25. Dezember 2025 - 10.49 Uhr
Domaine TageblattDolium nostrum: Die spinnen, die Römer!
Oftmals, aber fälschlicherweise, wird den Römern und Griechen die Erfindung des Weinbaus bzw. die Herstellung von Wein zugeschrieben. Aus Griechenland ist das nachweislich seit dem 16. Jahrhundert v. Chr. bekannt, in Italien begann die Vinifizierung rund 600 Jahre später. In beiden Ländern hat der Weinbau allerdings bis heute eine durchgehende Historie.
Die alten Ägypter waren noch wesentlich früher am Start. Bereits im 4. Jahrtausend v. Chr. wurden Reben aus Kanaan importiert und in der Spätantike gehörte Ägypten zum bedeutendsten Weinlieferanten für das römische Reich.
Die Wiege des Weinbaus findet sich jedoch in Georgien. Seit nunmehr 8.000 Jahren wird im Kaukasus-Staat Wein angebaut, das belegen archäologische Funde von Traubenkernen und Weinsäure. Soviel zum Geschichtlichen. Wie und in welchen Gefäßen wurde der Wein vor Jahrtausenden vergoren? Die Griechen benutzten Tonamphoren, die Römer das sogenannte Dolium und in Georgien benutzte man ein Quevri, ein großes Tongefäß, welches unterirdisch in die Erde eingelassen wurde. Diese Methode findet dort bis heute Anwendung und wurde 2013 von der Unesco in das immaterielle Weltkulturerbe aufgenommen.
Forschung meets Praxis
Weinmacher aus Europa beschäftigen sich seit geraumer Zeit mit den antiken Ausbaumethoden. So hat Corinne Kox aus Remich, als sie vor rund 10 Jahren in den elterlichen Betrieb eingestiegen ist, zwei Quevris in Georgien anfertigen lassen und baut darin alljährlich Weine aus den unterschiedlichsten Rebsorten aus. Jetzt beginnt das Abenteuer „Dolium“. Es ist übrigens auch unser Abenteuer, denn einige Liter des Tageblatt-Rivaners werden im Dolium ausgebaut.
Antonio Arcadu, aus der Nähe von Rom, ist Designer für Motorräder beim Hersteller Honda. Durch sein Interesse an Archäologie stieß er 2022 in Sant’ Imbenia auf Sardinien auf Skizzen und Zeichnungen von Amphoren (Dolium), wie sie vor 3.000 Jahren auf Sardinien gefertigt wurden. Hierbei entdeckte er im Web auch die noch älteren Quevris und fand dabei das Domaine Kox in Remich. Er suchte den Kontakt nach Luxemburg und brachte die Idee hervor, das Dolium zur Weinbereitung wiederzubeleben. Arcadu gründete das Projekt „Anfore Simbenia“ in Kooperation mit der sardischen Universität Sassari. Neben Laurent Kox fand er weitere interessierte Winzer in Rom und auf Sardinien und kreierte ein neues Modell aus den alten Vorlagen. Mit Leonardo Parisi aus Florenz (Artenova Ceramiche) fand er zudem einen kongenialen Partner zur Produktion der Amphoren mit einem Füllvolumen von 60 Litern.
Mit ins Boot stiegen dann ein Jahr später das Weingut Gostolai aus Oliena (Sardinien) und das Weingut La Torretta Bio aus Rom.

Erste Verkostung in Dalheim
Im Mai dieses Jahres fand im historischen Ambiente des gallo-römischen Theaters in Dalheim ein erstes Kolloquium statt, organisiert von der „Kulturvereinigung Duelem“, der italienischen Botschaft, den Handelskammern aus Italien und Luxemburg, dem Weinbauministerium sowie dem „Centre des monuments“. Zu Gast waren Archäologen und Kunsthistoriker aus Italien, die die symbolische Bedeutung der Amphoren als kulturelles Erbe unterstrichen. Hier konnten dann auch erstmals Weine der drei o.g. Weingüter verkostet werden.
Um die Weiterentwicklung des Projektes voranzutreiben, wurde für vergangene Woche zu einem zweiten Kolloquium nach Sardinien eingeladen, mit dem erklärten Ziel, das Projekt „Simbenia“ interessierten Winzern näherzubringen. Bei der mehrtägigen Veranstaltung in der Gemeinde Cabras war auch eine Delegation aus Luxemburg zu Gast, darunter Winzer Laurent Kox sowie David Weis, Direktor des INRA („Institut national de recherches archéologiques“). Mit den Professoren Luca Pulina, Antonella Camarda, Anna Depalmas, Erica Nocerino und Gianluigi Bachetta referierten Experten der Universitäten Sassari, Cagliari und Montpellier über die Historie der antiken Weinbereitung und fanden ausgesprochenes Lob für die Initiative von „Simbenia“, die nicht bei einem einmaligen Versuchsprojekt endete, sondern mittlerweile auf archäologischer und önologischer Forschung basiert.
Hommage an die Antike
Sowohl der Initiator Antonio Arcadu als auch Leonardo Parisi kamen beim Symposium zu Wort. Arcadu unterstrich hierbei, dass ihm das Projekt eine Herzensangelegenheit sei und er verlieh seiner Freude darüber Ausdruck, dass, neben den drei o.g. Protagonisten, sich in Sardinien bereits sechs Betriebe für das Projekt begeistern konnten und Weine im Dolium ausbauen. Parisi seinerseits betonte, dass jede Amphore von Hand gefertigt wird und dafür Ton aus Sardinien Verwendung findet.
Vom Auditorium und den Referenten mit Spannung herbeigesehnt war die anschließende Verkostung von drei Weinen von Kox, Gostolai und La Torretta. Kox hatte einen Auxerrois Grand Premier Cru mitgebracht, eine Rebe, die man in Italien nahezu nicht kennt. Sein im Dolium gereifter Wein fand großen Anklang, nicht minder die beiden anderen. La Torretta hatte sogar einen naturreinen, unfiltrierten Wein abgefüllt.

