Samstag18. Oktober 2025

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Der EinberufungsbefehlDie militärische Zwangsrekrutierung luxemburgischer Männer

Der Einberufungsbefehl / Die militärische Zwangsrekrutierung luxemburgischer Männer
Der Einberufungsbefehl für Pierre Hansen Quelle: Féderation des enrôlés de force, www.ons-jongen-a-meedercher.lu

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„Mit gewaschenen Körper, saubrer Wäsche und geschnittenem Haar“ wurde Pierre Hansen aus Schifflingen befohlen, im Oktober 1942 im ehemaligen Franziskanerheim in der Beleserstraße 17 (heute 17, rue de Belvaux) in Esch/Alzette zu erscheinen, um sich für den Wehrdienst mustern zu lassen. Geboren 1921, wurde Pierre wie andere junge Männer mit luxemburgischer Staatsangehörigkeit aufgefordert, sich bei den örtlichen Polizeibehörden registrieren zu lassen.(1)

Der Befehl erfolgte auf Verordnung des Chefs der Zivilverwaltung Gustav Simon vom 30. August 1942, demzufolge die Männer der Jahrgänge 1920 bis 1924 zu erfassen waren, um sie auf ihre „Kriegseinsatzbefähigung“ und ihre weltanschauliche Einstellung zu überprüfen. Noch unter dem Eindruck der brutalen Verfolgung und Niederschlagung der Streikaktionen folgend der Wehrplicht-Einführung, gingen die ersten Musterungsaufforderungen den jungen Männern zu. So kurzfristig wurden keine neuen Formulare gedruckt und die Behörden verwendeten Vordrucke für die Musterung zum Arbeitsdienst, aus „Arbeit“-Dienst wurde der „Wehr“-Dienst. Auch Pierre erhielt seinen knapp sechs Wochen nach Verkündung der Einführung der Wehrpflicht.

Der Eignungsprüfung für den Wehrdienst erfolgte durch Offiziere und Ärzte der Wehrmacht. Neben der Untersuchung des gesundheitlichen Zustands und des Fitnessgrades wurden Tests durchgeführt, bei denen beispielsweise Schreib- und Lesefähigkeiten, Kenntnisse der Staatsstruktur und des Nationalsozialismus sowie mathematische Kenntnisse abgefragt wurden. Unter Berücksichtigung der Testergebnisse und des Gesundheitszustands entschieden die Wehrmachtvertreter dann über die weitere Verwendung des Wehrpflichtigen. Nicht mal die Hälfte der Gemusterten erreichte die höchste Einstufung als „kriegsverwendungsfähig“ für den nationalsozialistischen Krieg, (2) dennoch erfolgte für Tausende die Dienstverpflichtung an der Waffe.

Über den Hergang der Musterung im Kreis Esch/Alzette im Oktober 1942 zeigen sich die Verantwortlichen in einem offiziellen Bericht sehr zufrieden. Die überwiegende Mehrheit der Gemusterten trat scheinbar „sehr offen und freudig“ auf, nur ein Wehrpflichtiger fiel den Wehrmachtvertretern als „aufhetzend, frech und ungebührlich“ auf, er wurde den Polizeikräften übergeben. Was mit ihm weiterhin geschah, ist ungewiss. (3) Zahlreiche Fälle sind bekannt, in denen die Mehrheit der jungen Männer Taubheit oder Sehschwäche simulierten, um eine Behinderungsbescheinigung oder zumindest eine Rückstellung zu erhalten. Nicht jeder war damit erfolgreich. Einige konnten ihren Aufruf nur verzögern, (4) Tausende aber folgten dem Befehl aus Angst vor Konsequenzen für sie und ihre Familien und in der Hoffnung, in der Nähe der Heimat eingesetzt zu werden oder das baldige Ende des Krieges zu erleben.

Bei Nichterscheinen drohten die Besatzungsbehörden mit strafrechtlichen Maßnahmen.(5) Die Mehrheit der jungen Männer folgte den Einberufungsbefehlen, eine große Zahl konnte sich der Musterung entziehen. Die brutale Reaktion auf den Streik und die zahlreichen Todesurteile wirkten sicherlich abschreckend; aus Sorge um Umsiedlung oder Verfolgung ihrer Familien folgten sie den Befehlen der Besatzer.

Das Rekrutierungsschreiben für Pierre Hansen zeigt nur den Beginn seiner Zwangsverpflichtung. Über seine ärztliche Untersuchung oder wie er sich während seiner Musterung verhielt, ist nichts bekannt, die Nationalsozialisten sandten ihn zunächst nach Dänemark, anschließend nach Tunis. In deutscher Uniform wurde er in Nordafrika von den US-Amerikanern gefangenen genommen und in ein Kriegsgefangenenlager in die USA transferiert. Ende 1945 gelangte er schließlich nach Hause zurück.

Pierres Weg während des Krieges ist nur einer unter vielen. Viele führte der erzwungene Wehrdienst der Nationalsozialisten in andere Länder, in die Gefangenschaft oder in den Tod. Jeder Gemusterte durchlebte andere Erfahrungen, Geschichten und Schicksale. Dieses Stück Papier aber, das Einberufungsschreiben, haben alle Zwangsdienstverpflichtenden gemeinsam. Über 10.211 junge Männer wie Pierre Hansen erhielten diesen Brief, rund 28 Prozent der Wehrpflichtige der Jahrgänge 1920 bis 1927 wurden getötet, über 34 Prozent konnten sich verstecken – und entkamen so dem Wehrdienst.(6)

Pierre Hansen, geboren am 13.10.1921 in Schifflingen
Pierre Hansen, geboren am 13.10.1921 in Schifflingen Quelle: Féderation des enrôlés de force, www.ons-jongen-a-meedercher.lu

(1) ANLux CdZ-E-0141 Erfassung und Musterung der Wehrpflichtigen der Jahrgänge 1920-1927, 1942 hier Veröffentlichung des Befehls für die Kreise Diekirch und Grevenmacher, ein gleichlautender Befehl ging ebenfalls für den Kreis Esch/Alzette ein
(2) Quadflieg, 421
(3) ANLux CdZ E 0161, Kreis Esch – Erfahrungsbericht über Musterung der Wehrpflichtigen 1920-1924, 15.10.1942
(4) Dostert, „Luxemburg zwischen Selbstbehauptung und nationaler Selbstaufgabe“, 176
(5) Einberufungsbefehl Pierre Hansen, geboren am 13.10.1921 in Schifflingen (Quelle: Féderation des enrôlés de force, www.ons-jongen-a-meedercher.lu)
(6) Dostert, „Luxemburg zwischen Selbstbehauptung und nationaler Selbstaufgabe“, 176-177

Robert Hottua
28. September 2021 - 13.06

Guten Tag Herr Dostert,
vor der militärischen Zwangsrekrutierung 1942 führte das lux. Episkopat seit 1933 eine Zwangsmissionierung und eine Zwangskonversion der lux. Katholiken zum blutgierigen Messias des Dritten Reiches durch. Geschah diese aggressive, volksverhetzende, Clusterbildende, Eugenikbejahende Indoktrinierung der lux. Bevölkerung mit der Erlaubnis des Heiligen Stuhles?
MfG
Robert Hottua