Montag20. Oktober 2025

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ForumDie Weltgeschichte ist keine moralische Veranstaltung, findet Robert Goebbels

Forum / Die Weltgeschichte ist keine moralische Veranstaltung, findet Robert Goebbels
Wer den Anspruch auf „Werte-Verteidigung“, „Moral“ und „Ethik“ erhebt, darf auf keinem Auge blind sein. Auch nicht gegenüber Israel, Saudi-Arabien oder dem Qatar. Foto: Rizek Abdeljawad/XinHua/dpa

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Es gab im 20. Jahrhundert immer wieder Versuche, die zwischenstaatlichen Beziehungen zu „moralisieren“ und Kriege zu ächten.

Etwa durch den 1928 initiierten Kellog-Briand-Pakt, ausgearbeitet durch die Außenminister der USA und Frankreichs. Laut dem alle Nationen freiwillig auf Angriffskriege verzichten sollten. Immerhin unterzeichneten 58 Staaten, damit praktisch alle damals unabhängigen Länder, die hehre Absichtserklärung. Darunter Japan und Deutschland. Was Japan nicht davon abhielt, 1931 die Mandschurei zu überfallen. Und Hitler nicht daran hinderte, sich die Tschechoslowakei einzuverleiben und in Polen einzufallen. Während gleichzeitig Stalin die baltischen Staaten und Teile von Finnland und Polen vereinnahmte.

Robert Goebbels ist ehemaliger LSAP-Minister und Europaabgeordneter
Robert Goebbels ist ehemaliger LSAP-Minister und Europaabgeordneter Foto: Editpress/Didier Sylvestre

Mit dem Beitritt zu den Vereinten Nationen verpflichteten sich alle 193 Mitgliedstaaten, die „Bedrohungen des Friedens zu verhüten und zu beseitigen“ (Art.1). Sowie „jede gegen die territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtete (…) Anwendung von Gewalt“ (Art. 2.3) zu unterlassen.

Die letzten 80 Jahre sind gespickt mit vielen Verstößen gegen die UN-Charta. Woran selbst alle Veto-Mächte des Sicherheitsrates mehrfach beteiligt waren. Man darf dies bedauern und beklagen. Doch war und bleibt die Weltgeschichte keine moralische Veranstaltung.

Immer wieder maßen sich größere, manchmal auch kleinere Staaten an, Schwächeren ihren Willen aufzuzwingen. Etwa um territoriale Ansprüche durchzusetzen. Wie nunmehr Putins Russland gegenüber der Ukraine. Oder Netanjahus Israel gegenüber den Palästinensern in Gaza oder Westjordan.

Die Unmoral gewalttätiger Machtanwendung wird immer „moralisch“ eingewickelt. Putin geht angeblich gegen ukrainische Faschisten und Neo-Nazis vor. Netanjahu nutzt die Terroranschläge vom 7. Oktober 2023 als willkommenen Vorwand, um ein Israel in einer biblischen Breite zu schaffen, das es nie gab. Wer es wagt, die massiven Tötungen, die Vertreibung und das Aushungern der Palästinenser zu kritisieren, kann nur ein Antisemit sein.

Geschichte, neu interpretiert

Es sind die Sieger, welche die Geschichte schreiben. Vielleicht der Grund, weshalb Verlierer sich gerne in Nostalgie üben. Sich durch die Verklärung ihrer nationalen Helden um Geschichtsklitterung bemühen.

Für Putin war der Zusammenbruch der Sowjetunion „die größte Katastrophe des 20. Jahrhunderts“. Beim Treffen Putin-Trump in Alaska trug der russische Außenminister Lawrov demonstrativ einen Pulli mit der Aufschrift „CCCP“. In kyrillischen Buchstaben das Kürzel für „Union der Sozialistischen Sowjetischen Republiken“. Dass der Massenmörder „Väterchen Stalin“ in Putins Russland eine Renaissance erlebt, entspricht dem Willen der Machthaber in Moskau, sich erneut als „Großmacht“ zu etablieren.

Auch in anderen Staaten werden zweifelhafte Helden verehrt. In Frankreich feiert man weiterhin den „großen Napoleon“. Der quer durch Europa für Mord und Totschlag sorgte. Oder in China den „weisen Mao“. Verantwortlich für Hungersnöte und Massenverfolgungen. In den USA rehabilitiert Trump Bürgerkriegsgeneräle, die für den Erhalt der Sklaverei kämpften. In seiner pathetischen Selbstüberschätzung trägt der US-Präsident neuerdings eine rote Kappe mit der Aufschrift „Trump was right about everything“. Wenn er es sagt, muss es wohl stimmen …

Mit diesem päpstlichen Unfehlbarkeitsanspruch wollte der Kandidat Trump den Ukraine-Krieg „binnen 24 Stunden“ beenden. Nach über einem halben Jahr Präsidentschaft schaffte Trump es bloß, Putin wieder hoffähig zu machen. Dennoch sollten gerade die Europäer sich in einer wohlverstandenen Solidarität mit Selenskyj und der geschundenen Ukraine für einen schnellen Waffenstillstand einsetzen. Die Ukraine wird den Krieg gegen die Atommacht Russland nicht gewinnen. Putin opfert ohne Gewissensbisse sein größeres Menschenmaterial in einem blutigen Stellungskrieg, der für die Ukraine immer ungünstiger wird. Nicht mehr Panzer, wie in Weltkrieg II, sondern Drohnen sind entscheidend. Wobei die Ukraine nur zögerlich beliefert wird und ihr die für Moskau richtig gefährlich werdenden Raketen-Systeme verweigert werden. Trump liefert ohnehin nur mehr Waffen, wenn die Europäer dafür zahlen.