In einer sich anschließenden „Table ronde“ berichteten die drei Weinmacher von ihren Erfahrungen mit der Weinbereitung im Dolium und ihre Beweggründe, auf die antike Methode zurückzugreifen. Hier führten die Protagonisten unisono die Neugier an, aber auch eine Hommage an die Antike. Ricardo Magno (La Torretta) baut im Übrigen alljährlich mehrere Weine in Quevris aus.
Wir stellen die Frage in den Raum: Wer sind die Konsumenten dieser besonderen Erzeugnisse? Es braucht in erster Linie entsprechende Marketingmaßnahmen, Web-Auftritte, um auf sich aufmerksam zu machen, erfahren wir hierzu. All dies fördert auch den Bekanntheitsgrad der Betriebe. Nahezu alle Winzer haben zur Zeit zwei Amphoren im Gebrauch, das macht 120 Liter bzw. 180 Flaschen, also relativ kleine Mengen. Gefragt sind die Amphorenweine im Besonderen in den USA und auch in den Niederlanden. Interessierte Kundschaft gibt es aber auch in Italien und Luxemburg.
Was kommt alles so ins Fass?
Weiter stellte sich die Frage: Eignet sich eigentlich alles für den Ausbau in der Amphore, was kommt in das Tongefäß? Auf Sardinien, erklärt Tonino Arcadu (Gostolai), bevorzuge man autochthone Rebsorten wie Cagnulari oder Nuragus. Im Latium bevorzugt man Malvasia und Trebbiano. Laurent Kox hat mit einem Elbling begonnen, danach einem Auxerrois. Und nun reift auch ein Teil der „Domaine-Tageblatt-Ernte“ (Rivaner) in einem Dolium.
Aber wie unterscheidet sich eigentlich ein Dolium vom Quevri? „Beim Quevri erfährt der Wein eine Interaktion mit der Erde, die das Gefäß umgibt“, erklärt Laurent Kox. „Im Dolium ist es die Interaktion mit Sauerstoff. Der Gärprozess dauert ein wenig länger als bei den modernen Methoden, der Wein liegt auch etwas länger auf der Hefe. Er behält jedoch seine sortentypische Charakteristik und nimmt einen leichten Geschmack vom Ton an.“

Die Historie des Weinbaus in Luxemburg tieffgründiger zu erkunden, ist auch das erklärte Ziel von INRA-Direktor David Weis. Die wissenschaftlichen Vorträge in Dalheim hatten ihn inspiriert, den Fokus seiner künftigen Arbeit darauf auszurichten. Moderne Gentests ermöglichen heutzutage Analysen der Rebsamen in entsprechenden Fundstücken. Hier hofft er, in Zukunft auch bei Ausgrabungen im Großherzogtum fündig zu werden.
Bleibt am Ende der spannenden Exkursion noch die Frage: Hat die antike Methodik Zukunft, oder ist und bleibt es ein Nischenprodukt? Hierzu gibt es eine einhellige Meinung der drei Winzer. „Das ist und bleibt ein Experiment. Ein kleiner Kundenkreis ist interessiert, das ergibt auch einen gewissen Multiplikationsfaktor und der ein oder andere von uns wird sich dann wohl auch noch mit weiteren Amphoren bestücken. Aber ja, es ist nur eine Nische!“
In Luxemburg hat, neben Laurent Kox, auch OPVI-Präsident Guy Krier (Domaine Krier-Welbes) Amphoren. Ähnliche Gefäßtypen, z.B. aus Beton, nutzen die Domaine Sunnen-Hoffmann sowie die Domaine Frank Kayl. Unser Fazit: Die spinnen doch nicht, die Römer!
De Maart
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