Sonntag9. November 2025

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DeutschlandDie Linke kämpft ums Überleben

Deutschland / Die Linke kämpft ums Überleben
Bodo Ramelow ist als Ministerpräsident von Thüringen die einzige Vorzeigefigur der Partei Foto: dpa/Martin Schutt

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Nicht nur die Linke guckt in den nächsten Tagen gespannt nach Thüringen: Tritt Bodo Ramelow bei der Landtagswahl 2024 noch einmal als Spitzenkandidat seiner Partei für das Amt des Ministerpräsidenten im Freistaat an? Seine Partei kämpft um ihr Überleben und hofft auf ihren einzigen Regierungschef in den Ländern. Sahra Wagenknecht kokettiert derweil mit einer Parteineugründiung und bringt die Linke unter Druck.

Tritt er noch einmal an? Oder geht er? In der krisengeplagten Linken blicken in diesen Tagen viele Genossinnen und Genossen nach Thüringen. Dort könnte sich schon in den nächsten Tagen entscheiden, ob Bodo Ramelow, der einzige Ministerpräsident der Partei Die Linke, bei der Landtagswahl 2024 im Freistaat noch einmal als Spitzenkandidat für das Amt des Regierungschefs in den Ring steigt. Fragen zu seiner politischen Zukunft hatte er in den vergangenen Wochen und Monaten stets mit dem Verweis beantwortet, er wolle erst seine Amtszeit als Bundesratspräsident zu Ende bringen. In dieser Rolle war der Linken-Politiker in diesem Jahr in der protokollarischen Rangfolge vierter Mann im Staate – hinter Bundespräsident, Bundestagspräsidentin und Bundeskanzler.

Am Freitag vergangener Woche konzentrierte sich Ramelow im Bundesrat noch ganz auf seine Arbeit als Bundesratspräsident und lobte die Vorzüge des Föderalismus – ein „Erfolgsmodell“ gegen separatistische Bestrebungen und territoriale Spaltungen. Es war sein letzter Auftritt in der Länderkammer als Bundesratspräsident. Seit 1. November führt nun Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) den Vorsitz im Bundesrat. Ramelow ist also frei für eine Entscheidung in eigener Sache. Und auf diese warten nicht nur die Linke-Genossen gespannt.

Denn für die Linke steht schon ohne Ramelows Entscheidung viel auf dem Spiel. Die Partei kämpft um ihr politisches Überleben. Bei der Bundestagswahl retteten nur drei direkt gewonnene Mandate in Berlin und Leipzig ihren Wiedereinzug ins Plenum wie auch den Fraktionsstatus. Bei den letzten Landtagswahlen flog sie in ihrer einstigen Hochburg Saarland aus dem Parlament und verpasste in Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen den Einzug deutlich. Die Aussichten für kommende Landtagswahlen sind gleichfalls alles andere als rosig. Sollte sich mit Ramelow auch noch eine der wenigen überregionalen Linke-Vorzeigefiguren zurückziehen, wäre zumindest fraglich, ob die Partei ihren einzigen Ministerpräsidentenposten verteidigen könnte. Denn: Im politisch höchst volatilen Thüringen sind Mehrheiten knapp und wechselhaft. Aktuell regiert Ramelow mit einer rot-rot-grünen Minderheitsregierung – weitgehend geräuschlos, aber eben auch nicht ungefährdet.

Ich wünsche mir, dass in Deutschland eine Partei entsteht, die die Politik der Bundesregierung verändern kann

Sahra Wagenknecht, Linke-Politikerin

Für die Partei als Ganzes kommt hinzu, dass die ehemalige Co-Fraktionschefin im Bundestag, Sahra Wagenknecht, wieder einmal die eigenen Genossen aufschreckt, weil sie mit der Idee einer Parteineugründung spielt. Wagenknecht ist dafür bekannt, die Politik ihrer Partei immer wieder als zu kurz gedacht und unentschlossen zu kritisieren. 2018 gründete sie die Sammlungsbewegung „Aufstehen“ mit und hoffte damit Stimmung für eine linke Mehrheit in Deutschland zu schaffen. Nur ein gutes halbes Jahr später verließ sie „Aufstehen“ wieder. Viele ihrer Mitstreiter fühlten sich von Wagenknecht im Stich gelassen. Beim letzten Bundesparteitag im Juni in Erfurt stellte sich Wagenknecht mit einem eigenen Antrag zur Russland-Politik gegen den Bundesvorstand – und fiel damit durch. „Nach diesem Parteitag gibt es kaum Hoffnung, dass die Linke ihren Niedergang stoppen kann“, sagte sie anschließend über einen Konvent, bei dem die Linke soeben eine neue Führung für den Start in eine bessere Zukunft gewählt hatte.

AfD-Frontmann Björn Höcke verhindern

Nun kokettiert Wagenknecht erneut mit einer Parteineugründung: „Ich wünsche mir, dass in Deutschland eine Partei entsteht, die die Politik der Bundesregierung verändern kann.“ Die Linke muss das als Kampfansage ihrer einstigen Frontfrau verstehen. Ein Parteiausschlussverfahren gegen Wagenknecht, das mehrere Mitglieder im vergangenen Jahr beantragt hatten, war sowohl vor der Landesschiedskommission in Nordrhein-Westfalen als auch vor der Bundesschiedskommission gescheitert.

An die Kette lässt sich die wortgewandte Ex-Fraktionschefin nicht legen. Und den Mund erst recht nicht verbieten. Im Bundestag warf sie der Bundesregierung in einer Russland-Rede vor, „einen beispiellosen Wirtschaftskrieg gegen unseren wichtigsten Energielieferanten vom Zaun zu brechen“. Linke-Chef Martin Schirdewan reagierte erzürnt und verlangte von der Fraktionsspitze um Dietmar Bartsch und Mohamed Amira Ali, diese müssten dafür sorgen, „dass sich so etwas nicht wiederholt“. Zuletzt bezeichnete Wagenknecht die Grünen als „die gefährlichste Partei“ – und löste damit erneut Wirbel aus.

Sollte Ramelow, der sich mehrfach offen gegen Wagenknechts Kritik und Politik gestellt hatte, tatsächlich entscheiden, nicht wieder für das Amt des Ministerpräsidenten in Thüringen zu kandidieren, hätte die Linke ein Riesenproblem mehr. Denn wer aus ihren Reihen in Thüringen hätte schon das Format, anstelle von Ramelow anzutreten? Ramelow, 66 Jahre alt, könnte für eine erneute Kandidatur motivieren, die in Thüringen besonders radikale AfD unter ihrem Frontmann Björn Höcke so klein wie möglich zu halten. Doch Ramelow dürfte um seine Rolle und seine Verantwortung wissen. Der Einstieg in einen privaten Lebensabend müsste dann wohl noch warten.

Sahra Wagenknecht setzt die Linke in Deutschland mit dem Ansinnen einer Parteineugründung unter Druck
Sahra Wagenknecht setzt die Linke in Deutschland mit dem Ansinnen einer Parteineugründung unter Druck Foto: dpa/Michael Kappeler
Filet de Boeuf
2. November 2022 - 20.26

Tja, wenn die Leute sich gegenseitig auf den Sack gehen, hat auch die Politik keine Lösung mehr. Platz für Abstand ist ja keine mehr da. Mit den Grünen noch weniger. Der ganze Westen fährt auf einer Schiene, Unterschiede zwischen Parteien gibt es kaum. Die Mittelschicht wird immer grösser, kann sich aber nichts mehr leisten. Ist ja normal, wenn es keine Unterschicht mehr gibt die man ausnutzen kann.