Dienstag4. November 2025

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GroßbritannienDie Macrons werden in Windsor empfangen

Großbritannien / Die Macrons werden in Windsor empfangen
Im Landauer nach Windsor: Charles III. und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron lassen sich in der 1902 erbauten Staatskarosse zum Schloss kutschieren Foto: Dominique Jacovides/Pool/AFP

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Historische Kutschen mit prächtigen Pferden, eine Rede des Gastes vor beiden Kammern des Parlaments, das festliche Bankett im Georgssaal von Schloss Windsor – mit allem Pomp, dessen das Königreich mächtig ist, hat das offizielle Großbritannien am Dienstag Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron zum dreitägigen Staatsbesuch empfangen.

Bei seiner Rede am Abend wollte König Charles III. auf das schwierigste bilaterale Problem anspielen, die Zehntausende von irregulären Bootsmigranten, die Jahr für Jahr von Frankreich aus über den Ärmelkanal setzen. „Unsere gemeinsamen Herausforderungen kennen keine Grenzen“, so der Monarch: „Keine Festung kann uns gegen sie schützen.“

Wie beim Umgang mit dem kapriziösen US-Präsidenten Donald Trump setzt Keir Starmers Labour-Regierung auch in den Beziehungen mit dem nächsten Nachbarn auf die soft power des Königshauses. Der 76-jährige König gilt ebenso als Frankophiler wie umgekehrt Macron als Anglophiler. Auf der Insel bleibt unvergessen, dass er sich nach dem Tod von Charles’ Mutter 2022 auf Englisch an die Nation wandte und daran erinnerte, die Queen habe „sechsmal die Stufen des Elysée“ erklommen, so häufig wie kein anderer Staatsgast der französischen Geschichte. Nicht ganz zufällig wählte der zum König Beförderte im September 2023 die Nachbarrepublik zum Ort des ersten Staatsbesuches seiner Amtszeit.

Nun also die Gegenvisite. Die Briten hatten auf Eile gedrängt, um dem Eindruck der allzu servilen Anbiederung an den Berserker im Weißen Haus entgegenzuwirken. Während Donald Trump frühestens im Spätherbst dem Monarchen seine Aufwartung machen darf, genießen Macron und seine Frau Brigitte diese Woche den Besuch auf der Insel. Artig vom Prinzenpaar William und Kate im schönsten englischen Sommer-Sonnenschein am Militärflughafen Northolt in Empfang genommen – der Präsident bedankte sich bei der Prinzessin mit einem galanten Handkuss –, reisten die Macrons zum festlichen Empfang nach Windsor. Wegen der Renovierungsarbeiten am Buckingham-Palast finden derzeit offizielle royale Gelegenheiten beinahe ausschließlich im Städtchen westlich von London statt.

Nach den Nationalhymnen ließen sich König und Präsident im offenen Landauer zum Schloss kutschieren. Das Gefährt wurde einst für König Eduard VII. (1901-10) gebaut, bot also einen gefälligen Anknüpfungspunkt für den Smalltalk der beiden Herren: Der als Bonvivant bekannte Ururgroßvater des amtierenden Monarchen ebnete 1903 mit einem geschmeidigen Auftritt in Paris den Weg zu dem ein Jahr später unterzeichneten Abkommen, das als „entente cordiale“ in die Geschichte eingegangen ist. Nach der jahrhundertelangen Rivalität einigten sich die Nachbarn damals nicht nur über ihre jeweiligen kolonialen Einflusssphären. Vor allem legte der Vertrag das Fundament für die Waffenbrüderschaft in beiden Weltkriegen.

Daran erinnerte Macron in seiner gut halbstündigen, zur Gänze auf Englisch gehaltenen Ansprache im Parlament. Er verteidigte, ohne Donald Trump oder Wladimir Putin zu nennen, „die Weltordnung, die auf Recht, Ordnung und Gerechtigkeit beruht“.

