Dem möglichen Bündnis von Union und SPD steht die wohl letzte Hürde bevor. Ab diesem Dienstag können die SPD-Mitglieder über den Koalitionsvertrag abstimmen. Doch die Jusos erklärten bereits, ihn ablehnen zu wollen. „Unser Votum lautet Ablehnung. Für die Zustimmung der Jusos bräuchte es deutliche Nachbesserungen“, sagte Juso-Chef Philipp Türmer am Montag den Sendern RTL und ntv.
Türmer sprach von „einer schwierigen Situation“. „Aber wir sagen deutlich, was unsere Einschätzung ist. Das verlangen unsere Mitglieder von uns.“ Deswegen habe sich der Bundesvorstand in enger Abstimmung mit den Landesverbänden und Bezirken zu seinem Votum entschieden.
Die Mitgliederbefragung soll bis zum 29. April laufen. Die Jusos haben 70.000 Mitglieder zwischen 14 und 35 Jahren, stellen also etwa ein Fünftel aller rund 358.000 SPD-Mitglieder. Für die Annahme des Koalitionsvertrags ist nicht nur die Mehrheit der Stimmen, sondern auch eine Beteiligung von mindestens 20 Prozent notwendig.
Türmer kritisierte nun, dass der Vertrag in der Migrationspolitik sowie bei Arbeit und Sozialem den falschen Weg gehe. Den für alle Maßnahmen im Koalitionsvertrag vereinbarten Finanzierungsvorbehalt nannte er zudem „eine tickende Zeitbombe“.
Als die SPD-Nachwuchsorganisation der Jungsozialisten (Jusos) das letzte Mal gegen ein schwarz-rotes Bündnis aufstand, geriet die Partei langsam, aber sicher ins Wanken. 2017 war das. Die SPD hatte bei der Bundestagswahl mit 20,5 Prozent ihr bis dato schlechtestes Wahlergebnis überhaupt eingefahren und machte sich nach den gescheiterten Jamaika-Verhandlungen von Union, Grünen und FDP auf den Weg in eine neuerliche Koalition mit CDU-Kanzlerin Angela Merkel. Was dann folgte, war eine monatelange Führungskrise.
Viel erreicht angesichts des SPD-Wahlergebnisses
Wiederholt sich nun die Geschichte? Könnte es nach dem neuesten Tiefpunkt bei der Bundestagswahl 2025 von nur noch 16,4 Prozent erneut zu einer No-Groko-Bewegung der Jusos und einer Führungskrise in der SPD kommen?
In der Partei gibt man sich diesbezüglich gelassen. Denn nach Türmers Worten wollen die Jusos keine Kampagne gegen die voraussichtlich künftige schwarz-rote Koalition starten. „Eine No-Groko-Kampagne wie beim letzten Mal ist so nicht zu erwarten. Die ging über viele Wochen und Monate“, sagte Türmer. Nun sei der Abstimmungszeitraum deutlich kürzer. „Aber wir sind im Dialog mit den Mitgliedern. Wir diskutieren viel.“
Der Vorsitzende des konservativen Seeheimer Kreises in der SPD, Fraktionsvize Dirk Wiese, rief seine Partei indes zur Zustimmung zum Koalitionsvertrag auf. „Unter dem Strich ist es ein gut verhandelter Vertrag, der trotz des schlechten Wahlergebnisses viele unserer Forderungen widerspiegelt“, sagte er dem Tageblatt. Und auch der Parteilinke Ralf Stegner warb für Zustimmung zum Koalitionsvertrag. „Dass die Jusos keine Koalition mit der Union anstreben und keine Begeisterung für einen Kanzler Friedrich Merz entwickeln können, kann ich wirklich nachvollziehen“, sagte Stegner auf Anfrage. „Dennoch teile ich die Schlussfolgerung aus mehreren Gründen nicht“, fügte er hinzu und verwies etwa auf die drohenden AfD-Erfolge bei einem Scheitern der schwarz-roten Regierungsbildung und auf die respektablen Verhandlungsergebnisse angesichts des SPD-Wahlergebnisses. „Insgesamt also norddeutsch kurz: Wat mutt, dat mutt“, resümierte Stegner.
De Maart
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