Freitag7. November 2025

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KinoEin Blick auf Robert Eggers und seine Neuverfilmung des Vampir-Klassikers „Nosferatu“

Kino / Ein Blick auf Robert Eggers und seine Neuverfilmung des Vampir-Klassikers „Nosferatu“
Lily-Rose Depp in „Nosferatu“ von Robert Eggers Quelle: imdb.com/Foto: Aidan Monaghan/Copyright: FOCUS FEATURES LLC

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Mit „Nosferatu” verfilmt der Regisseur Robert Eggers den Filmklassiker von Friedrich Wilhelm Murnau neu. Murnaus Film gilt als der erste große Vampir-Horror im Kino. Ein Blick auf Eggers und seine Interpretation.

Robert Eggers: Genrefilm mit Kunstanspruch

Der 41-jährige amerikanische Regisseur Robert Eggers begann seine Karriere zunächst als Bühnenbildner für das Theater, seine professionelle Karriere im Film bestritt er dann als Produktionsdesigner. Mit der Filmproduktionsfirma A24 kam der Durchbruch: „The Witch“ (2015), ein im Neuengland des 17. Jahrhunderts spielender Horrorfilm, verschaffte Eggers große Bekanntheit. Gerne wurde dieser Film als „Art Horror“ oder „elevated horror“ bezeichnet, um eine Differenzqualität zu beschreiben. Eine Abhebung gegenüber herkömmlichen Horrorfilmen sei so markiert und Eggers’ eindrücklichem filmsprachlichen Stil zuzurechnen.

Der Film kreist um Themen wie fanatischer Glaube, Angst, Isolation und die Zerbrechlichkeit der menschlichen Psyche in einem ganz reduktionistischen Setting. So auch in „The Lighthouse“ (2019), einem psychologischen Horrorfilm, der von zwei Leuchtturmwärtern handelt, die auf einer abgelegenen Insel im späten 19. Jahrhundert leben. Die Handlung konzentriert sich auf die Beziehung zwischen den beiden Männern, gespielt von Willem Dafoe und Robert Pattinson, und zeigt, wie Isolation und Machtkämpfe ihre Psyche beeinflussen. Der Film spielt mit Themen wie Wahnsinn, Männlichkeit und dem Übernatürlichen, während die beiden Protagonisten zunehmend in einen Sog aus Paranoia und Halluzinationen geraten. Die düstere Atmosphäre, die Schwarz-Weiß-Ästhetik und das aus dem Stummfilm bekannte 4:3-Bildformat tragen zur intensiven, beklemmenden Stimmung des Films bei. „The Lighthouse“ ist eine offenkundige Hommage an den expressionistischen Stummfilm des Weimarer Kinos der Zwanzigerjahre.

Mythisches Repertoire

„The Northman“ (2022), eine Verfilmung der Amleth-Sage, kann man nur oberflächlich dem Abenteuerfilm zurechnen. Die Amleth-Sage ist der Ursprungstext, nach dem William Shakespeare sein Theaterstück „Hamlet“ gestaltete oder noch die Animationskünstler von Disney ihren Film „The Lion King“ ausrichteten. Die Geschichte folgt dem jungen Prinzen Amleth, der Zeuge des Mordes seines Vaters, des Königs, durch seinen eigenen Onkel wird. Getrieben von Rache und dem Wunsch, die Ehre seiner Familie wiederherzustellen, begibt sich Amleth auf eine gefährliche Reise, um seinen Onkel zu töten und seine Mutter zu retten.

Das nordische Mythenrepertoire, aus dem hier ausgiebig zitiert wird, stellt für Eggers dabei die wichtigste Bezugsquelle dar. Immer wieder nimmt sich der Film Zeit für nahezu entdramatisierte Szenen, die insbesondere der Praktizierung von Riten oder noch der Darstellung des Übernatürlichen gelten, die im Wikinger-Abenteuerfilm als Genre, aber mitunter als außergewöhnlich gewertet werden dürfen.

Der Cast von „Nosferatu“ mit dem Regisseur (v.l.): Emma Corrin, Willem Dafoe, Aaron Taylor-Johnson, Robert Eggers, Bill Skarsgård und Nicholas Hoult 
Der Cast von „Nosferatu“ mit dem Regisseur (v.l.): Emma Corrin, Willem Dafoe, Aaron Taylor-Johnson, Robert Eggers, Bill Skarsgård und Nicholas Hoult  Foto: Getty Images via AFP

Darin liegt das besondere Augenmerk des Films: In Eggers „The Northman“ geht es nicht zuvorderst um die gebannte Verfolgung der Handlung, noch nicht einmal so sehr um die Anbindung an diesen Helden, nein, es geht vielmehr um die sinnliche Filmerfahrung. Dies gelingt Eggers mittels einer ganz betonten, spezifischen Stilistik: ungebrochene Kamerafahrten und lang andauernde statische Einstellungen, die mit einem extremen und reduzierten Sounddesign auf auditiver Ebene kollidieren.

