27. Oktober 2025 - 18.56 Uhr
SpanienEin Jahr nach der Jahrhundertflut in Valencia werden immer noch Tote gefunden
Per DNA-Analyse wurde festgestellt, dass es sich um einen 56 Jahre alten Mann namens José V. handelt, der am 29. Oktober 2024 von den Wassermassen zusammen mit seiner 30-jährigen Tochter Susana fortgerissen wurde. Die Tochter war bereits kurz nach der Starkregenkatastrophe tot geborgen worden.
Der Leichenfund ruft eine Tragödie in Erinnerung, die vor einem Jahr in der bei Touristen sehr beliebten Region Valencia 229 Menschen das Leben kostete. Zwei weitere Menschen werden immer noch vermisst. In den Nachbarregionen kamen bei der verheerenden Regenflut acht weitere Menschen um. Zehntausende wurden damals obdachlos.
Binnen weniger Stunden prasselten im Hinterland der Regionalhauptstadt Valencia bis zu 700 Liter Regen pro Quadratmeter herab. In den sonst trockenen Flussbetten des bergigen Landesinneren bildeten sich gewaltige Ströme, die schnell über die Ufer traten. Die Wassermassen rissen Erde, Steine, Bäume, Autos und ganze Häuser mit.
Vor allem der Flusslauf Barranco del Poyo überflutete an diesem Dienstag meterhoch zahlreiche Dörfer und Vororte der Großstadt Valencia. Straßenzüge, Autobahnen, Tiefgaragen und Einkaufszentren standen plötzlich unter Wasser. Zehntausende Menschen, die beim Einkaufen oder auf dem Rückweg von der Schule oder der Arbeit waren, wurden von der Flut überrascht.
Zurück blieb eine Schlamm- und Trümmerlandschaft. Die Bilanz dieses Horrortages: 229 Menschen starben, Hunderte wurden verletzt. Mehr als 100.000 Fahrzeuge wurden weggespült und hatten nur noch Schrottwert. Über 11.000 Gebäude mit Wohnungen und Geschäften wurden beschädigt. Der Gesamtschaden belief sich auf mindestens 17 Milliarden Euro.
Das Drama war auch eine politische Katastrophe
Am härtesten traf es Paiporta, eine Gemeinde mit 27.000 Einwohnern südlich von Valencia. Dabei hatte es im Ort selbst gar nicht geregnet. Die Wasserlawinen seien aus dem bergigen Hinterland gekommen, erinnert sich Bürgermeister Vicent Císcar. Plötzlich sei das Wasser meterhoch gestiegen und habe den ganzen Ort verwüstet. „Kein Haus ist verschont worden.“ Allein in Paiporta seien 46 Menschen ertrunken. „Es wird noch Jahre dauern, bis alles wieder aufgebaut ist.“
Jorge Ondo war damals als Feuerwehrmann im Einsatz. Er rettete zahlreiche Menschen, die sich auf Hausdächer gerettet hatten oder auf Bäume und Laternenpfähle geklettert waren. Eindrücke, die der Feuerwehrmann bis heute nicht vergessen hat. Es sei wie in einem Horrorfilm gewesen: „Überall sahen wir ineinander verkeilte und übereinander gestapelte Autos.“
Das Drama offenbarte auch eine politische Katastrophe. Wie die Ermittlungen der Justiz ans Licht brachten, wurde die Bevölkerung am Tag der Sintflut von den regionalen Behörden viel zu spät gewarnt. Erst um 20.11 Uhr abends – da waren viele Orte längst überschwemmt – wurde die Bevölkerung per Handy-Alarm aufgefordert, zu Hause zu bleiben und vorsichtig zu sein. Zu diesem Zeitpunkt waren bereits mehr als 150 Menschen in den Fluten umgekommen. Viele andere kämpften zu dieser Stunde ums Überleben.
Die Untersuchungsrichterin Nuria Ruiz wirft der Regionalregierung vor, beim Krisenmanagement völlig versagt zu haben. Vor allem Valencias Ministerpräsident Carlos Mazón von der konservativen Volkspartei steht in der Kritik – weil er erst am späteren Abend im Krisenzentrum eintraf, nachdem er zuvor stundenlang privat essen war, während draußen die Fluten wüteten.
Die großen Opferverbände, in denen sich die Familienangehörigen der Toten organisierten, fordern Mazóns Rücktritt und eine strafrechtliche Verfolgung jener, die es nicht für nötig hielten, die Bevölkerung rechtzeitig zu warnen. „Wir werden nicht vergeben, wir werden bis zum Ende Gerechtigkeit verlangen“, sagen die beiden Verbandssprecherinnen Rosa Álvarez und Mariló Gradolí.
Bewundernswerte Solidarität
Zehntausende freiwillige Helfer ließen nach der Flut eine ungeheure Solidaritätswelle entstehen. Junge Leute aus ganz Spanien reisten nach Valencia, um mit Besen und Schaufeln die Straßen, Wohnungen, Geschäfte und Garagen vom Schlamm zu befreien. Die bewundernswerte Solidarität im ganzen Land – das war die gute Nachricht in diesem Flutdrama.
Doch während der Wiederaufbau langsam vorankommt, warnen Klimaforscher und Umweltschützer, dass sich eine Katastrophe wie vor einem Jahr in Valencia jederzeit wiederholen kann. Sie weisen darauf hin, dass allein in der Mittelmeerregion Valencia 600.000 Menschen in potenziellen Überflutungsgebieten leben. In anderen Küstenregionen Spaniens sehe es kaum besser aus.
Auch nach der Flutkatastrophe wird am Mittelmeer weiter in Risikozonen gebaut – an trockenen Flussläufen und oft nur wenige Meter von der Küste entfernt. Und das, obwohl die Entwicklungen der letzten Jahre zeigen, dass durch den Klimawandel, den steigenden Meeresspiegel und zunehmende extreme Wetterereignisse die Überschwemmungsgefahr wächst.
Ein Jahr nach dem Albtraum vom 29. Oktober bleibt deshalb die Frage: Hat Spanien wirklich gelernt? Ob Warnsysteme künftig rechtzeitig auslösen und ob Verantwortliche aus ihren Fehlern Konsequenzen ziehen – das wird sich beim nächsten großen Unwetter zeigen.
De Maart
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