Tuvalu ragt an seiner höchsten Stelle gerade mal fünf Meter aus dem Wasser. Während andere Länder diskutieren, wie sie Häuser und Infrastruktur vor dem steigenden Meeresspiegel retten können, so geht es bei dem kleinen Inselstaat im Pazifik um die Existenz des gesamten Landes. Außenminister Simon Kofe machte dies zuletzt in seiner Rede beim UN-Klimagipfel in Glasgow mit einiger Dramatik deutlich: Kofe stand dabei – im Anzug und mit Krawatte – bis zu den Oberschenkeln im Wasser.
Die Aktion mag auf den ersten Blick witzig anmuten, doch sie hatte einen ernsten Hintergrund. Denn der durch die globale Erwärmung steigende Meeresspiegel wird die Nation voraussichtlich bis 2100 unter Wasser setzen. Damit wird Tuvalu unbewohnbar werden und seine 12.000 Einwohner werden ihre Heimat verlassen müssen. Deswegen plant das Volk schon jetzt, wie das Erbe des Pazifikstaates trotz seines wahrscheinlichen Untergangs bewahrt werden kann.
Gibt es Tuvalu bald nur noch virtuell?
Eselealofa Apinelu, Tuvalus ehemalige Generalstaatsanwältin und derzeitige Hochkommissarin für Fidschi, sagte während einer Pazifik-Konferenz vor Kurzem, dass die Tuvaluaner etwas brauchen würden, „an dem sie sich festhalten“ könnten. Als eine Möglichkeit nannte sie einen sogenannten digitalen Zwilling des Inselstaates, in dem auch Tuvalus Kultur und Werte verankert würden.
Digitale Zwillinge sind virtuelle Nachbildungen der physischen Welt. Sie sammeln Informationen und Daten über Sensoren und Drohnen, die dann mit Hilfe von Analytik-Tools, maschinellem Lernen und Künstlicher Intelligenz kombiniert werden. Der Zwilling könnte in einer Art Metaversum untergebracht werden, eine digitale Welt, wie sie Facebook-Chef Mark Zuckerberg gerade plant.
Tuvalus „letzte Option“
„Es muss irgendwo gespeichert werden, dass es ein Land namens Tuvalu gab“, meinte Apinelu in ihrer Ansprache, die der Guardian zitierte. Das Ganze sei ein wenig wie „die letzte Option“ für den Inselstaat. Sollte das Unglück tatsächlich eintreten und Tuvalu verschwinden, so könnten Generationen von Tuvaluanern wenigstens noch die digitalisierte Idee des Landes ansehen. Auch Tuvalus Außenminister Kofe erwähnte im letzten Jahr bereits, dass sein Land nach legalen Wegen suche, um ein Staat zu bleiben, selbst wenn der Inselstaat physisch verschwinde.
Da die Existenz der Inseln seit Jahren bedroht ist, wird auch immer wieder das Thema Umsiedlung der Bevölkerung thematisiert. Apinelu forderte, dass andere Länder den Tuvaluanern die Migration erleichtern sollten. Die Menschen sollten potenzielle neue Heimatländer erkunden können, bevor die steigenden Gezeiten sie zur Migration zwingen würden. Neuseeland beispielsweise hatte 2014 als erstes Industrieland den Klimawandel als Fluchtgrund anerkannt. Damals war eine Familie aus Tuvalu in Neuseeland aufgenommen worden.
Singapur wurde bereits „geklont“
Dass die Idee eines digitalen Zwillings nicht abwegig ist, zeigte im Juni das in Singapur ansässige Unternehmen Vizzio Technologies. Vizzio baute ganz Singapur nach und schaffte damit den digitalen Zwilling einer gesamten Nation. Der virtuelle Klon des Stadtstaates wurde innerhalb von nur zwei Wochen erstellt. Der digitale Zwilling rekonstruiert die gesamte Stadt, Block für Block, Straße für Straße.
Im nächsten Schritt will Vizzio eine Metaverse-Version von Singapur herausbringen, die zur Unterhaltung und Gamifizierung dienen soll. Laut Vizzio könnte mit der Technik, die Fotos aus verschiedenen Quellen mit Künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen kombiniert, die gesamte Welt „geklont“ werden.
De Maart
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