Montag15. Dezember 2025

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Forum von Yves CruchtenEin Lied für Luxemburg, ein Schweigen zu Israel?

Forum von Yves Cruchten / Ein Lied für Luxemburg, ein Schweigen zu Israel?
Musikfans der Teilnehmerin aus Israel stehen mit der israelischen Fahne vor dem zweiten Halbfinale des 69. Eurovision Song Contests Jens Büttner/dpa

Dass Luxemburg nach 30 Jahren stolz zum Eurovision Song Contest zurückkehrt, ist grundsätzlich zu begrüßen. Der ESC ist ein Fest der kulturellen Vielfalt, der Kreativität und des friedlichen Wettbewerbs – ein Ort, an dem selbst kleine Länder groß auf der Bühne erscheinen können. Doch gerade weil dieses Ereignis immer auch kulturelle Diplomatie war, trägt jedes Land Verantwortung dafür, welche Werte es auf dieser Bühne vertritt.

Umso irritierender ist die Haltung unserer Regierung, die Teilnahme bedingungslos zu verteidigen, obwohl Israel trotz schwerster völkerrechtlicher Verbrechen weiterhin teilnehmen darf. Noch schwerer nachvollziehbar wird dies angesichts der Tatsache, dass die luxemburgische Regierung die Teilnahme aktiv bezuschusst – mit Steuergeld – und diese Entscheidung sogar explizit im Koalitionsabkommen festgeschrieben hat. Wer ein Projekt finanziert und politisch verankert, kann nicht gleichzeitig so tun, als sei es völlig unpolitisch.

Yves Cruchten ist LSAP-Abgeordneter
Yves Cruchten ist LSAP-Abgeordneter Foto: Editpress/Julien Garroy

Diese Behauptung widerspricht zudem der Geschichte des Wettbewerbs. Der ESC war von Anfang an politisch. Er wurde 1956 ins Leben gerufen, um das kriegsgeschüttelte Europa kulturell zu vereinen und die europäische Integration voranzutreiben. Schon seine Gründung war ein politischer Akt. Und seitdem war der ESC stets Bühne für internationale Spannungen – von Griechenland und der Türkei über Zypern und Israel bis hin zu den Solidaritätswellen für die Ukraine 2022.

Inkohärente Position

Gerade deshalb wirkt die luxemburgische Position heute so inkohärent. Russland wurde 2022 nach der Invasion der Ukraine ausgeschlossen – zu Recht und aus klaren politischen Gründen. Dieser Ausschluss war ein moralisches Signal Europas. Wie kann man bei Israel dagegen plötzlich so tun, als habe Politik beim ESC nie etwas verloren? Dieser Widerspruch ist unhaltbar.

Andere europäische Staaten zeigen, dass man Haltung zeigen kann. Spanien, Irland, die Niederlande und Slowenien haben die Teilnahme am ESC infrage gestellt oder ausgesetzt, solange Israel unter den aktuellen Bedingungen teilnehmen darf. Das ist mutig – und konsequent. Es zeigt, dass der ESC nicht nur ein Lichtermeer und Glamour ist, sondern dass Werte tatsächlich eine Rolle spielen dürfen.

Luxemburg dagegen verharrt in Ausreden. Man wolle sich „nicht in geopolitische Fragen einmischen“. Doch wer Steuergeld investiert, wer die Teilnahme in einem Regierungsabkommen festschreibt und wer die Veranstaltung politisch promotet, mischt sich längst ein.

Man könnte fast den Eindruck gewinnen, dass manche Regierungsmitglieder weniger Sorge um politische Prinzipien haben als darum, beim luxemburgischen Vorentscheid oder dem ESC-Finale in Wien künftig nicht auf Selfies mit glamourösen Künstlerinnen und Künstlern verzichten zu müssen. Denn ein Foto mit einem Star lässt sich eben leichter teilen als eine klare Haltung zu Menschenrechten.

Ich möchte Luxemburg auf der ESC-Bühne sehen – stolz, kreativ, weltoffen. Ich möchte, dass unsere Künstler strahlen und unsere Kultur sichtbar wird. Aber ich wünsche mir ebenso, dass Luxemburg seinen moralischen Kompass nicht verliert, wenn es unbequem wird. Die Rückkehr zum ESC hätte ein Zeichen kultureller Stärke und humanistischer Werte sein können. Im Moment jedoch droht sie zu einem Symbol politischer Gleichgültigkeit zu verkommen.

Die Welt sieht genau hin.

Auch beim Eurovision Song Contest.


Anmerkung

Das Tageblatt schätzt den Austausch mit seinen Leserinnen und Lesern und bietet auf dieser Seite Raum für verschiedene Perspektiven. Die auf der Forum-Seite geäußerten Meinungen sollen die gesellschaftliche Diskussion anstoßen, spiegeln jedoch nicht zwangsläufig die Ansichten der Redaktion wider.