Roman Abramowitsch lächelt. Er lächelt wie einer, der im Smalltalk gut aussehen will. Der bloß nicht zu viel sagen will und doch seine Zustimmung signalisiert. Es ist eine illustre Runde, die Agenturbilder aus dem Dolmabahce-Palast in Istanbul in der vergangenen Woche zeigten. Abramowitsch mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan und dem türkischen Außenminister Mevlüt Cavusoglu bei den Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine. Was für eine Rolle spielt der russische Multimilliardär bei der Suche nach einer Lösung?
Fest steht, dass der 55-Jährige bei den Gesprächen um den Frieden, wie auch immer dieser nach all den vernichtenden Aussagen aus dem Kreml geartet sein soll, von Anfang an mit dabei war. Nicht als Teil der Delegation, sondern als eine Art Pendeldiplomat. Er sei an der „Sicherstellung bestimmter Kontakte zwischen russischer und ukrainischer Seite beteiligt“, hieß es aus dem Kreml. Auch Kiew lobte den schwerreichen Tycoon, der noch zu Jelzin-Zeiten mit Ölgeschäften zu einem der reichsten Männer Russlands aufgestiegen war, als „inoffiziellen Kommunikationskanal“. Er wirke „positiv“ auf Gespräche ein, sagte der ukrainische Verhandlungsführer David Arachamija.
Wer Abramowitsch beauftragt hat, ist unklar. Ohnehin ist vieles undurchsichtig an dem Mann, der Putin mit anderen russischen Oligarchen erst möglich gemacht hat, der für den einstigen KGB-Mann in der abgelegenen russischen Region Tschukotka jahrelang auch politisch im Einsatz war und der in den vergangenen Jahren immer wieder Distanz zu Putin gesucht haben will. Der Kreml habe ihn als Vermittler verpflichtet, heißt es einerseits – weil Abramowitsch einen engen Draht zu Russlands Präsident Wladimir Putin pflege und der Kreml-Herrscher ihm vertraue. Andere behaupten, jüdische Organisationen hätten ihn dazu gebeten. Abramowitsch – wie auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj – ist Jude. Selenskyj selbst begrüßte das Mitwirken von „gewissen Geschäftsleuten“, wie er in einem Interview mit russischen Journalisten sagte, dessen Ausstrahlung die russische Medienaufsichtsbehörde Roskomnadsor verbieten ließ. Es soll Selenskyj gewesen sein, der den US-amerikanischen Präsidenten Joe Biden gebeten haben soll, Abramowitsch von den amerikanischen Sanktionen gegen russische Geschäftsleute auszunehmen, berichteten britische Medien. Bestätigt ist all das nicht. Und doch lässt sich einiges an Abramowitschs „Mission“ ablesen.
Berichte über Vergiftung
Der Mann, der in der Welt zu Hause ist, der seine sieben Kinder in London und New York aufwachsen lässt, der neben seiner russischen auch die israelische und die portugiesische Staatsbürgerschaft besitzt, dürfte sich durch seinen Einsatz für den Frieden vor allem um seine Pfründe sorgen. Die britische Regierung sanktioniert ihn. Wie auch die EU und Kanada. Er hat es nicht einmal rechtzeitig geschafft, den britischen Fußballklub FC Chelsea zu verkaufen. Seine Yachten hat er vorsorglich in der Türkei in Sicherheit gebracht. Verurteilt hat er Putin für den russischen Einsatz in der Ukraine nicht. Dafür hängt er in den russischen Verstrickungen zwischen Politik und Wirtschaft viel zu tief mit drin. Ganz brav verzichtet er auf das Wort „Krieg“. In Russland muss der Einsatz russischer Truppen im Nachbarland „militärische Spezialoperation“ heißen.
Im Westen, wo er das Leben schätzt, ist es ungemütlich geworden für Abramowitsch, der eine Vielzahl an Immobilien, Yachten, Helikoptern, Luxusautos, Kunstwerken hat und sich in den vergangenen Jahren als Kunstmäzen und Philanthrop gegeben hat. Offenbar will er sich durch sein Handeln im Namen des Friedens Möglichkeiten offen lassen, wie auch immer diese für ihn ausfallen dürften. Das Dasein als Friedensstifter gestaltet sich allerdings wohl als Risiko für die eigene Gesundheit. So soll Abramowitsch mit drei weiteren Männern, die an Vorverhandlungen Anfang März teilgenommen hatten, sich mit Vergiftungserscheinungen an Spezialisten gewandt haben. Sie sollen rote, tränende Augen gehabt haben und eine sich ablösende Haut. So berichteten es das Wall Street Journal, die Investigativ-Plattform Bellingcat und der Guardian. Der Kreml dementierte die Aussagen. Auch Kiew wies die Vergiftungsgeschichte von sich. Abramowitsch selbst lebt weiterhin sein Markenzeichen: Verschwiegenheit. Damit ist er zu dem geworden, was er ist.
De Maart
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