In seinem Meinungsartikel im Luxemburger Wort „Wie der Feminismus die Abtreibungs-Debatte beherrscht“ vom 11. Oktober 2025 betreibt der DP-Abgeordnete Dr. Schockmel Geschichtsklitterung in Bezug auf die Positionen Simone Veils. Ich zitiere: „Im Jahr 2008 präsidierte sie [S. Veil] ein Komitee zur Überprüfung der Verfassung auf Vollständigkeit. Dieses Komitee kam zu dem Schluss, dass die IVG nicht in die Verfassung gehört.“ Und, in Berufung auf diesen Passus, weiter unten in seinem Artikel: „Das Recht auf Abtreibung gehört daher nicht in die Verfassung (cf. Simone Veil, oben).“
Es gilt, einiges richtigzustellen:
1. Es gab zu dieser Zeit in Frankreich kein Komitee zur Überprüfung der Verfassung auf Vollständigkeit. Wohl gab es ein, im Jahr 2007 durch den Präsidenten eingesetztes und vom früheren Premierminister Balladur präsidiertes, „Comité de réflexion et de proposition sur la modernisation et le rééquilibrage des institutions“.
2. Weder dieses Komitee noch eine andere Institution hatte den Auftrag „zur Überprüfung der Verfassung auf Vollständigkeit“. Die Frage zur Aufnahme des Rechtes auf Abtreibung in die Verfassung hätte dieses Komitee zu keinem Moment behandeln können oder dürfen.
3. Das Komitee konnte demnach auch nicht „zu dem Schluss“ kommen, dass das Recht auf Abtreibung nicht in die Verfassung gehöre.
4. Frau Veil gehörte diesem Komitee nicht an. Sie hatte, nachdem die Arbeit des genannten Komitees beendet war, vom Präsidenten den Auftrag bekommen, ein „Comité de réflexion sur le Préambule de la Constitution“ zu leiten.
5. Wie der Name zeigt, hatte dieses Komitee nicht den Auftrag, über Inhalte der Verfassung zu beraten, sondern allein über deren Präambel.
6. Der von S. Veil verfasste Bericht zu den Arbeiten und den Schlüssen dieses Komitees weist weder Diskussionen noch einen Schluss über das (Nicht-)Einschreiben des Rechtes auf Abtreibung in die Präambel auf. Eine Präambel, die sich nicht zu diesem Thema äußert. Der sich auf die Grundrechte beziehende Passus dieses Textes lautet wie folgt: „Le Peuple français proclame solennellement son attachement aux Droits de l’Homme et aux principes de la souveraineté nationale tels qu’ils ont été définis par la Déclaration de 1789, confirmée et complétée par le préambule de la Constitution de 1946, ainsi qu’aux droits et devoirs définis dans la Charte de l’environnement de 2004.“
Als Bürger bin ich schockiert über die rückständigen Ansichten eines Abgeordneten einer, anscheinend, liberalen Partei. Ansichten, die man, mit der gleichen Rhetorik, bei den rechtsextremistischen Parteien wie AfD, RN oder ADR wiederfinden kann. Dr. Schockmel missbraucht das Erbe der großen liberalen Vorkämpferin für Frauenrechte für seine antifeministischen Positionen. Hierfür sollte er sich schämen.
Als Historiker und Wissenschaftler bin ich schockiert über seinen dreisten Missbrauch historischer Fakten und deren Klitterung. Hierfür sollte Dr. Schockmel zurücktreten.
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