Aber es ist auch die Jahrhundertwende, das Jahr 1899. Neue Formen der Mobilität zeichnen sich ab: Pferd und Kutsche erhalten Konkurrenz. Die Eisenbahn dehnt sich aus, Automobile üben sich in Fortbewegung. Und im Film übernimmt der Drahtesel, das Fahrrad, eine fast nostalgische Einlage, unterlegt mit weichen Tönen. Hal David und Burt Bacharach schufen mit „Raindrops Keep Fallin’ On My Head“ einen Filmsong für die Ewigkeit. Da mögen noch so viele Revolverschüsse vernommen werden: Das Idol schwimmt auf der Melodie und die Gedanken schwimmen mit.
„Zwei Banditen“ – die deutsche Titelversion – gehört zu meinen ersten Kinobesuchen mit bleibender Wirkung. Die Charaktere, die einem auf den Leinwänden der 1970er-Jahre begegneten, bestätigten eine Umschreibung, die ich später bei dem Soziologen Friedrich Tenbruck fand: Jugend ist ein Gemütszustand. Also kann auch die Erinnerung an diese Bilder und Geschichten einen Anti-Aging-Effekt haben. Wen kümmert da schon die Unterscheidung von Fiktion und Realität? Albert Camus hat einmal geschrieben, dass junge Leute nach dem Besuch eines Abenteuerfilms das Kino entschlossener verlassen.
Das Wort „Fiktion“ leitet sich vom lateinischen fictio ab und steht für Gestaltung, Erdichtung, etwas formen, etwas ausdenken. Die fiktionale Erzählung beruht insoweit nicht notwendigerweise auf tatsächlichen Begebenheiten. Aber es gibt eben auch Erzählungen, die eine wahre Begebenheit aufgreifen und sie für dramaturgische Zwecke etwas freier erzählen. Viele Menschen lesen lieber einen historischen Roman als ein historisches Fachbuch. Sie akzeptieren also in gewisser Weise einen Realitätsverlust und erfreuen sich an einer Geschichte, die sich mehr oder weniger an den Begebenheiten orientiert. „Das wirkliche Leben verliert oft dergestalt seinen Glanz, dass man es manchmal mit dem Firnis der Fiktion wieder auffrischen muss“, wusste bereits Goethe.
Rolle des sanften Rebellen
Alles, was wir über diese Welt wissen, setzt sich aus verschiedenen Wahrnehmungsformen zusammen: das Lesen, das Hören, das Sehen. Robert Redford konnte in vielen seiner Rollen gut erzählen, obwohl er in der Rolle des schweigsamen Sundance Kid nun einmal wenig sagen musste. In „Spy Game“, einem Agenten-Thriller aus dem Jahr 2001, war das anders. Gleiches gilt für „Die drei Tage des Condor“ (1975), einen Film über CIA-Intrigen mit – wie so häufig – offenem Ausgang. Oft verkörperte er die Rolle des sanften Rebellen, der sich über das jeweilige Establishment wunderte. An der Seite von Dustin Hoffman verhalf er dem Journalismus zu neuer Bewunderung. „Die Unbestechlichen“ ließ die Filmkritik von einem „Kulturphänomen“ sprechen: ein Dokumentarspiel, das keine Nebentätigkeiten zuließ. Die Aufdeckung des Watergate-Skandals wurde zu einem Synonym für investigativen Journalismus.
Immer war der Drang nach Unabhängigkeit zu spüren, etwa in „Jenseits von Afrika“ als Abenteurer. Faszination, Projektion, Bewunderung – das Role-Set dieses Schauspielers gleicht einem Kaleidoskop. Wenn es auch nicht immer schöne Bilder im ursprünglichen Sinne waren: Ihre Wirkung hatte etwas Vereinnahmendes. In gewisser Weise waren es häufig „Jenseits“-Rollen, etwa in „The Company You Keep – Die Akte Grant“. Redford verkörpert einen aufrichtigen Anwalt, der von seiner Vergangenheit eingeholt wird und muss nun selbst erleben, wozu intensive Recherche führen kann. Die Zuschauer erleben unter anderem das Amerika während des Vietnam-Kriegs von einer anderen Seite, indem sie mit einer linksradikalen Vergangenheit der USA konfrontiert werden. „Weathermen“ war der Name einer militanten Untergrundorganisation, die in den 1960er-Jahren aus einer Studentenorganisation hervorging, und vor allem Anschläge gegen Regierungsgebäude verübte.

Entrückte Persönlichkeiten
Auch entrückte Persönlichkeiten, wie „Der große Gatsby“, gehören dazu: eine in vielfacher Hinsicht kostspielige Welt mit ebenso kostspieligen Dramen. Es war also nicht immer ein „Sundance“. Aber der Name begleitete ihn fortan und wurde zu einer Marke. Die Figur, die ihn berühmt machte, gab zunächst einem Institut, das „Storytelling“ fördern sollte, im Jahr 1981 ihren Namen. Dann einem Filmfestival, das seinen Anfang 1978 in Utah nahm und ab 1991 dann „Sundance Film Festival“ hieß. Wieder war es die Unabhängigkeit, die gefördert werden sollte. Denn es wurde eine Bühne und ein Sprungbrett für viele Filmemacher, was er selbst mit einem Regiedebüt im Jahr 1980 wurde und ein Jahr darauf dafür den Oscar erhielt („Eine ganz normale Familie“). Auch seine Entscheidung, im Bundesstaat Utah einen Landstrich zu erwerben und Sundance zu nennen, spiegelt eine tiefe Sehnsucht wider, ebenso sein Engagement für die Natur und die Ursprünglichkeit im weitesten Sinne.
Zurück zur Leinwand, auf der, trotz aller Widrigkeiten des sozialen und politischen Lebens, der Sinn für Humor eben nicht fehlte: Unvergessen die Sprachprobleme beim Überfall auf eine peruanische Bank, als Butch Cassidy, gespielt von Paul Newman, mit einem Zettel in der Hand spanische Floskeln an Sundance Kid weitergibt. Ebenso unvergessen das fingierte Wettbüro in der Gaunerkomödie „Der Clou“. Manchmal wundert man sich dann, was Helden so alles nicht können. In auswegloser Situation, auf einem Felsvorsprung sitzend, vor sich nur noch die Tiefe des Canyons, begründet Sundance Kid seine Zurückhaltung vor dem (als Zuschauer weiß man es) rettenden Sprung: „Ich kann nicht schwimmen.“
De Maart
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