Seit der Wahl von US-Präsident Donald Trump im vergangenen Jahr habe ich die Ansicht vertreten, dass zumindest einige seiner Maßnahmen im Laufe der Zeit zu höherem Wachstum und niedrigerer Inflation führen werden. Dies betrifft seine Unterstützung für Innovationen in der Technologiebranche, Deregulierung, niedrigere Steuersätze für Arbeitnehmer und Unternehmen, die Ausweitung der Energieproduktion und Kürzungen bei verschwenderischen öffentlichen Ausgaben.
Trumps übrige Maßnahmen sind jedoch stagflationär. Protektionismus und Zölle werden das Wachstum verlangsamen und die Preise in die Höhe treiben, und das Gleiche gilt für das harte Vorgehen seiner Regierung gegen die Einwanderung, Kürzungen bei der Finanzierung wissenschaftlicher Forschung, Angriffe auf die Hochschulen, die Unterstützung ungedeckter Haushaltsdefizite, die Bedrohung der Unabhängigkeit der Federal Reserve, ungeordnete Versuche zur Schwächung des Dollars, Angriffe auf den Rechtsstaat und korruptes Verhalten. Der Ruf der USA ist schwer beschädigt worden, und das wird seinen Preis haben.
Dennoch habe ich behauptet, dass die Marktdisziplin (nicht zuletzt durch die Bond Vigilantes) und eine immer noch unabhängige Fed diese stagflationäre Politik eindämmen würden, was Trumps gemäßigten Wirtschaftsberatern die Oberhand geben und zu einer Deeskalation der Handelskonflikte durch Verhandlungen führen würde. Genau das ist geschehen. Und nun, da die Republikaner im Kongress über ein Haushaltsgesetz verhandeln, das Defizite und Schuldenquoten weiter erhöhen wird, wird der Druck des Marktes (durch höhere Renditen langfristiger Anleihen) steigen. Trump kann entweder Kurs ändern oder muss mit einem Anstieg der Anleiherenditen rechnen, der eine politisch schädliche Rezession auslösen wird.
Trumps Angriffe auf die Unabhängigkeit der Fed
Es sei daran erinnert, dass Trumps erste Angriffe auf die Unabhängigkeit der Fed bereits nach hinten losgegangen sind. Die US-Aktienkurse sanken, die Anleiherenditen schnellten in die Höhe und Trump droht inzwischen auch nicht mehr, Notenbankchef Jerome Powell zu entlassen. Auch wenn er Powell 2026 ersetzen kann, bleibt die Fed unabhängig, denn der Notenbankchef ist primus inter pares (Erster unter Gleichen) und kein absoluter Monarch. Die allgemeine Haltung des Offenmarktausschusses der US-Notenbank wird weiterhin die Ansichten seiner Mitglieder widerspiegeln.
Im Moment tut Powell Trump einen Gefallen, indem er die Zinssätze nicht senkt. Die Fed verankert die Inflationserwartungen angesichts des zollbedingten Preisdrucks glaubwürdig. Indem sie jetzt von Zinssenkungen absieht, bewahrt sich die Fed die Option, die Zinsen zu senken, wenn sich die Wirtschaft zum Jahresende hin abschwächt. Trump hat keinen Grund, Powell anzugreifen, außer, um ihn als Sündenbock für eine mögliche Rezession zu positionieren, die er selbst verursacht hat (so, wie er die Inflation auf die Sturheit des chinesischen Präsidenten Xi Jinping schieben wird).
Die Beschränkungen der Regierung in Bezug auf die Einwanderung – und damit das Angebot an Arbeitskräften – werden ebenfalls nach hinten losgehen. Der Zeitraum 2023-24 brachte robustes Wachstum und eine sinkende Inflation mit sich, weil das Arbeitskräfteangebot durch die (teils undokumentierte) Einwanderung stark zunahm. Bei einem angespannten Arbeitsmarkt werden Maßnahmen, die das Angebot an Arbeitskräften verringern, das Lohnwachstum und die Inflation ankurbeln und damit der Wirtschaft und Trumps politischem Ansehen schaden (so wie die Inflation zu Pandemiezeiten Joe Biden geschadet hat).
