Sonntag19. Oktober 2025

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Naturschutz Die „Schlammwiss“: Mehr als „Boxenstopp“, Herberge und Brutstätte für Vögel

Naturschutz  / Die „Schlammwiss“: Mehr als „Boxenstopp“, Herberge und Brutstätte für Vögel
Als das Gebiet 1969 entdeckt wurde, war ein Hektar mit Schilf bedeckt. Heute steht es überall in der „Schlammwiss“.  Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

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Das Naturreservat „Schlammwiss“ macht an diesem Tag seinem Namen alle Ehre. Ohne Gummistiefel geht gar nichts. Das rund 30 Hektar große Gebiet ist eine wichtige Zuflucht für Vögel. Sie überwintern oder tanken kurzzeitig Energie und ziehen ihre Jungen groß. Das Feuchtgebiet hat aber noch andere wichtige Funktionen.

Schlamm und Pfützen, so weit das Auge reicht. Wundern tut das angesichts der Regenmassen der letzten Wochen nicht. Holzbretter liegen an vielen Stellen bereit, um die Stege für die Besucher zu erneuern. Und überall ragt mannshoch das Schilf aus dem Boden, ab und an durchbrochen von Erlen und Weiden.

Es eine ruhige, menschenleere Oase, die den Eindruck von Natur pur verströmt. Die Luft ist klar, und je weiter man sich auf die Umgebung einlässt, desto eindringlicher dringt Vogelgezwitscher ans Ohr. Leider kommt es nicht von echten Vögeln, die eine wichtige Rolle in dem Gebiet spielen.

„Das kommt aus unserer Klangattrappe, die die Vögel anlockt“, sagt Eric Kraus (26). Der Landschaftsarchitekt mit dem Schwerpunkt Naturschutz macht die „visites guidées“ durch das Gebiet, von denen es rund 80 pro Jahr gibt. Highlight und letzte Station der Führung ist die Beringungsstation für die Vögel.

Vögel bekommen einen „Identitätsausweis“ 

Gerade bringen freiwillige Helfer Vögel in kleinen Stofftaschen in den Bauwagen. Jeder der federleichten kleinen silbernen Ringe mit den eingravierten Ziffern ist individuell und funktioniert wie ein Pass. Über die Kennzeichnung gelingt es, Bestände zu überprüfen und Lebensgewohnheiten der Vögel zu erforschen.

Sie pflegen höchst unterschiedliche Lebensstile. Zwergschnepfe, Silberreiher und rund 80 nicht heimische Rotkehlchen suchen und finden hier zwischen November und März Nahrung. Vögel wie Teichrohrsänger, Rohrammer und die Wasserralle brauchen Schilfgebiete wie diese für ihren Nachwuchs.

Sie bauen ihre Nester grundsätzlich nur im Schilf, nicht in Bäumen. Der seltene Seggenrohrsänger, das Blaukehlchen und der Gelbbrauenlaubsänger hingegen machen in dem Gebiet einen „Boxenstopp“. Die Rast brauchen sie auf ihren Langstreckenflügen zum Brutplatz oder zurück.

Die Vogelgemeinschaft ist Multikulti. Vom Norden Skandinaviens oder Sibiriens, Weißrussland, Ungarn, Mongolei oder China reicht das Einzugsgebiet der Tiere, bevor es für manche über Gibraltar oder Israel weitergeht Richtung Afrika. Andere Arten leben ganzjährig dort.

Feuchtgebiete in Luxemburg

Derzeit gibt es in Luxemburg zwei international bedeutende Feuchtgebiete: das Gebiet „Haff Réimech“ mit den Baggerweihern in Remerschen und das Tal der Obersauer („Vallée de la Haute-Sûre“), mit einer zusammengenommenen Fläche von insgesamt 17.213 Hektar. Das teilt das Umweltministerium auf Anfrage des Tageblatt mit. Weitere von der sogenannten Ramsar-Konvention ausgewiesenen Feuchtgebiete sind derzeit nicht geplant, heißt es weiter aus dem Ministerium. In den letzten Jahren wurden mehrere bedeutende nationale Naturschutzgebiete ausgewiesen, welche jedoch keine Ramsar-Gebiete sind. Diese beherbergen vorwiegend feuchte Lebensräume, darunter die „Cornelysmillen-Schucklai“ (Troisvierges), der „Dumontshaff“ (Schifflingen) und der „Kéidenger Brill“ (Heffingen/Fischbach).

Feuchtgebiete bewältigen viele Aufgaben

Allen gemeinsam ist, dass sie die ausgedehnte Schilflandschaft mit ihrem Insektenreichtum, den Wasserstellen und der Ruhe vor menschlichen Eingriffen lieben. Das sind die Vorzüge der „Schlammwiss“ für die Vögel. Es gibt auch welche für den Menschen. Feuchtgebiete gelten als wichtige CO2-Speicher und Puffer bei Überschwemmungen. An der Station vor der Beringung genießen Besucher die Aussicht auf einen der zehn Weiher in dem Gebiet.

Still ruht der See an diesem Tag. Den Beitrag von Feuchtgebieten wie diesen als „Bremse“ bei der Erderwärmung und die Funktion als Puffer bei Starkregen-Katastrophen kann man nur erahnen. Dabei ist beides nicht zu unterschätzen – und schon lange bekannt.

21 Gründerstaaten haben 1971 im iranischen Ramsar den Schutz solcher Gebiete in einer völkerrechtlich bindenden Konvention beschlossen. Luxemburg ist der Konvention am 25. Februar 1998 beigetreten und ein Jahr zuvor wurde der Internationale Tag der Feuchtgebiete am 2. Februar ins Leben gerufen.

Zurück zur „Schlammwiss“: Trotz A 1 in Sichtweite, Zugstrecke und hin und wieder startenden oder landenden Flugzeugen über dem Gebiet, den Tieren ist das egal. „Was sie brauchen, ist ein ordentliches Biotop“, sagt Jean Schmitz (76), Gründer, Vizepräsident und Generalsekretär der Stiftung „Hëllef fir d’Natur“, der das Gelände gehört. Die „Schlammwiss“ ist eines davon, sonst wäre sie in der Tierwelt nicht so beliebt.

Die nächste öffentliche Führung

Am Samstag, 8. Februar 2025 laden der Natur und Vogelschutzverein „Ieweschte Syrdall asbl.“, die Stiftung „Hëllef fir d’Natur“ und die Flusspartnerschaft Syr auf eine geführte Tour durch das Naturschutzgebiet „Schlammwiss-Brill“ mit seiner Vogelberingungsstation ein. Treffpunkt ist um 9 Uhr morgens auf dem Parkplatz des Fußballfeldes Munsbach. Dem Wetter angepasste Kleidung mitsamt wasserdichtem Schuhwerk sind nötig; Fernglas ist von Vorteil. Um Registrierung per Mail an [email protected]. wird gebeten.