.
Auch im Pavillon selbst spielt der Künstler mit den Fenstern. Unter dem blauen Glas, welches als Andenken an die Ausgangssperre während des Sechs-Tage-Kriegs von 1967 dient, weilen Objekte aus der ältesten Sammlung des Museums. Den Abschluss im Erdgeschoss des Pavillons bilden nicht weniger als 200 Krüge, die Rayyane Tabet aus zerbrochenem Glas fertigte, das vor drei Jahren bei der Explosionskatastrophe in Beirut entstand.
Die Ausstellung ist bis zum 12. Mai, dienstags bis sonntags von 10 Uhr bis 18 Uhr, im Mudam zu sehen.
De Maart
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