Neue StudieEin Plan für die Entwicklung Luxemburgs in den kommenden 30 Jahren

Neue Studie / Ein Plan für die Entwicklung Luxemburgs in den kommenden 30 Jahren
Die Organisation Idea hat sich Gedanken über eine langfristige Vision für die Entwicklung Luxemburgs gemacht Foto: Editpress/Julien Garroy

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Mit der boomenden Wirtschaft ist das Land in den letzten 30 Jahren stark gewachsen. Die Folgen dieses nur sehr wenig geplanten Zuwachses haben zu Unzufriedenheit in der Gesellschaft geführt. Die Denkfabrik Idea hat nun eine Studie vorgelegt, die sich damit auseinandersetzt, wie das Wachstum der kommenden 30 Jahre besser verwaltet werden kann.

„Es ist beeindruckend, wie sich ein Land in 30 Jahren verändern kann“, so Vincent Hein von Idea am Montag in der Handelskammer. Und er nennt ein paar Zahlen: In den letzten 30 Jahren hat sich die Luxemburger Wirtschaftsleistung mehr als verdoppelt. Das Gleiche zählt für die Zahl der Arbeitsplätze. Die Zahl der Grenzgänger hat sich versechsfacht. 291.000 Menschen haben das Land verlassen – 495.000 Menschen sind neu ins Land gekommen.

Der Boom habe dem Land viel Gutes gebracht, erklärt Hein weiter, jedoch nicht nur. Das Problem sei, dass in den Prognosen alles unterschätzt wurde und dass es demnach auch an einer konkreten Strategie gefehlt habe. „Wie hätten Menschen damals reagiert, wenn man ihnen diese Zahlen als Prognosen vorgelegt hatte?“, fragt er rhetorisch. Alle Prognosen von damals seien falsch gewesen, die Entwicklung durchweg unterschätzt worden. Dabei müsse Wachstum dem Territorium nicht schaden, unterstreicht er.

„Damit Wachstum nachhaltig vonstattengehen kann, muss man sich bereits heute Gedanken über die künftigen Folgen fürs Territorium machen“, sagt Hein. Zwei Jahre lang sei an der Studie „Une vision territoriale pour le Luxembourg à long terme – Fir eng kohärent Entwécklung vum Land“ gearbeitet worden.

1,1 Millionen Einwohner bis 2050

Zu Beginn wurden Zahlen für ein Szenario errechnet, die den Autoren realistisch erscheinen. Es handle sich nicht um eine Prognose und auch nicht um ein Ziel, so Hein. Die Autoren gehen davon aus, dass die Wirtschaft auch bis 2050 um etwa 2,8 Prozent pro Jahr wachsen wird. So würde sich die Zahl der Arbeitsplätze auf fast eine Million verdoppeln, die Zahl der Grenzgänger auf über eine halbe Million und die Bevölkerung von aktuell 645.000 auf 1,09 Millionen Menschen steigen.

Die vorgestellte Studie
Die vorgestellte Studie Foto: Editpress/Julien Garroy

In der Folge befasst sich die Studie mit Fragen wie: „Ist dieses Wachstum mit den territorialen Merkmalen des Landes vereinbar?“, „Unter welchen Bedingungen ist es möglich?“, „Welche Veränderungen müssten in den Bereichen Raumordnung, Stadtplanung, Mobilität und grenzüberschreitende Zusammenarbeit vorgenommen werden?“ oder „Welche Reformen wären dafür erforderlich?“. Die Studie sei der Versuch, nach realistischen Lösungen zu suchen, so Hein.

Zu den großen Punkten, Vorschlägen, die die Autoren in der 250 Seiten starken Studie hervorheben, zählt, dass die drei vorgesehenen Ballungsräume (Norden, Süden und Zentrum) stärker wachsen müssen als bisher vorgesehen, erläutert Geograf Romain Diederich. Gleichzeitig müssten noch einige Gemeinden zu kleinen Städten und einige Städte zu großen Städten werden. Dabei denkt er etwa an Contern, Monnerich, Mersch und Erpeldingen.

Eine Alternative hierzu sieht er nicht: Andernfalls wäre eine „diffuse Entwicklung in den ländlichen Gemeinden, mit all ihren negativen Folgen, nicht zu vermeiden“, warnt er. Diederich plädiert dafür, dass einige Regionen so konsequent urbanisiert werden sollen, während der Bauperimeter in manchen ländlichen Gemeinden sogar zurückgefahren werden solle.

Urbane und ländliche Gegenden

Der Staat könne in diesem Sinne erwägen, finanzielle Entschädigungen an Besitzer und Gemeinden zu zahlen, die in nicht prioritären Zonen liegen. Es sei jedoch wichtig, möglichst viele Natur-Regionen zu schützen, hebt er hervor. Auch mit der Landwirtschaft, die heute für 51 Prozent des Territoriums steht, gelte es, neue Wege zu finden.

Um das erwartete Bevölkerungswachstum in diesem Sinne verantwortungsvoll bewältigen zu können, müsste der Ballungsraum Zentrum von heute 210.871 auf 369.287 Einwohner im Jahr 2050 wachsen, sind die Autoren überzeugt. Der Ballungsraum Norden müsste von 25.810 auf 45.199 Einwohner wachsen und der Süden gar von 177.235 auf 310.382. Vom Platz her sei das machbar, so Diederich. Am schwierigsten erscheint ihm die Zielsetzung derweil im Süden, da „die Region nie kohärent geplant wurde und Platz bereits heute Mangelware ist“.