Unterstützung der Ukraine

Vom peinlichen Zusammenstoß der beiden Atomwaffen-bestückten U-Boote „Le Triomphant“ und „HMS Vanguard“ 2009 im Atlantik einmal abgesehen, arbeiten die Militärs beidseits des Ärmelkanals seit Jahren gut zusammen, verstärkt seit 2010 durch den damals von Präsident Nicolas Sarkozy unterzeichneten Londoner Kooperationsvertrag. Derzeit mobilisieren die Partner ihre Kräfte für das erklärte NATO-Ziel, binnen zehn Jahren die Verteidigungsausgaben auf mindestens 3,5 Prozent aufzustocken. In engem Schulterschluss mit dem deutschen Kanzler Friedrich Merz bemühen sich die beiden zudem um die fortdauernde Unterstützung der von Russland überfallenen Ukraine mit der „Koalition der Willigen“. Niemals werde Europa die Ukraine im Stich lassen, sagte Macron im Parlament, „niemals“.

Als nicht immer sonderlich willig werden die Franzosen in London beim Problem der irregulären Wirtschaftsmigranten wahrgenommen. Seit Jahren campieren Zehntausende meist junger Menschen entlang der Kanalküste, um bei ruhiger See die Passage über eine der meistbefahrenen Schifffahrtsstraßen der Welt auf die Insel zu wagen. Rund eine halbe Milliarde Euro haben Regierungen beiderlei Couleur seit 2018 nach Paris überwiesen; mit der gewaltigen Summe sollen die Grenzsicherung verbessert, Drohnen gekauft und zusätzliche Beamte eingestellt werden.

Der Erfolg hält sich einstweilen in engen Grenzen. Nach der Höchstmarke von 45.000 Asylbewerbern 2022 gelang es in den Folgejahren zwar, die Zahl der Migranten einzuschränken. Die Tendenz im ersten Halbjahr 2025 aber lässt einen neuen Rekord befürchten, aller Strafverfolgung der Schlepperbanden sowie rascherer Abschiebung von reinen Wirtschaftsflüchtlingen zum Trotz. Der Präsident sicherte seinen Gastgebern die Kooperation Frankreichs zu, schließlich handele es sich um „eine gemeinsame Last für unsere beiden Länder“.

Arbeitsmarkt offen für irreguläre Migranten

Hinter verschlossenen Türen dürfte Macron in seinen Gesprächen mit Starmer eindringlich auch auf die Pull-Faktoren hinweisen: Großbritannien hat noch immer kein funktionierendes Meldewesen, allein in der Weltstadt London leben Hunderttausende von Menschen illegal. Sie finden dort leicht Anschluss an ethnische und religiöse Gruppen aus aller Welt, der Arbeitsmarkt bietet Irregulären leichte Verdienstmöglichkeiten.

Die massiv unter Druck stehende Labour-Regierung hatte in den vergangenen Tagen ein neues Asyl-Abkommen mit Frankreich ins Spiel gebracht. Es solle nach dem Grundsatz „einer rein, einer raus“ funktionieren: Für jeden jungen Mann, dessen Asylantrag keine Chance auf Erfolg hat, würde das Königreich der Republik einen Flüchtling abnehmen, der beispielsweise im Rahmen der Familienzusammenführung das Leben auf der Insel anstrebt. Zu Wochenbeginn wurden die Erfolgsaussichten allerdings eher heruntergespielt. Das liegt nicht zuletzt daran, dass ein EU-Quintett, angeführt von Italien und Spanien, bei der Kommission in Brüssel Protest gegen das geplante Vorgehen eingelegt hat. Nicht ganz zu Unrecht fürchten Frankreichs Partner im 27er-Club, das britische Asylproblem werde indirekt an sie weitergegeben.

Fortschritte erhofft sich die Brexit-Insel auch bei der angestrebten Wiederannäherung an Brüssel, nicht zuletzt bei der als notwendig erkannten Aufrüstung der Streitkräfte. Frankreich gilt hier als größter Blockadefaktor innerhalb der EU, wenn es um gemeinsame Rüstungsprojekte geht.