26. Oktober 2025 - 11.19 Uhr
DeutschlandDie vielen Aktivitäten des Ex-Bundesfinanzministers Christian Lindner
Von wegen Babypause: Der frühere FDP-Chef und Bundesfinanzminister Christian Lindner ist schon seit April wieder „voll berufstätig“, wie er mitteilt. „Viele internationale Konferenzen als Referent. Ab November übernehme ich dann Rollen in verschiedenen Unternehmen“, schreibt der 46-Jährige per Kurznachricht. Im April war auch sein erstes Kind, die gemeinsame Tochter mit der früheren TV-Journalistin und Ehefrau Franca Lehfeldt, zur Welt gekommen. „Wir sind überglücklich und fühlen große Dankbarkeit, dass wir jetzt eine Familie sind“, hatten damals Lindner und Lehfeldt in den sozialen Medien geschrieben.
Der Geburtstermin war für Lindner aber offenbar auch der Startpunkt für eine neue Karriere in der Wirtschaft. Als Referent dürfte er zunächst noch mehr Zeit für die Mitbetreuung des Babys gehabt haben. Ab November wird das wohl seltener möglich sein: Lindner hat mehrere Aufsichtsratsmandate angenommen, in Hamburg eine eigene Beteiligungsgesellschaft für Start-ups gegründet – und will nun auch beim US-Beratungsunternehmen Teneo einsteigen, das Top-Führungskräfte vor allem in politischen Fragen unterstützt. Die Erfahrungen, die Lindner auf höchster Regierungsebene gesammelt habe, sowie seine ökonomische Expertise qualifizierten ihn als Berater für die Kunden Teneos, erklärte Teneo-Chef Paul Keary. Er wolle zum Erfolg von Unternehmen in unsicheren Zeiten beitragen, betonte Lindner.
Der frühere Bundesfinanzminister war am 6. November 2024 von Bundeskanzler Olaf Scholz entlassen worden, nachdem zwischen FDP sowie Rot-Grün keine Einigkeit mehr über die Haushaltspolitik erzielt werden konnte. Die Ampelkoalition war gescheitert. Bei der vorgezogenen Bundestagswahl am 23. Februar scheiterte die FDP dann an der Fünf-Prozent-Hürde – und Lindner erklärte noch am Abend seinen kompletten Rückzug aus der Politik.
LobbyControl warnt vor Interessenkonflikt
Für ehemalige Regierungsmitglieder gilt in Deutschland eine Karenzzeit von zwölf Monaten zwischen dem Ausscheiden aus dem Amt und der Übernahme von Jobs in der Wirtschaft. Dadurch sollen Interessenkonflikte verhindert werden. In Ausnahmefällen kann diese Frist auf 18 Monate verlängert werden, wenn öffentliche Interessen gefährdet sind. In der Karenzzeit muss die Bundesregierung den Wechsel genehmigen. Mehrere Aufsichtsratsmandate, unter anderem beim Personaldienstleister Stepstone, hat die Merz-Regierung bereits genehmigt. Nun liegt ihr ein weiteres Begehren vor: der Teneo-Einstieg. Lindner wollte offenbar auf Nummer sicher gehen, denn eigentlich liefe für ihn die Karenzzeit am 7. November ab.
Der Teneo-Job ist aus Sicht von Anti-Lobbyismus-Organisationen besonders problematisch und sollte deshalb nicht erlaubt werden. Denn Teneo berät auch Manager der italienischen Großbank UniCredit, die versucht, die deutsche Commerzbank gegen den Willen der Bundesregierung zu übernehmen. Unter Lindner als Finanzminister hatte der Bund Anteile an UniCredit veräußert, was den Italienern wohl erst die Chance auf die unfreundliche Übernahme eröffnete. Die Nichtregierungsorganisation LobbyControl warnte vor einem „handfesten Interessenkonflikt“. Es könne „kaum sichergestellt werden, dass Lindner sein Kontaktnetzwerk nicht für Lobbykunden aus seinem früheren politischen Verantwortungsbereich nutzt“, sagte ein Sprecher.
Dieser Meinung ist auch Sebastian Schäfer, der Chef-Haushälter der Grünen-Fraktion. Der Wechsel Lindners zu Teneo „wirft erhebliche Fragen zur Wahrung von Transparenz und zur Vermeidung politischer Interessenkonflikte auf“, sagt Schäfer. „Der Teilverkauf der Commerzbank-Anteile war vom Bundesfinanzministerium unter Lindners Führung ausgesprochen schlecht gemanagt worden. Nur so ist die schwierige Situation mit einer drohenden UniCredit-Übernahme überhaupt entstanden.“
Unionsfraktion sieht keine Probleme
Lindner selbst weist diese Kritik zurück. „Die Bundesregierung soll und wird mögliche Interessenkonflikte prüfen. Dafür gibt es die entsprechenden Verfahren“, hieß es aus Lindners unmittelbarem Umfeld. „Der Vorgang Commerzbank und UniCredit lief seinerzeit bekanntlich unterhalb der Ministerebene“, so sein Umfeld. „Aber ohnehin werden weder Lobbyarbeit gegenüber der Regierung noch Transaktionen Gegenstand der Tätigkeit sein.“
In der Union hält man den Wechsel zu Teneo für unproblematisch. „Christian Lindners geplanter Wechsel ist genehmigungsfähig, sofern Transparenz und Karenzzeiten eingehalten werden“, sagt Unionsfraktionsvize Sepp Müller. „Politik und Wirtschaft dürfen keine Gegensätze sein – ihr Austausch kann beiden Seiten nutzen, wenn er offen und regelbasiert geschieht“, sagt der CDU-Wirtschaftspolitiker.
Im Hamburger Elysée-Hotel konnte Lindner Mitte Oktober das große Interesse von Wirtschaftsvertretern an seiner Person bestätigt sehen: Zum „Powerday“ des Netzwerkers Bernhard Schindler kamen mehr als 220 Unternehmer, um Lindners Auftritt zu erleben. „Von 9.30 Uhr bis Mitternacht verband der Powerday alles, was modernes Unternehmertum ausmacht: Inspiration, Begegnung, Partnerschaft – und ein kulinarisches Erlebnis auf Spitzenniveau“, schwärmte der Veranstalter.
De Maart
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