Donnerstag25. Dezember 2025

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Alain spannt den BogenEffektvoll oder eindringlich: Die Macht der Neuen Musik

Alain spannt den Bogen / Effektvoll oder eindringlich: Die Macht der Neuen Musik
Die Oper „Picture A Day Like This“ war in Luxemburg zu sehen Foto: Jean-Louis Fernandez

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Nicht immer sind es die Blockbuster-Konzerte, die wirklich überzeugen. Das Gastspiel der Filarmonica della Scala unter Laurenzo Viotti am vergangenen Freitag fiel nur mäßig aus, während das Luxembourg Philharmonic einen Tag vorher mit exzellenten Orchester- und Solistenleistungen punktete, das Programm diesmal aber nicht hielt, was es versprach. Höhepunkt der letzten Konzertwoche war für mich demnach die Aufführung von George Benjamins Oper „Picture A Day Like This“ mit dem Orchestre de Chambre du Luxembourg und Corinna Niemeyer im Grand Théâtre.

Ehe das Luxembourg Philharmonic sein Gastspiel im Konzerthaus Wien absolvierte, dirigierte Gustavo Gimeno das gleiche Programm am vergangenen Donnerstag in der Philharmonie. Charles Ives’ „The Unanswered Question“, „A Savage Beat. Concerto for percussion and orchestra“ von Sauli Zinovjev (*1988) und die 15. Symphonie von Dimitri Schostakowitsch waren drei außergewöhnliche Werke, die zusammen aber etwas zu viel des Guten waren. Ich bin kein großer Anhänger von Schostakowitschs 15. und somit letzter Symphonie. Es ist ein sperriges Werk mit großen Längen, das zwar im ersten Satz recht munter daherkommt, danach irgendwie aber nicht so recht weiterkommt. Die Musik, so habe ich jedes Mal den Eindruck, bleibt auf der Stelle stehen und dreht sich um sich selbst. Auf der anderen Seite aber schafft Schostakowitsch hier eine sehr eindringliche Struktur und gibt den Solisten viele Möglichkeiten, zu glänzen.

Ein Abend der Solisten

Gustavo Gimeno (links) und Vivi Vasileva (rechts) waren der Höhepunkt in der Philharmonie
Gustavo Gimeno (links) und Vivi Vasileva (rechts) waren der Höhepunkt in der Philharmonie Foto: Ines Rebelo de Andrade

Gimenos Dirigat ist klar, legt diese Strukturen offen und ermöglicht eine unwahrscheinliche Transparenz, kann aber emotional nicht mehr aus der Musik herausholen, als diese hergibt. Auch in „A Savage Beat“ dürfen zwei Schlagzeuger aus dem Orchester solistisch glänzen, während die Hauptprotagonistin Vivi Vasileva eine Wahnsinnsleistung an den verschiedenen Instrumenten wie Vibraphon, Marimba, japanische Taiko-Triommeln, Bass-Drum oder Steel-Drum vollbringt. Das Werk des jungen finnischen Komponisten Sauli Zinovjev ist effektvoll und nie plakativ komponiert und stellte Schlagzeug und Orchester auf innovative Art gegenüber. Gerade in dieser oft gegensätzlich behandelten Dynamik liegt die Innenspannung des Werkes. Leider spielen die Streicher hinter einer Glasabdeckung, sodass ihr Klang stark abgeschwächt wird und sich dabei im Saal verliert. Sogar die Kontrabässe bleiben (auf meinem Platz im vorderen Parkett) kaum hörbar. Das ist schade, denn diese gestörte Klangbalance verhindert, dass sich die Musik voll entfalten kann. Trotzdem, ein aufregendes Werk erster Güte. Begonnen hat das Konzert mit Ives’ kurzem „The Unanswered Question“, wo auch hier wieder die Orchestersolisten, die auf den Türmen platziert waren, mit einer exzellenten Leistung überzeugen konnten.

Farblose Filarmonica della Sala

Enttäuschte: der Dirigent Laurenzo Viotti
Enttäuschte: der Dirigent Laurenzo Viotti Foto: Eric Engel

Weltklasse war dann auch das Spiel des französischen Cellisten Gautier Capuçon, der Dvoraks Cellokonzert mit einer Schönheit und Sensibilität interpretierte, dass man den Atem anhalten musste. Leider begegnete ihm Laurenzo Viotti mit einem breiigen und in vielen Momenten viel zu langsamen Orchesterspiel. Obwohl sein Dirigat sehr klar und präzise schien, fiel die Antwort aus dem Orchester relativ enttäuschend aus. Keine Farben, keine wirkliche Innendynamik führten zu einem uninteressanten Klang und einer laschen Begleitung. Auch in Prokofjews „Romeo und Julia“-Auszügen strebte man eher ungefährliches Spektakel als große Orchesterkunst an. Immer wieder blickte durch, dass die Filarmonica della Scala doch nur ein hochgepuschtes Opernorchester ist, was sehr schnell wieder in diesen typisch italienischen Mischklang zurückfällt, steht nicht der richtige Mann auf dem Pult. Der viel gepriesene Shooting-Star Laurenzo Viotti konnte mich jedenfalls an diesem Abend nicht überzeugen.

In der Dunkelheit

Nach diesen zwei eher lauen Konzertabenden rettete dann die überragende Aufführung von Sir George Benjamins düsterer Oper „Picture A Day Like This“, nach einem Text von Martin Crimp und in der präzisen und klaren Inszenierung von Daniel Jeanneteau und Martin-Christine Soma, unsere Konzertwoche. Während knapp 70 Minuten schafft Benjamins eindringliche Musik intensivstes Opernerleben. Es ist ein Eintauchen in die Dunkelheit, unerbittlich, tragisch, aber immer mit Hoffnung verbunden. Eine Frau beklagt den Tod ihres Kindes und versucht, es wieder zum Leben zu erwecken. In sieben Szenen und Begegnungen erlebt man den schweren Weg, den die Mutter gehen muss, um am Ende dann den Verlust akzeptieren zu können. Martin Crimp beschreibt dies in knappen, aber präzisen Worten, die Benjamins Musik kongenial in Klang, Atmosphäre, Gefühl und Gesang umsetzt. Die Aufführung vom 2. März war dann auch sehr gelungen.

John Brancy überzeugte in „Picture A Day Like This“
John Brancy überzeugte in „Picture A Day Like This“ Foto: Jean-Louis Fernandez

Allen voran die exzellente Hauptprotagonistin Marianna Crebassa und das bestens disponierte Orchestre de Chambre du Luxembourg, das Benjamins komplexe Musik auf sehr hohem Niveau zu gestalten wusste. Am Pult stand Corinna Niemeyer, die bereits Benjamin bei der Premiere in Aix vor zwei Jahren assistiert hatte und „Picture A Day Like This“ demnach sehr gut kannte. Mari Eriksmoen bot eine beachtenswerte Leistung als Zabelle, die übrigen Rollen wurden von Beate Mordal, Cameron Shahbazi und John Brancy ebenfalls hervorragend gesungen. Sir George Benjamin zeigt mit „Picture A Day Like This“, dass gute Oper auch heute durchaus noch existiert.