Da diese stolzen Wachstumszahlen jedoch nicht ausreichen, um die 1,1 Millionen Einwohner im Lande zu verteilen, müssen gleichzeitig einige „Dörfer, die zu Städten werden“, rund 32.000 neue Einwohner aufnehmen – und auch die ländlichen Gemeinden müssten um 123.581 auf 293.237 Einwohner wachsen. „Auch wenn wir dies nicht mögen, so ist es doch schwierig, sich die Zahlen bei der erwarteten Entwicklung anders vorzustellen“, so Diederich.

In diesem Sinne sei es überaus wichtig, beispielsweise auf Konzepte und Vorschläge, wie sie „Luxembourg in Transition“ eingebracht hat, zurückzugreifen. Es gelte, das Erhalten der Lebensqualität in den neuen urbanen Zonen zu erhalten. So gelte es, enger und höher zu bauen, mehr Misch-Nutzung in die Viertel zu bringen und insgesamt mehr „polyzentrisch“ zu denken. Insgesamt solle „dichter“ und nicht „ausweitend“ gebaut werden.

Drei Seilbahnen gewünscht

Gedanken haben sich die Autoren der Studie zudem zum Thema Mobilität und Transport gemacht. Langfristig werde es nicht mehr mit „einem Auto/ein Fahrer“ möglich sein. „Der öffentliche Transport muss besser werden“, so Diederich. Vor allem innerhalb der drei Ballungszentren, aber auch grenzüberschreitend.

Was das nationale Schienennetz angeht, so plädieren die Autoren der Studie für den Bau einer Verbindung zwischen den Strecken Arlon und Thionville – ohne dass die Züge über den Knotenpunkt Hauptbahnhof fahren müssten. Zudem wird eine Verbindung zwischen der Strecke Trier und der Nordstrecke in Erwägung gezogen.

Die Tramstrecke soll den Ideen zufolge auch in Richtung Niederanven und Schüttringen erweitert werden. Per Tunnel könnte es dann vom Flughafen aus bis nach Contern und Sandweiler weitergehen. In der gesamten Region Contern „sehen wir sehr viel Potenzial für eine multifunktionale Entwicklung“.

Gleichzeitig schlagen die Autoren die Errichtung von drei Seilbahnen in Luxemburg-Stadt vor. „Die Tram alleine wird langfristig nicht genug Kapazitäten haben, um alles zu meistern“, so Diederich. Zudem sei die Tram zu langsam. Vorstellen könnten sich die Autoren eine Seilbahn zwischen Dommeldange-Gare und dem Kirchberg, zwischen dem Bahnhof und dem Kirchberg wie auch zwischen dem Ban de Gasperich und Hesperingen.

Würden alle Pläne aus der Studie umgesetzt, wäre das erwartete Wachstum gut zu stemmen, sind die Autoren überzeugt. „Es wird jedoch sehr viel Geld und Anstrengungen kosten“, so Diederich. Zudem sei ein schnelles Handeln erforderlich, damit die Vision klar erkennbar sei. Notwendig sei eine Änderung in der politischen Herangehensweise, so Vincent Hein. Mit dieser Studie hoffe man nun, die Entscheider für die Dringlichkeit sensibilisieren zu können. Im Mai will Idea ein Rundtischgespräch zur Studie organisieren.

V.l.: Muriel Bouchet, Vincent Hein, Romain Diederich
V.l.: Muriel Bouchet, Vincent Hein, Romain Diederich Foto: Editpress/Julien Garroy
Jeek
5. März 2023 - 10.15

Was hat diese Studie gekostet .... vergleichbar mit der von Rifkin?

Grober J-P.
3. März 2023 - 9.36

"die Zahl der Arbeitsplätze auf fast eine Million verdoppeln," Würde gerne wissen was die alles produzieren sollen? Nur Consulting und Cleaning, das geht schief.

Sam
1. März 2023 - 23.34

Ich schliesse mich der Meinung von Bux und ptmeier1 an. Arlon und Trier und Thionville mit einbeziehen. Ansonsten wäre es schön wenn die Bevölkerung schrumpfen und die Geldbeutel sich vergrössern würden. Wird aber nicht funktionieren.

ptmeier1
28. Februar 2023 - 16.34

Heute heißen alle Beraterfirmen "Denkfabrik" und versuchen ihr Geld damit zu machen. Der Begriff Consulting ist ja inzwischen etwas verschmuddelt. Ob das "Denken" dann weiter als die Nasenspitze reicht, wage ich zu bezweifeln. Für die oben beschriebenen Ergebnisse braucht man keine Fabrik. Etwas Menschenverstand hätte dafür schon vor 10 Jahren gereicht.

Bux /
28. Februar 2023 - 8.20

Der Plan greift zu kurz. Wenn die luxemburgische Wirtschaft bis 2050 auf über 500.000 Fachkräfte aus der Region zurückgreifen muss, dann wird die Region um Luxemburg zur Vorstadt Luxemburgs. Entsprechend müssen diese in die Planung mit einbezogen werden. Es führt kein Weg daran vorbei den Aufbau einer Infrastruktur für 500.000 Menschen mit einzuplanen und auch mit zu finanzieren.