Dass Robert Eggers mit seiner Neuverfilmung von „Nosferatu“ nun dem deutschen Film-Expressionismus ganzheitlich seinen Tribut zollt, verwundert weiter nicht. Es war eine wirkungsmächtige Bewegung, die den Horrorfilm mit hohen Ansprüchen an die formale Gestaltung zum Kunstfilm machte. Eggers zählt den Filmklassiker von Friedrich Wilhelm Murnau von 1922 zu seinen Lieblingsfilmen, es war ihm die wegweisende filmische Kindheitserinnerung. (Marc Trappendreher)


Vampir für die TikTok-Generation

In „Nosferatu“ adaptierte F.W.Murnau 1922 Bram Stokers „Dracula“ für das immer noch neue Medium des Kinos. Man kann daher bereits diesen Film als ein Remake oder eine Kopie bezeichnen. Allerdings fügte Murnau den Worten der Erzählung etwas Neues, Unvergleichliches hinzu: Bilder, die kraftvoll und poetisch unmittelbar das Publikum berührten und den inneren Bildern der Leser ungeahnte äußere Abbilder hinzufügten, deren starker sinnlicher Wirkung auch auf das Unterbewusste man sich kaum entziehen konnte. „Nosferatu“ traf mit seinen Licht-Schatten-Effekten und seinem Naturalismus ins Mark, ließ auch durch Max Schrecks Vampirfigur erschauern, und war damit tatsächlich eine bis in die Gegenwart unter die Haut gehende „Symphonie des Grauens“. Der Film wurde so ähnlich epochemachend wie die Vorlage und ein sofortiger, sehr wirkungsvoller Klassiker sowie Auslöser einer ganzen Welle von Horrorfilmen.

Ähnliches wird man bei allem Respekt wohl in 50 Jahren über Robert Eggers’ Remake „Nosferatu – Der Untote“ nicht behaupten können. Dafür ist das Original vielleicht einfach zu stark; vor allem aber ist dieser neue Film selbst viel zu respektvoll. Eggers, in dem manche mit guten Gründen einen Genre-Auteur und Begründer des „Art Horror“-Booms erkennen, jedenfalls aber ein origineller und eigenwilliger Regie-Kopf, erstarrt hier allzu sehr in Ehrfurcht vor seinem erklärten Lieblingsfilm, den er im Alter von acht Jahren erstmals gesehen haben will.

Eggers’ „Nosferatu“ ist ein in seiner Erzählung über weite Strecken haargenaues Remake des Murnau-Films: Es geht um einen unbedarften, frisch verheirateten Jüngling (Hutter, hier gespielt von Nicholas Hoult), der in die Karpaten geschickt wird, um dort in wichtigen Geschäften den mysteriösen Fürsten Orlok (Bill Skarsgaard) aufzusuchen. Die ganze Reise lässt bereits Schlimmes ahnen, bevor Orlok sich als Vampir entpuppt. Knapp dem Tod entronnen, hat Hutter aber Orlok nun auf die Spur seiner Braut Ellen (Lily-Rose Depp) gesetzt. Per Schiff reist dieser nach Wismar, im Gefolge eine pestübertragende Rattenschar, und bringt der Stadt Tod und Verderben, bevor Ellen sich opfert und dadurch auch Orlok in den Tod reißt und den Fluch beendet.

Gepflegtes Gruseln

Diese Story erzählt Eggers getreulich nach, gegenüber Murnau erweitert um Farbe und Ton – aber auch dies ist nicht grundsätzlich neu. Werner Herzog hat es bereits 1979 in seinem ansonsten sehr antiquarischen Remake unternommen. Warum also der ganze Aufwand, außer um einen Klassiker zeitgeistig und etwas modisch für die TikTok-Generation aufzupeppen? So wie jede Zeit ihren Shakespeare hat, darf es auch alle paar Dekaden ein neuer „Nosferatu“ sein. Vielleicht genügt diese Feststellung.

„Nosferatu – Der Untote“ ist ein gut gemachter, technisch perfekter Film. Seine Bilder und Effekte erlauben es, sich gepflegt zu gruseln – der ideale Date-Movie, bei dem die Publikumsleiber sich schutzsuchend aneinanderschmiegen können. Aber es ist kein Film, der das große Vorbild an irgendeiner Stelle erweitert, überschreitet oder gar konterkariert. Ihm fehlt die Seele und die Poesie, das Ungreifbare, das große Filme unvergesslich macht. Auch damit verrät „Nosferatu – Der Untote“ aber einiges über den herrschenden Zeitgeist: Zum einen über ein Kino, das selbst in seinen ehrgeizigeren Teilen künstlerisch wenig wagt, das sich lieber beflissen auf vertrauten Bahnen bewegt. Wo die schlichteren Gemüter mit der x-ten Marvel-Variante abgespeist werden, bekommt die Arthouse-Fraktion einen „Nosferatu“, der es bei der Hommage belässt, aber weder ernsthaft schockiert, noch das große Vorbild infrage stellt.

In Eggers’ historistischer Herangehensweise liegt aber noch ein zweites, beunruhigenderes Element: Schon Murnaus Zeitgenossen bemerkten ein klischiertes Bild Osteuropas, das schmutzig, gefährlich, ein bisschen pervers, höchst mysteriös und entweder von Idioten oder von Monstern bevölkert erscheint. Und „das Fremde“ war in Nosferatu 1922 ausschließlich mit Krankheit und Tod konnotiert, nicht ohne Untertöne, die manchen gar „antisemitisch“ schienen. Auch diese Bilder werden von Eggers’ Adaptation getreulich reproduziert, aber nie gebrochen. Zumindest in dieser Hinsicht wendet sich die beflissene Verehrerhaltung gegen den Film selbst. (Rüdiger Suchsland)

„Nosferatu“, ab dem 25. Dezember in Luxemburgs Kinos