Warum die USA einen stetigen Strom von Einwanderern brauchen
Die USA brauchen einen stetigen Strom von (vorzugsweise dokumentierten) Einwanderern. In der Frage der H-1B-Visa für Fachkräfte (ein Programm, auf das Silicon Valley stark angewiesen ist) hat sich Trump bereits auf die Seite von Elon Musk geschlagen. Indem er seiner nativistischen MAGA-Basis die Stirn bot, zeigte er, dass er, was die Notwendigkeit angeht, ausländische Talente anzulocken, nicht völlig unbedarft ist. Trotz des allgemeinen Schadens, den Trump der Marke USA zufügt, ist das Land nach wie vor die erste Adresse für die besten 10 Prozent der Wissenschaftler und unternehmerischen Talente weltweit, da die Vergütung in den USA drei- bis fünfmal so hoch ist wie anderswo.
Forschungsmittel zu kürzen und die Abwanderung von Fachkräften zuzulassen allerdings, ist mit der Aufrechterhaltung der Vorherrschaft der USA in der KI und anderen Zukunftsbranchen unvereinbar. Auch hier werden die Reaktionen der Industrie und die Marktdisziplin Trumps besonneneren Beratern recht geben. Darüber hinaus könnten die zunehmende Zahl an Klagen gegen die Abschiebungen die Regierung schließlich zu einer vernünftigeren Einwanderungspolitik bewegen. Andernfalls wird die Marktdisziplin erneut mit voller Wucht zuschlagen.
Die Bemühungen der Trump-Regierung, die Wettbewerbsfähigkeit der USA zu steigern und das Handelsdefizit durch einen schwächeren Dollar zu verringern, dürften ebenfalls nach hinten losgehen. Als die am 2. April – dem „Tag der Befreiung“ – verhängten Zölle, die Drohungen, Powell zu entlassen, und die Erwartung höherer Haushaltsdefizite den Dollar ins Rutschen brachten, folgten alsbald eine scharfe Korrektur der Aktienkurse und ein Anstieg der Anleiherenditen und Kreditspreads, und prompt hat Trump in Bezug auf die Zölle und in Sachen Powell einen Rückzieher gemacht. Dieselbe Disziplin wird eine Anpassung der Haushaltspolitik erzwingen, so, wie wir es in anderen hochentwickelten Volkswirtschaften und Schwellenländern in den letzten Jahren erlebt haben.
Idee eines „Mar-a-Lago-Abkommens“ grenzt an Wahnsinn
Die Idee eines „Mar-a-Lago-Abkommens“ mit dem Ziel, eine geordnete Abschwächung des Dollars zu orchestrieren, ist weit hergeholt und grenzt an Wahnsinn. Wichtige Handelspartner – nicht zuletzt China – würden dabei niemals mitspielen und auch die Freunde und Verbündeten der USA würden sich sträuben. Je mehr die Märkte mit einer plötzlichen Dollarabwertung rechnen, desto stärker werden die Anleiherenditen ansteigen. Vorschläge, die Bestände an kurzfristigen Staatsanleihen von Gebietsfremden in langfristige Wertpapiere umzuwandeln, würden nicht einmal in der Theorie funktionieren, geschweige denn in der Praxis. Eine Schwächung des Dollars durch Kapitalkontrollen bei Kapitalzuflüssen – eine Steuer auf ausländische Bestände an Staatsanleihen – wird mit ziemlicher Sicherheit die langfristigen Zinsen in die Höhe treiben und die Wirtschaft schwächen. Die Market Vigilantes werden einfach nicht zulassen, dass eine derart unhaltbare Politik lange verfolgt wird.
Und schließlich sind die demokratischen Institutionen in den USA – angefangen bei den unabhängigen Gerichten und Richtern – und die Zivilgesellschaft trotz der aggressiven Angriffe der Regierung auf den Rechtsstaat nach wie vor robust und sollten in der Lage sein, die extremsten Maßnahmen zu begrenzen. Auch hier darf man die Macht der Marktdisziplin nicht unterschätzen. In anderen Ländern – wie der Türkei –, in denen Autokraten die Rechtsstaatlichkeit untergraben haben, war die Reaktion der Anleihe- und anderer Märkte unversöhnlich.
Letztlich wird Trump entweder von seiner stagflationären Politik abrücken und sich auf wachstumsfördernde Maßnahmen konzentrieren oder der finanzielle Druck und eine Rezession werden dazu führen, dass die Republikanische Partei die Midterms 2026 verliert. Man kann nur hoffen, dass Trump auf den Markt hört und nicht weiter seinen schlimmsten Instinkten nachgibt. Er müsste eigentlich erkennen, dass heimische technologische Innovationen das Wachstumspotenzial der USA erheblich steigern können. Er darf sich nur selbst nicht im Weg stehen.
Aus dem Englischen von Jan Doolan.
Copyright: Project Syndicate, 2025.
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