Eine Woche nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine klingelt das Telefon in Brüssel. Die Republik Moldau, gebeutelt von russisch unterstützten Unabhängigkeitsbestrebungen der an der Grenze zur Ukraine gelegenen Region Transnistrien, will EU-Mitgliedstaat werden. Knapp drei Jahre später entscheidet das Land bei den Parlamentswahlen in einem Monat über seine Zukunft. Wie wird sich die Republik Moldau zwischen russischen Interferenzen und der Aussicht auf EU-Roaming entscheiden? Außenminister Xavier Bettel (DP) will die Benelux-Reise nach Chisinau nicht als Einmischungsversuch verstanden haben wollen. „Die Moldawier müssen entscheiden und haben die Wahl“, sagt Bettel gegenüber der Luxemburger Pressedelegation in Chisinau. „Ich weiß, wie ich mich entscheiden würde.“
Aus zwei mach drei
Die Benelux-Delegation ist in der Republik Moldau trotz Drei-Länder-Delegation nur mit zwei anstelle von drei Außenministern präsent. Der niederländische Außenminister Caspar Veldkamp ist am Freitag im Streit um mögliche Sanktionen gegen Israel zurückgetreten. Er wird in Moldau von der Generaldirektorin für europäische Zusammenarbeit im niederländischen Außenministerium, Heleen Bakker, vertreten. Veldkamp, der sich in den vergangenen Wochen mit Kritik an der israelischen Regierung hervorgetan hatte, sagte Medienberichten zufolge am Freitagabend, er sei nicht in der Lage, „bedeutsame zusätzliche Maßnahmen“ zu ergreifen, um Druck auf Israel auszuüben. Die Mitte-rechts-Partei NSC, der Veldkamp angehört, zog sich nach dessen Rücktritt aus der Regierungskoalition zurück. Ein böses Omen für den in Moldau vertretenen belgischen Außenminister Maxime Prévot? Prévot, der der Luxemburger Sprache mächtig ist, kehrt am Mittwoch nach Brüssel zurück. Dann ist in Belgien eine regierungsinterne Richtungsdiskussion zu Israel und Palästina angesetzt – mit noch offenem Ausgang. (afp/siw)
Zuvor hat der Luxemburger Chefdiplomat am Montagmorgen, zusammen mit seinem belgischen Amtskollegen Maxime Prévot und der niederländischen Generaldirektorin für europäische Zusammenarbeit Heleen Bakker, den moldawischen Außenminister Mihai Popsoi, die moldawische Präsidentin Maïa Sandu und den moldawischen Parlamentspräsidenten Igor Grosu in Chisinau getroffen. In den Unterredungen mit der Benelux-Delegation dominierte seitens der moldawischen Amtsträger vor allem Sorge und Bestürzung über die russische Wahleinmischung. Mithilfe von KI-Videos und finanziellen Anreizen wird versucht, das Stimmungsbarometer im Land von Brüssel weg Richtung Moskau zu kippen. „Die russische Regierung investiert, um eine Destabilisierung herbeizuführen“, sagt Außenminister Xavier Bettel. In Rumänien haben es die Russen bereits versucht, nun steht also die Republik Moldau im Fokus. „Das ist ihre letzte Patrone.“
Moldau treibt derzeit seine Bemühungen voran, im Energiebereich von russischen Gasimporten unabhängiger zu werden. Dafür arbeitet Moldau auch seit Jahren mit der „Europäischen Investment Bank“ (EIB) zusammen. Den Bau einer Gaspipeline nach Rumänien förderte die EIB mit Investitionen in Millionenhöhe. In die Modernisierung der elektrischen Infrastruktur sind ebenfalls bereits 100 Millionen Euro geflossen. In dem Rahmen besuchten die drei Außenminister am Montagnachmittag auch eine in neun Monaten gebaute Solarfarm – die größte des Landes – mit einer Kapazität von 50 MW, eine halbe Autostunde von Chisinau entfernt. Eine Anlage, die bis zu fünf Prozent des gesamten Landes zu Spitzenzeiten mit Strom versorgen kann, wie der moldawische Energieminister Dorin Junghietu mit nicht wenig Stolz erklärt.

Die Errungenschaften der EU sind dabei zwar in greifbarer Nähe und doch ganz weit weg vom moldawischen Alltag. Moldau wird erst ab dem 1. Januar 2026 ins EU-Roaming-Gebiet hinzustoßen. Seit März arbeitet Moldau an der Integration in den Einheitlichen Euro-Zahlungsverkehrsraum (SEPA). Der Abschluss soll jedoch erst im Oktober erfolgen – nach den Parlamentswahlen. Was Moldau braucht, so der allgemeine Konsens, sind klare Perspektiven, wie es mit der EU-Mitgliedschaft weitergeht. Die aber kann auch die Benelux-Delegation am Montag nicht bieten. „Für den bisherigen Weg, den Moldau beschritten hat, hat es Leadership gebraucht“, meint Bettel. Vor allem beim Thema Korruption habe das Land große Fortschritte gemacht. Bis zum Wähler aber würden diese Bemühungen nicht durchdringen. Kein rein moldawisches, sondern ein gesamteuropäisches Problem, wie Bettel zugibt.
Eine klare zeitliche Perspektive lässt sich laut Bettel ebenfalls nur sehr schwer definieren. Das hängt vor allem mit der Ukraine zusammen. „Ich bin der Meinung, dass es nicht clever ist, die Mitgliedsanträge der Ukraine und der Republik Moldau zu trennen“, sagt Bettel. Jedoch würde es zahlreiche Länder geben, die derzeit bei der Ukraine alle Fortschritte blockieren würden. Es müsse jedoch klar sein, dass die Mitgliedschaft in der EU klar leistungsorientiert ist. „Die EU ist keine Kassenschublade, aus der man sich bedienen kann“, sagt Bettel. Es gebe gemeinsame Werte, die es aufrechtzuerhalten gelte. Moldau aber zeige derzeit den nötigen Mut zu Reformen und habe auch „Lust, das Projekt weiterzutreiben“.
Nicht jeder in Moldau hat jedoch Lust auf EU. Darüber können auch die zahlreichen Europa-Flaggen nicht hinwegtäuschen. Für den moldawischen Unabhängigkeitstag am Mittwoch, dem 27. August, reisen der französische Präsident Emmanuel Macron, der deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz und der polnische Regierungschef Donald Tusk auf Einladung der moldawischen Präsidentin nach Chisinau. Aus Oppositionskreisen wurden deswegen schon Proteste und Gegendemos angekündigt.

Moldawien oder Moldau?
Moldau oder Moldawien – wie lautet die korrekte Bezeichnung der 2,4 Millionen umfassenden Republik? Die offizielle Bezeichnung in Deutschland und Österreich lautet Moldau, wenngleich der Begriff Moldawien umgangssprachlich weit verbreitet ist. Die heutige offizielle Bezeichnung wurde eingeführt, um eine Verwechslung mit der moldawischen Region Rumäniens zu vermeiden.
In Luxemburg wohnen derzeit 110 moldawische Staatsbürger. Ob oder wie viele Luxemburger Staatsbürger derzeit in Moldau wohnen, konnte das Luxemburger Außenministerium nicht beantworten.
De Maart
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