Päpstlicher Rat

Der verstorbene Papst Franziskus wurde gescholten, weil er bereits vor einigen Monaten die Ukraine dazu aufrief, „den Mut zur weißen Flagge und zu Verhandlungen zu haben“. Das war keineswegs eine „Legitimierung des Rechts des Stärkeren“, sondern die Erkenntnis, dass die Ukraine bereits mehrere Hunderttausend Tote und Verletzte zu beklagen hat, ohne in der Lage zu sein, ihr „moralisches Recht“ auf Wiedergewinnung der russisch besetzten Territorien umzusetzen.

Die europäischen Moral-Apostel, welche ohne eigenes Risiko bereit sind, Putin bis zum letzten Ukrainer zu bekämpfen, sollten zumindest ihre hohen Ansprüche auch gegenüber Israel geltend machen. Man kann nicht russischen Landraub in der Ukraine verurteilen, gleichzeitig den israelischen Landraub in Gaza und Westjordan ignorieren.

Gaza ist kein Land der Bibel. Der Palästinenser-Staat in Westjordan entstand durch Beschlüsse der UNO und aufgrund internationaler, auch von Israel ratifizierter Verträge. Die Eigenstaatlichkeit Palästinas ist anerkannt durch 147 der 193 UN-Staaten. Im September wollen Frankreich, Großbritannien, Australien und weitere Staaten diese Drei-Viertel-Mehrheit verstärken. Darunter hoffentlich auch Luxemburg. Eine Anerkennung Palästinas wird nicht alle Probleme lösen. Die derzeitige israelische Regierung versucht mit Waffengewalt einen eigenständigen Staat Palästina zu vereiteln. Durch die Errichtung neuer Kolonien im Westjordan. Sowie die mögliche Annexierung von Gaza. Vor allem hat der faschistoide Finanzminister Smotrich den Bau von 3.400 neuen Hauseinheiten durchgesetzt, welche Jerusalem von der West-Bank abtrennen und somit einen palästinensischen Staat in zwei Teile aufspalten.

Netanjahu kann bei seinem Vernichtungsfeldzug auf Trump und dessen evangelistischen Eiferer setzen. Der US-Präsident hat ohnehin keinen Bezug auf „Werte“ oder „Moral“. Bei seinem Besuch in den Golfstaaten ließ er sich nicht nur einen Boeing der Luxus-Klasse schenken. Seinen muslimischen Gastgebern versicherte er, unter seiner Autorität würde Washington ihnen „keine Vorträge halten, wie Ihr zu leben habt oder Ihre Angelegenheiten regeln solltet“.

Ist Moral „dehnbar“?

Letzteres ist leider eine Lieblingsbeschäftigung der EU-Europäer. Doch wer in dieser Welt für die zwischenstaatlichen Beziehungen den Anspruch auf „Werte-Verteidigung“, „Moral“ und „Ethik“ erhebt, darf auf keinem Auge blind sein. Auch nicht gegenüber Israel, Saudi-Arabien oder dem Qatar.

Gleichzeitig gebietet der reale Zustand der Welt die Einsicht, dass absolute Werte für die von Kriegswirren betroffenen Menschen sehr relativ sind. Ein Hungernder will zuerst ernährt werden. In Gaza, im Sudan, anderswo. Niemand will ein Opfer von Bomben und Raketengeschossen werden. Die Beendigung der Gemetzel von Zivilbevölkerung, sei es in der Ukraine, in Gaza (oder in Libanon, Syrien und selbst dem Iran), ist höher anzusetzen als selbstgefällige Prinzipien.

Deshalb sollte man Trump beim Wort nehmen. Ihn auffordern, seinen „Freund“ Putin zu einem wirklichen Frieden in der Ukraine zu zwingen. Selbst wenn dieser nicht ohne territoriale Verluste für die Ukraine sein wird. Gleichzeitig ist ein Veto gegen Netanjahus Krieg in Gaza und dessen Landraub in Palästina überfällig. Ohne zwei Staaten wird es keinen dauerhaften Frieden für Israel wie Palästina geben. Von dem ebenfalls der Libanon und Syrien profitieren würden. Selbst wenn es dabei zu moralisch unbefriedigenden Grenzbegradigungen kommen sollte.

Wie die Weltgeschichte zeigt, schaffen neue Realitäten eine neue Moral. Die historisch gesehen immer dehnbar war.

fraulein smilla
30. August 2025 - 9.46

Das CCCP auf Lawrovs Pulli waren keine kyrillischen Buchstaben , sondern lateinische . -CuCurrruCuCu Paloma .

Grober J-P.
29. August 2025 - 10.21

Und jetzt Messiö Robert, Ihre Vorschläge , aber konkret bitte!

Grober J-P.
29. August 2025 - 10.18

"Doch war und bleibt die Weltgeschichte keine moralische Veranstaltung." Sollte man einfach stillsitzen, wenn einem der Kopf eingeschlagen wird? Danke Wladimir, dass ich endlich entnazifiziert werde. Danke Bibi, dass man mich endlich von dieser Hamas befreit? Danke Donald ................. Haben Sie mal mit Ukrainern geredet?

Hottua Robert
29. August 2025 - 7.41

Die von Ihnen, Herr GOEBBELS, erwähnte Tatsache der päpstlichen Unfehlbarkeit hat auch für den Rechtsstaat Luxemburg (moralisch) unbefriedigende Tatsachen geschaffen. Darüber zu reden schafft eine neue salutogene Realität, nicht nur in Luxemburg. MfG, Robert Hottua