20. November 2025 - 22.09 Uhr
Vierter Tag des Bommeleeër-ProzessesDie Quadratur des Kreises: Verhandlung bringt keine neuen Erkenntnisse
Im Verdacht, an den Sprengstoffanschlägen der Bommeleeër beteiligt gewesen zu sein, stand er nie. Im Gegenteil: Der frühere „Sûreté“-Beamte Guillaume Bücheler war Mitglied der Gruppe von Ermittlern in dem Fall. Daher musste er auch beim Bommeleeër-Prozess 2013/14 aussagen – und verstrickte sich dabei in Widersprüche. Im aktuellen Verfahren der neunten Kriminalkammer des Luxemburger Bezirksgerichts tritt der 76-Jährige ohne Verteidiger auf. „Ich muss mir nichts vorwerfen“, hat er am ersten Verhandlungstag gesagt. „So brauche ich auch keinen Anwalt.“ Ihm wird eine ganze „Reihe von Ungereimtheiten“ in seinen damaligen Aussagen zu Last gelegt, wie der zuständige Ermittlungsbeamte in seinem Fall darlegt.

Als der ebenfalls angeklagte damalige „Sûreté“-Chef Armand Schockweiler am 18. Oktober 1985 nach Brüssel gefahren sei, um bei den dortigen Behörden eine Observierung von Ben Geiben zu erwirken, fuhren auch Büchler und dessen Kollegen Paul Haan, der aufgrund seiner Demenzerkrankung nicht mehr vor Gericht erscheinen muss, und Lucien Linden in die belgische Hauptstadt. Letzterer wäre ebenfalls angeklagt, ist jedoch mittlerweile verstorben. Geiben, einst Gründer und Leiter der „Brigade mobile“ der Gendarmerie, war 1984 in die Privatwirtschaft gewechselt, sollte observiert werden. Er lebte zu jener Zeit in Brüssel und galt als Hauptverdächtiger im Zusammenhang mit der Anschlagserie.
Der heute berichtende Ermittler erklärt: „Büchlers Aussagen bezüglich Brüssel waren ziemlich konfus.“ Er habe erklärt, nicht einmal über den Sinn und Zweck der Fahrt in die belgische Hauptstadt, also von dem Rechtshilfeersuchen an die dortigen Behörden, Bescheid gewusst zu haben. Dazu der Berichterstatter: „Büchler wusste nur zu genau über den Auftrag Bescheid. Er hatte die ganze Zeit behauptet, Geiben dort begegnet zu sein. Als er später vor Gericht aussagen musste, dementierte er dies.“ Später wiederholte er, dass er Geiben nicht begegnet sei – und dass er nie richtig in die Ermittlungen eingebunden gewesen sei.
Geplatzte Observierung
Auch hierbei weist der berichterstattende Ermittler auf das Gegenteil hin: „Er war relativ stark eingebunden.“ Die genauen Vorkommnisse in Brüssel könnten also weiteren Aufschluss über die Geschehnisse in Luxemburg geben und darüber, weshalb die Observierung Geibens in Luxemburg kurze Zeit später fallen gelassen wurde. Wie am Vortag wird von einer Kettenreaktion gesprochen, „die sich durch das Dossier zieht“. Geiben selbst hatte einst angegeben, Büchler und Haan in Brüssel gesehen zu haben, als sie mit dem Auto hinter ihm herfuhren. Er habe sie zur Rede gestellt und sie zu einem Gläschen eingeladen.

Der zweite Angeklagte an diesem Verhandlungstag, Armand Schockweiler, wird von dem Berichterstatter als Polizeibeamter vorgestellt, der bei seiner Offiziersausbildung in Belgien die höchsten Auszeichnungen erhalten hatte, was bis dahin eine einmalige Besonderheit darstellte, und Mitte der 80er Jahre zum Leiter der „Sûreté“ befördert wurde. Doch in diesem Fall „drehen sich seine Aussagen im Kreis“. Sie sind außerdem unzusammenhängend. Schockweiler soll die Ermittlungen mehr behindert haben. Es kam immer wieder zu Pannen. Auch er verstrickte sich immer wieder in Widersprüche. Mit Beweisstücken soll schlampig umgegangen worden sein, einige verschwanden.
Von der „Spur Geiben“ in der Anschlagserie habe er aufgrund von „Gerüchten“ gehört. Dabei war er derjenige, der mit den Ermittlungen eigentlich am vertrautesten hätte sein müssen. Darüber, dass sich der Geheimdienst (SREL) mit der Observation des früheren BMG-Chefs befasste, wurden weder Ermittler noch Untersuchungsrichter in Kenntnis gesetzt. Als am 19. Oktober 1985 um elf Uhr abends der Anschlag auf das Justizgebäude stattfand, war Geiben in Luxemburg, obwohl sein früherer Stellvertreter bei der „Brigade mobile“, Jos Steil, gegenüber den Beamten Gegenteiliges behauptet hatte.
Die fallen gelassene Spur
Ausgerechnet daraufhin wurde die aussichtsreiche Spur Geiben einfach fallen gelassen. Er galt fortan nicht mehr als Verdächtiger und wurde nicht mehr observiert. Warum dies der Fall ist, ist bis heute ungeklärt. Außerdem stellt sich die Frage: Wer hatte diese plötzliche Kehrtwende veranlasst? Jedenfalls verließ der nun nicht mehr als hauptverdächtig geltende Ex-Gendarm schnurstracks wieder das Land. Dominique Peters von der Staatsanwaltschaft fasst die Sachlage wie folgt zusammen: „Viele Leute kennen genaue Details aus ihrer Vergangenheit, nur ganz bestimmte nicht.“ Des Rätsels Lösung scheint so nahezuliegen – und erweist sich doch als Quadratur des Kreises.
Schockweilers Verteidiger findet den Bericht des zuständigen Ermittlers „unpräzis und nicht neutral“. In Zusammenhang mit den Vorwürfen gegen seinen Mandanten sagt er, dass die Situation an dem betreffenden Verhandlungstag beim Bommeleeër-Prozess besonders chaotisch gewesen sei. Es sei damals nachgebohrt worden, wenn nicht die Antwort von dem Befragten kam, die erwartet worden war. Man hatte wohl insistiert. Dies habe seinen Mandanten wohl aus dem Konzept gebracht.
De Maart

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