Alain spannt den BogenDoppelpack von Albena Petrovic

Alain spannt den Bogen / Doppelpack von Albena Petrovic

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Die Komponistin Albena Petrovic hat gleich zwei Neuheiten in petto: das Buch „My Opera World – Derrière les notes“ sowie das Album „Sanctuary“. Das Tageblatt hat sich mit beiden befasst. 

Die in Bulgarien geborene und in Luxemburg lebende und arbeitende Komponistin Albena Petrovic gehört ohne Zweifel zu den interessantesten Musikerpersönlichkeiten unseres Landes. Ihre Musik wie auch ihre Werke sind spannend, fordernd komplex; von einer gefälligen zeitgenössischen Musik will die Komponistin nichts wissen. Vieles erscheint experimentell und sehr modern, doch hört man genau hin, so kann uns Petrovics Musik doch sehr schnell ansprechen und berühren.

Hinter die Noten geblickt

Petrovic ist eine Komponistin, die in vielen Bereichen zu Hause ist und mehr als 600 Werke komponiert hat. Das kürzlich erschienene Buch „My Opera World – Derrière les notes“ beschäftigt sich mit den vokalen Werken der Komponistin, also ihren Opern und Liedern. Insgesamt sieben internationale Musikwissenschaftler und Autoren haben sich mit ihren Werken auseinandergesetzt und blicken hinter die Noten. In sehr individuellen Herangehensweisen erfährt der interessierte Leser, was es bedeutet, eine Komponistin zu sein. Hierzu gibt es einen sehr interessanten Text von Aliette de Laleu über die Geschichte und die Rolle der Komponistinnen in der Geschichte. Man erfährt viel über die Genese und die Hintergründe ihrer bis jetzt neun Opern, entdeckt, was die Komponistin bewegt, was sie ausdrücken will, was ihr Musik und kreatives Schaffen bedeutet. Die Texte von Aliette de Laleu, Marianne Chauvin, Vesela Naumova, Madlena Marinova, Matthias Theodor Vogt und Peter Thabit Jones sind informativ und objektiv, es sind keine Lobhudeleien und leeren Phrasen, sondern immer ernsthafte Auseinandersetzungen mit den jeweiligen Werken. Corinne Kohl hat ein Interview mit der Komponistin geführt über ihren ungewöhnlichen Werdegang – von der Anfangszeit als Bar-Pianistin über den Wusch und das Bedürfnis, zeitgenössische Musik zu schreiben, über ihre Ästhetik und ihre musikalische Sprache.

Am Schluss des aufschlussreichen Buches gibt es einen Werkkatalog und einige persönliche Texte von Albena Petrovic. Die Texte sind auch für den Nichtmusiker verständlich und bieten einen sehr interessanten Einblick in die musikalische Welt dieser spannenden Komponistin. „My opera World – Derrière les notes“ ist in französischer Sprache im Verlag „L’Octanphare“ erschienen.

Aufregende und hörenswerte Lieder

Fast zeitgleich erscheint die neue CD Sanctuary von Albena Petrovic. Hier entdeckt der Zuhörer zwölf Lieder nach Texten von Peter Thabit Jones, Else Lasker-Schüler, Friedrich Nietzsche, Egon Schiele und Albena Petrovic. Gesungen werden diese Lieder von der deutsch-senegalesischen Mezzosopranistin Anna Bineta Diouf. Sie wird am Klavier begleitet von Eugenia Radoslava. Dieses Album ist auf Solo Musica erschienen. Die Komponistin benutzt Texte, die (außer ihren eigenen) am Anfang des 20. Jahrhunderts geschrieben wurden und die, wie der Titel es vermuten lässt, sakrale, humanistische und pazifistische Botschaften vermitteln. Die Texte sind klug ausgewählt und Petrovics Musik passt hervorragend dazu. Jedem Lied einen speziellen Charakter zu verleihen, ist gerade in der zeitgenössischen Musik nicht immer einfach. Doch Albena Petrovic erweist sich hier als versierte Komponistin und schafft mit jedem Lied einen eigenen Kosmos. Das ist wirklich hochkarätig.

Und für hochkarätige Musik braucht man hochkarätige Interpreten. Und in dem Punkt krankt diese CD ein wenig, wie doch so viele Aufnahmen zeitgenössischer Musik, für die man nicht die richtigen Interpreten gewinnen kann. Die Pianistin Eugenia Radoslava agiert allerdings sehr feinfühlig und lotet die Musik bis ins kleinste Detail aus. Da wird wunderbar phrasiert oder scharf attackiert, da werden Farben erschaffen und verändert, Stimmungen beschworen und infrage gestellt. Bei dieser Vielfalt an pianistischem Ausdruck hätte es einer ebenbürtigen Sängerin bedurft. Leider ist die Mezzosopranistin Anna Bineta Diouf keine ideale Interpretin für dieses Repertoire. Die Stimme ist unflexibel und wirkt schlecht kontrolliert, sie flackert und tut in den Spitzentönen oft weh. Zumindest, was verschiedene Lieder anbelangt. Doch man merkt der Sängerin ihre Bemühungen um Gestaltung und Phrasierung an. Und vieles gelingt ihr auch sehr gut. Da gibt es sehr innige und intensive Momente, die tief empfunden sind und sie als eine engagierte Interpretin ausweisen.

Aber Diouf ist leider nicht zu einer gleichbleibenden Leistung fähig, sodass ihr Gesang immer zwischen schön und schrill hin- und herwechselt. Schuld daran ist aber auch die Aufnahmetechnik. Wie kann ein Produzent oder Aufnahmeleiter eine Sängerin so bloßstellen? Es gibt zudem keine nachvollziehbare Kommunikation zwischen Klavier und Gesang; doch während das Klavier ziemlich gut und räumlich eingefangen ist, hat man den Eindruck, die Sängerin würde dem Hörer direkt ins Ohr singen. Da die CD im Kammermusiksaal der Philharmonie aufgenommen wurde, hat man den Eindruck, als wäre die Sängerin ebenfalls sehr schlecht platziert gewesen. Trotz aller Einwände, die andere vielleicht nicht so erleben, ist Sanctuary von Albena Petrovic ein aufregendes und in jedem Falle hörenswertes Album.