11. November 2025 - 6.36 Uhr
Abschied mit Tränen in den AugenDie Sendemasten in Junglinster verschwinden – für die Einwohner ist es eine Katastrophe
„Das ist das Schlimmste, was passieren kann“, sagt eine Frau in einem Café im Ortskern. Es ist noch früh am Abend, das Lokal ist ziemlich leer. Die Frau sitzt mit ihrem Partner am Tresen und erzählt, dass sie in Junglinster aufgewachsen und vor einigen Jahren wieder hingezogen ist. Früher hat sie als Kind unter den Sendemasten gespielt. Jetzt hat sie von ihrem Haus freien Blick auf die Antennen. Und sie schaut gerne hin. „Ich frage mich ständig, wie lange noch“, sagt sie. Auch ihrem Partner, der eigentlich aus dem Luxemburger Süden kommt, sind die Türme ans Herz gewachsen. „Während der Nachtschicht sehe ich sie immer im Dunkeln blinken“, erzählt er. Wären sie weg, würde ihm etwas fehlen.
Die rot-weißen Antennen von Junglinster sollen verschwinden. Dann ist eine Ära vorbei. Fast 100 Jahre lang thronten über „Lënster“ die imposanten Stahlriesen. Denn der Betreiber der Anlage, „Broadcasting Center Europe“ (BCE), will das Gelände umgestalten. In Betrieb sind die drei Masten schon lange nicht mehr: Seit den frühen 1970er Jahren dienten sie nur noch als Reserve für die damals neuen Langwellen-Antennen in Beidweiler, vier Kilometer Luftlinie von der Anlage in Junglinster entfernt, die ihrerseits im Januar 2023 abgeschaltet wurden.
Türme werden definitiv abgerissen
„Sie (die Betreiber, Anm. d. Red.) haben klar entschieden, dass die Türme abgerissen werden“, bestätigt Ben Ries (DP), Bürgermeister von Junglinster. Die Sendemasten, die heute dort stehen, wurden 1954 bzw. 1959 errichtet – und einige Jahre später auf ihre aktuelle Höhe von 215 Metern gekürzt. Sie haben die ursprünglichen Türme ersetzt, die 1932 aufgebaut und ein Jahr später in Betrieb genommen wurden. Das Sendezentrum strahlte jahrelang französischsprachige, englischsprachige und deutschsprachige Sendungen von „Radio Luxembourg“ auf Lang- und Kurzwelle aus – der Langwellensender war der stärkste Europas. Aktuell werden noch zwei Programme auf Kurzwelle sowie drei Programme regional auf UKW von hier aus gesendet.
Das Paar aus dem Café sind nicht die einzigen Einwohner, die das Thema bewegt. Auf einem Supermarktparkplatz herrscht wuseliges Treiben, die Leute wollen nach der Arbeit noch schnell ihren Einkauf erledigen. Nicht alle wollen sich für ein Gespräch Zeit nehmen. Doch das Stichwort Sendemasten lässt viele aufhorchen. „Ich bin komplett dagegen, dass sie abgerissen werden“, sagt eine Frau auf dem Parkplatz. Für sie sind die Türme ein Denkmal. Das Thema geht ihr sichtlich nahe. Während des Gesprächs wird sie immer emotionaler, erzählt von Kindheitserinnerungen aus Junglinster. Früher ist sie hier Schlitten gefahren. Jetzt ist es ein Industriegebiet. Am Ende hat sie Tränen in den Augen.
Das ist das Schlimmste, was passieren kann
Auf dem Sendegelände gibt es ein Hindernis für die Pläne von BCE: Denkmalschutz. Doch nicht etwa die Türme sind geschützt, sondern das historische Sendergebäude mitsamt seinen drei Wasserbecken. Bei den Masten handele es sich „nicht um die ursprünglich dort errichteten Antennen“, heißt es dazu von Kulturminister Eric Thill (DP) in einer Antwort auf eine parlamentarische Frage.
