22. November 2025 - 9.23 Uhr
COP30Die Weltklimakonferenz in Belém geht in die Verlängerung: vier Luxemburger Teilnehmer äußern sich dazu
Andrew Ferrone: Der Wissenschaftler im Ministerium
Die globalen Temperaturen steuern schnell auf die 1,5-Grad-Grenze zu, und nur eine rasche Reduktion der Treibhausgasemissionen auf Netto-Null kann diesen Trend stoppen. Allerdings haben viele Länder im aktuellen geopolitischen Kontext andere Prioritäten, als ihre klimapolitischen Ambitionen hochzuschrauben oder kehren gar – wie die USA – der internationalen Klimadiplomatie ganz den Rücken. Für Andrew Ferrone, den Direktor für europäische und internationale Angelegenheiten im Ministerium für Umwelt, Klima und Biodiversität, ist es bereits der zehnte UN-Klimagipfel, „Conference oft the Parties“ (COP) genannt. „Die Stimmung ist allgemein positiv“, beurteilt er die Lage wenige Tage vor dem Ende der Mammutveranstaltung, zu der rund 50.000 Menschen nach Belém, die Millionenstadt am Amazonasdelta, gekommen sind. „In der ersten Woche fanden die Diskussionen vor allem auf technischem Niveau statt, die wurden am vergangenen Samstag abgeschlossen.“
Der physikalische Klimatologe weiß, dass es in der zweiten Woche darum geht, auf politischer Ebene möglichst viel in schriftlichen Entscheidungen zu fassen. „Die brasilianische Präsidentschaft der Klimakonferenz macht Druck“, stellt er am Mittwoch fest. „Der brasilianische Präsident war hier, um den Verhandlungen eine Richtung vorzugeben. Die Brasilianer haben das Ruder übernommen und sich ambitionierte Ziele gesetzt.“ Im großen Plenarsaal werden die nationalen Statements abgegeben, zu Verhandlungen kommt es dann in kleinen Gruppen. Angeführt wird die Europäische Union diesmal von den Dänen, die die Europäische Ratspräsidentschaft innehaben. Auch Luxemburgs Umweltminister Serge Wilmes hat für die Europäische Union die Entscheidung zum sogenannten Global Stocktake, einem Teil des Mechanismus vom Pariser Klimaabkommen 2015, verhandelt. „In Dubai wurde eine Art Kassensturz gemacht“, sagt Ferrone. „Nun gilt es darüber zu sprechen, was es zu verbessern gibt, und die Entscheidungen aus Dubai umzusetzen.“

Bis zum letzten Tag wird darum gerungen, wie die einzelnen Punkte umzusetzen sind. „Dazu gehört, weg von den fossilen Brennstoffen zu kommen“, erklärt der Luxemburger, „die erneuerbaren Energien bis 2030 zu verdreifachen und die Energieeffizienz zu verdoppeln.“ Mehr als 80 Länder, darunter Luxemburg, fordern eine Roadmap „Transitioning away from fossil fuels“. Obwohl die Verhandlungen, bis zum letzten Mittwoch, wider Erwarten zügig vorangingen, sei schon Tage vorher davon auszugehen gewesen, dass die Deadline, Freitag, 18 Uhr, nicht einzuhalten sei. „Fast alle COPs gehen in die Verlängerung“, weiß Ferrone. Von 29 bisherigen Weltklimakonferenzen sind nur drei pünktlich zu Ende gegangen. „Es wird wieder bis nach Mitternacht diskutiert“, so der Luxemburger Experte. „Aber die brasilianische Präsidentschaft scheint einen klaren Plan zu haben.“ Neben den formellen Verhandlungen hat sie unter anderem die „Tropical Forest Forever Facility“ (TFFF) in die Wege geleitet, einen Mischfinanzierungsmechanismus, der Länder dazu anregen soll, die Abholzung und Degradierung der Regenwälder zu verhindern.
Dass es am Ende noch länger wird, kann die luxemburgische Delegation bestätigten. Sie teilte gestern Abend mit: „Der aktuelle Text ist zu schwach, inakzeptabel in seinem Kernstück, was die Senkung der Treibhausgase angeht. Die Europäische Union muss einen klaren Prozess sehen für Ambitionen bei der Minderung, bevor wir dem Text zustimmen können.“
Lara Bertemes: die Jugenddelegierte
Kurz bevor sie mit dem Tageblatt telefonieren möchte, ist auf dem Klimagipfel ein Brand ausgebrochen. Die Halle wird evakuiert. Unter den Evakuierten ist auch Lara Bertemes. Zusammen mit Sarah Mackel ist sie als „Climate Youth Delgate“ gewählt worden, um Luxemburg bei der Weltklimakonferenz zu vertreten. Vor Ort werden die beiden an Verhandlungen teilnehmen. „Es ist sehr gut, dass wir in die Delegation integral einbezogen sind. Wir können uns auch auf der Ebene der EU-Jugenddelegierten einbringen und unsere Kommentare weitergeben.“ Für die 26-Jährige ist es das erste Mal, dass sie an einer COP teilnimmt. „Als wir hier ankamen, war es erst mal überwältigend“, erzählt sie. „Ich bin, um von einem zum anderen Ende des Geländes zu kommen, 15 Minuten gegangen.“ Lara Bertemes ist mittlerweile eine Woche in dem COP-Gelände. Morgens um 6.20 Uhr aufstehen, dann los zur COP, und abends, wenn es früh dunkel wird, wieder zurück – sie kommen kaum zum Schlafen. Allerdings sehe sie auch nicht viel von der Außenwelt, von Belém und vom Amazonas. „Beim Anflug kurz vor der Landung sah ich den Regenwald und dachte sofort, dass ich niemals verstehen werde, wie man etwas so Schönes zerstören kann.“

