Freitag5. Dezember 2025

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BulgarienDie Jungen haben von den alten Schattenmännern im Balkanstaat genug

Bulgarien / Die Jungen haben von den alten Schattenmännern im Balkanstaat genug
Demonstranten am 1. Dezember in Sofia: Der Chef der Oligarchenpartei DPS, Deljan Peevski (auf dem Plakat), ist nicht besonders beliebt Foto: AFP/Nikolay Daychinov

Kurz vor der nahenden Euro-Einführung wird Bulgarien von heftigen Protesten gegen die Korruption, die Regierung und deren Schattenmänner erschüttert: Der kontroverse Medienmogul Deljan Peewski und Alt-Premier Bojko Borissow gelten für viele junge Bulgaren als Symbol eines gekaperten Staats.

Zumindest der Architekt von Bulgariens unter Druck geratener Minderheitsregierung will deren Fall kurz vor der am 1. Januar geplanten Euro-Einführung unbedingt verhindern. Die Proteste hätten ihr Ziel erreicht, das Kabinett von Premier Rossen Scheljaskow (Gerb) habe den umstrittenen Haushaltsentwurf zurückgezogen, versuchte der konservative Gerb-Chef Bojko Borissow am Mittwoch die Wogen zu glätten.

Gleichzeitig erteilte der Altpremier der Forderung nach Neuwahlen erneut eine Abfuhr: Ein vorzeitiger Abtritt der Regierung könnte zu „Instabilität“ führen – und die Zukunft Bulgariens in der Eurozone gefährden.

„Abtritt, Abtritt!“, skandierten hingegen die überwiegend jugendlichen Bulgaren, die zu Wochenbeginn gegen die Plage der Korruption in allen größeren Städten des Balkanstaats zu zehntausenden auf die Straße zogen: Allein in Sofia sorgen laut unterschiedlichen Schätzungen 50.000 bis 100.000 Menschen für die größte Demonstration in der Hauptstadt der letzten Jahre.

Obwohl die Protestwelle durch den nun eilig zurückgezogenen Haushaltsentwurf für 2026 ausgelöst worden sei, handle es sich um mehr als nur eine Budgetkrise, so der Kommentator der Agentur „Novinite“: „Die Generation Z fordert eine politische Abrechnung. Für die jungen Bulgaren sind Borissow und Deljan Peewski Symbole eines gekaperten Staates.“

Der schillernde Medienmogul Peewski unterstützt als Chef der Oligarchenpartei DPS die von Borissow geschmiedete Minderheitsregierung seiner konservativen Gerb mit der sozialistischen BSP und der populistischen ITN. Doch von deren altgedienten Schattenmännern, von Hinterzimmerpolitik und Vetternwirtschaft haben immer mehr Bulgaren genug. „Deljan und Bojko, die Generation Z schickt Euch in Rente“, so die Aufschrift eines der Protestbanner in Sofia.

Kein Zusammenhang mit Euro-Einführung

Mit dem nun kassierten Haushaltsentwurf, der höhere Löhne im Staatsdienst bei kräftiger Erhöhung der Sozialabgaben und Steuerlast vorsah, habe die Regierung nur versuchen wollen, die Korruption im Staatsapparat zu vertuschen, so der Vorwurf ihrer Kritiker. Sie habe keine Probleme, wenn von ihrem Gehalt Steuern für diejenigen einbehalten würden, die das Geld benötigten, wie Rentner, Mütter oder Lehrer, versicherte bei der Demonstration in Sofia eine junge Frau: Doch die geplanten Zusatzabgaben drohten erneut Leuten zugute zu kommen, „die in keinster Weise zur Entwicklung des Landes beitragen“.

Zwar sind in den Reihen der Demonstranten auch Aktivisten nationalistischer Oppositionsparteien zu sichten, die gegen den Euro zu Felde zu ziehen. Obwohl laut Umfragen gut die Hälfte der Bevölkerung dem Abschied von der Lewa skeptisch gegenüber steht, haben die vor allem von dem proeuropäischen Oppositionsbündnis PP-DB unterstützten Proteste trotz der EU-skeptischen Trittbrettfahrer aber direkt mit der Euro-Einführung nichts zu tun. Doch die Unsicherheiten der neuen Euro-Ära samt der Angst vor steigenden Preisen verstärken die Krisenstimmung in Sofia.

Zwar hat die PP-DB im Parlament ein erneutes Misstrauensvotum gegen das Kabinett angekündigt. Die Erfolgschancen dafür sind allerdings gering. Wahrscheinlicher scheint ein Szenario, dass Bulgarien am 1. Januar mit einer angeschlagenen Regierung in das neue Euro-Zeitalter zieht, dem nach wenigen Monaten ein vertrautes Phänomen folgen könnte: vorgezogene Neuwahlen.