Die RTL-Muttergesellschaft CLT-UFA, zu der auch BCE gehört, hat gegen den Denkmalschutz geklagt – und verloren. Das Urteil: Das Sendergebäude ist von historischem und architektonischem Wert und steht auf der Liste des erhaltenswerten kulturellen Erbes. Rechtskräftig ist das Urteil allerdings noch nicht, CLT-UFA hat Berufung eingelegt, wie die Staatsanwaltschaft bestätigt.
Das wäre wie Paris ohne Eiffelturm
Auch in den sozialen Medien teilen Nutzer ihren Frust über den drohenden Abriss der Türme. Immer wieder werden in einer Gruppe auf Facebook Bilder der Sendemasten geteilt. Etwa während eines schönen Sonnenaufgangs oder im Nebel. „Ich sehe Junglinster nicht ohne Sendemasten, das wäre wie Paris ohne Eiffelturm“, ist unter einem dieser Posts zu lesen.
Menschen, die nicht in Junglinster aufgewachsen sind oder in der Umgebung wohnen, hängen hingegen weniger an den Sendemasten. Ein Mann, der seit 16 Jahren im Dorf wohnt, identifiziert sich nicht mit den Antennen. Er kann auch verstehen, warum sie abgerissen werden sollen: „Die kosten den Betreiber ja etwas.“ Die Gefühle der Einwohner kann er allerdings ebenfalls nachvollziehen.
Neue Pläne, neues Glück?
Die Gemeinde Junglinster hat bereits Pläne für das 36 Hektar große Areal „um Bichel“ rund um die Sendemasten. Sie hat mit dem Wohnungsbauministerium eine Kooperationsvereinbarung unterschrieben. Das Ziel: Einen Masterplan für ein städtebauliches Konzept ausarbeiten. Es geht darum, zu prüfen, ob und wie das Gelände erschlossen werden kann, sagt der Bürgermeister.
„Am Ende soll es ein gemischtes Projekt werden – mit Wohnraum natürlich“, sagt Ries. Eine Aktivitätszone darf dabei nicht fehlen. Die Gemeinde will auch Dienstleistern und Handwerksbetrieben eine Fläche anbieten können. Dann muss das Ganze noch sinnvoll integriert werden. „Wir wollen hier kein zweites Dorf im Dorf bauen“, sagt Ries.
Diese Pläne stoßen bei den Menschen auf dem Supermarktparkplatz nicht auf Begeisterung. Genau das, was der Bürgermeister vermeiden will, befürchtet die Frau, die vorhin von ihren Kindheitserinnerungen gesprochen hat. Ein Mann aus einem Dorf in der Umgebung macht sich vor allem wegen des Baustils Sorgen: „Die Antennen können weg, aber bitte jetzt keine hässlichen Neubauklötze.“
Mehrwehrt für Grundstückbesitzer
Spätestens 2030 soll der endgültige Plan für das Areal stehen. Neben CLT-UFA gibt es „um Bichel“ noch sieben andere Eigentümer. Diese können bei den Plänen mitmachen – oder auch nicht. Egal, wie sie sich entscheiden: Es gibt laut dem Bürgermeister Möglichkeiten, das Projekt trotzdem Realität werden zu lassen. Beispielsweise könnte man drumherum planen. Oder es könnte mit einer anderen gleichwertigen Fläche getauscht werden. Ries sieht dem aber gelassen entgegen. „Durch die Erschließung bekommen die Grundstücke einen Mehrwert, den sie jetzt noch nicht haben.“
Auch das geschützte Sendergebäude könne problemlos in das Projekt integriert werden, sagt Ries. Gegen den Abriss der Masten könne die Gemeinde nichts unternehmen, da sie sich in Privatbesitz befinden. Wann sie verschwinden sollen, weiß er nicht. Für den Abriss wird aber eine Genehmigung der Umweltverwaltung benötigt. Den Anblick auf die ikonischen Türme können die Einwohner von Junglinster also noch eine Weile genießen. Damit sich Menschen aus anderen Teilen Luxemburgs vorstellen können, wie es sich ein Verlust der Sendemasten für die Einwohner anfühlt, hat auch ein Gast aus dem Café einen Vergleich parat: „Das wäre wie Belval ohne Hochöfen.“
De Maart

Wie wäre es die Masten durch Windräder zu ersetzen die überall die Landschaft verunstalten?!😉😜😱