Sie sei gespannt auf die sogenannte Roadmap. Positiv fand sie auch die „Deklaration von Kolumbien“, sagt Lara Bertemes. Unter der Führung des südamerikanischen Landes haben 24 Staaten die Belém-Erklärung für einen Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen unterzeichnet, mit der die Agenda vorangetrieben werden soll. Innerhalb der COP versucht sie immer wieder, sich mit anderen jungen Leuten vor allem aus dem Globalen Süden auszutauschen. „Es schockiert zu hören, wie viele von ihnen direkt vom Klimawandel betroffen sind“, sagt die junge Frau, die erst kürzlich ihr Studium im Bereich Nachhaltigkeit in den Niederlanden abgeschlossen hat. „Wir versuchen, die Position der Jugend hier geltend zu machen.“ Unter den zahlreichen Begegnungen waren auch jene mit Indigenen aus Brasilien, mit denen sie sich austauschen konnte. Während der COP seien auf Druck der Zivilgesellschaft zehn neue Indigenen-Territorien anerkannt worden. Allgemein sehe sie sich als Brückenbauerin zwischen den Verhandlern auf EU-Level, der Zivilgesellschaft und den Jugendlichen. „Ich bin ja nicht hier, weil ich keine Hoffnung habe“, sagt sie. „Hier bekomme ich so viel Input.“ Das stimme sie optimistisch.
David Hoffmann, Raymond Klein: Vertreter der Zivilgesellschaft
„Ständig kommen neue Textversionen rein“, sagt David Hoffmann, der zusammen mit Raymond Klein die „Action Solidarité Tiers Monde“ (ASTM) in Belém vertreten. Jeden Tag gilt es, neue Fassungen zu analysieren, etwa des „Fossil Fuel-Phase-Out“. Die COP steuerte gestern auf eine entscheidende Auseinandersetzung über die Zukunft fossiler Brennstoffe zu, nachdem Gastgeber Brasilien seine Bemühungen um einen globalen Plan zur Abkehr von Öl, Gas und Kohle aus seinem vorgeschlagenen Abkommen fallen gelassen hatte. Ein vor Tagesanbruch veröffentlichter Entwurf für ein Abkommen zum diesjährigen UN-Klimagipfel enthielt keinen Hinweis auf fossile Brennstoffe und ließ eine Reihe von Optionen zu diesem Thema, die in einer früheren Version enthalten waren, vollständig weg. Das Thema war eines der umstrittensten auf der Konferenz. „Brasilien will das mit einer Aufstockung der Finanzen verbinden“, erklärt Raymond Klein. „Das ist in etwa die allgemeine Position des Globalen Südens. Die EU hat sich dabei eher etwas zurückgehalten. Außerdem gibt es innerhalb der EU nach wie vor Differenzen.“ Während Luxemburg unter den Ländern sei, die Druck auf einen möglichst guten Abschluss der COP machen, blockieren vor allem Italien und Polen. Auch Frankreich verhalte sich zurückhaltend, Dänemark gibt hingegen im Bereich der Mitigation die Ziele vor. Derweil wollte die brasilianische Regierung unter Lula da Silva möglichst ein schnelles Ergebnis, bevor er gestern zum G20-Gipfel nach Südafrika flog. „Dort wollte er nicht mit leeren Händen ankommen“, mutmaßt David Hoffmann.

Positiv an der diesjährigen COP finden die beiden ASTM-Repräsentanten, dass die Zivilgesellschaft „viele Freiheiten hat“, so Hoffmann. „In dieser Hinsicht verhält sich Brasilien vorbildlich im Vergleich zu den vorigen COPs. Außerdem sind auch die Indigenen an den Diskussionen beteiligt. Doch nicht alle werden angehört. Alles in allem ist es aber eine viel offenere und dynamischere COP als die letzten drei in Ägypten, den Vereinigten Emiraten und Aserbaidschan.“ So gab es zum Beispiel die Cúpula dos Povos, den Alternativgipfel, der zeitgleich auf dem Campus der Universität des Bundesstaates Pará in Belém stattfand. 20.000 sollen an der Cúpula teilgenommen haben. Ein gutes Bild habe auch die luxemburgische Delegation abgegeben. „Die luxemburgische Delegation machte einen wichtigen ersten Schritt in der Anpassungsfinanzierung und unterstützte ambitionierte Passagen für den Ausstieg aus fossilen Energien“, so David Hoffmann, „und war eine der wenigen, die man als offensiv bezeichnen kann.“
Dass es am Freitagabend wieder in die Verlängerung ging, ist schließlich dem Fehlen von fossilen Energieträgern im Abschlusstext geschuldet. Nachdem Vorschläge für einen Fahrplan zum Ausstieg aus Öl, Gas und Kohle herausgestrichen wurden, forderten einige Länder, darunter Luxemburg, eine deutliche Nachbesserung. Der aktuelle Entwurf erhalte nicht einmal die Mindestbedingungen. Dem Text fehle es an Ehrgeiz. Während der brasilianische COP-Präsident André Corrêa do Lago für Kompromissbereitschaft plädierte, sagte Raymond Klein im Telefongespräch mit dem Tageblatt, dass ein „mittelmäßiger Kompromiss eher eine Enttäuschung“ sei.
De Maart

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