Statec-Prognose„Die Inflation hat uns überrascht“ – Warum die Indextranchen früher fallen könnten

Statec-Prognose / „Die Inflation hat uns überrascht“ – Warum die Indextranchen früher fallen könnten
 Foto: dpa/Sven Hoppe

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Wird die nächste Indextranche bereits im Juni ausgelöst? Davon geht die Luxemburger Statistikbehörde Statec in ihrer am Mittwoch veröffentlichten Prognose aus. Als das Tripartite-Abkommen ausgehandelt wurde, erwarteten die Akteure noch, dass der Schwellenwert erst einen Monat später überschritten wird.  

Das nationale Statistikamt Statec hat am Mittwoch seine monatliche Inflationsprognose publiziert. Dort heißt es: „In Luxemburg erreichte die Inflationsrate im April mit plus sieben Prozent im Jahresvergleich den höchsten Stand seit dem Frühjahr 1984.“ Laut Prognose fällt die zweite Tranche dieses Jahres sehr wahrscheinlich bereits im Juni. Und: eine weitere könnte schon im ersten Quartal 2023 fällig werden.

„Der Ausbruch des Krieges in der Ukraine und die strengen Beschränkungsmaßnahmen in China dürften eine Reihe von Rohstoffen weiter verteuern und die Versorgungsketten weiter unterbrechen“, schreiben die Statistiker dazu in einer Pressemitteilung. Sollten die Tranchen tatsächlich „fallen“, würden sie – gemäß den Bestimmungen des „Solidaritéitspak“ – nicht sofort ausgezahlt. Die zweite Indextranche dieses Jahres würde im April 2023, alle weiteren Indextranchen auf mindestens April 2024 verschoben. Die Tripartite-Kommission der Chamber, die geschaffen wurde, um den „Solidaritéitspak“ in Gesetzesform zu gießen, soll am Donnerstag tagen.

Wann der Index nun fällt – oder nicht –, hängt natürlich von vielen Faktoren ab. Statec wendet mehrere Szenarien an, um einen Ausblick auf die Inflation der kommenden Monate zu geben. Aber: „In all diesen Szenarien würde eine neue Indextranche im Juni 2022 ausgelöst“, schreibt die Statistikbehörde. Und weiter: „Im oberen und mittleren Szenario würde die Auslösung der nachfolgenden Tranche in das erste Quartal 2023 fallen.“ Im günstigsten, unteren Szenario fällt 2023 ebenfalls trotzdem noch eine Tranche: im dritten Quartal 2023. Bei insgesamt 5,8 Prozent sieht Statec die Inflation für das gesamte Jahr 2022. Im Februar lag diese Prognose noch bei 4,4 Prozent. Für das Jahr 2023 prognostiziert Statec jetzt eine Inflation von insgesamt 2,8 Prozent.

Die Vorhersagen beinhalten laut Statec bereits die „dämpfenden Auswirkungen“ der Maßnahmen, die im Rahmen von „Energiedësch“ und „Solidaritéitspak“ beschlossen wurden: Abschaffung des Gas-Netzbeitrags, Senkung des Beitrags zum Ausgleichsmechanismus für Strom, Senkung der Preise für Kraftstoffe – und Verschiebung der Indextranchen. Die Maßnahmen führen demnach insgesamt zu einer Senkung der Inflationsrate um 0,5 Prozentpunkte für 2022 und um 0,2 Prozentpunkte für 2023.

Wegweisende Korrektur des Statec

Cathy Schmit, Ökonomin beim Statec, erklärt gegenüber dem Tageblatt die neue Lage: „Zuerst muss man wissen, dass wir die richtigen Updates der Inflationsprognosen alle drei Monate vornehmen. Das heißt, die letzten Prognosen sind vom 16. Februar – und da hat noch kein Krieg geherrscht.“ Die Tripartite habe auf einer „fragmentierte Anpassung“ dieser Prognosen basiert. „Wir haben partielle Daten aktualisiert, aber das ganze makroökonomische Szenario dahinter war noch immer das von Februar.“ Nun sei erstmals eine richtige Aktualisierung der Prognosen erfolgt, in der allen Faktoren Rechnung getragen worden sei. „Wir haben unter anderem die steigenden Importpreise und angepasste Erwartungen an Wachstum und Inflation mit einberechnet.“ Bei den vorgenommenen Berechnungen sei jetzt eine höhere Inflation für 2023 festzustellen, als vorher angenommen wurde.

Wie wahrscheinlich ist die Auslösung einer Indextranche im Juni tatsächlich? „Die Prognosen sind immer mit Unsicherheiten verbunden – vor allem, weil wir momentan nicht wissen, wie es mit dem Krieg weitergeht“, sagt Schmit. Die Frage, ob Luxemburg zukünftig weiterhin Gas und Öl aus Russland beziehen werde, würden ebenfalls eine Rolle spielen „Es kann also sein, dass sich das noch ändert.“ Momentan liegt der Index bei 930,37 Punkten, die nächste Tranche wird bei 941,12 Punkten ausgelöst.

Inflationsprognose nach Trimester
Inflationsprognose nach Trimester Grafik: Statec

Luxemburg sei nicht alleine mit dem Problem der Inflation, erklärt die Ökonomin. „Die Inflation, die wir jeden Monat gesehen haben, war extrem groß und hat uns auch überrascht.“ Ob denn sogar noch eine dritte Indextranche in diesem Jahr möglich sei? „In dieser Zeit ist natürlich nichts unmöglich, aber wir haben – neben dem publizierten Szenario – noch ein paar weitere Szenarien durchgerechnet. Und das ist in keinem Szenario vorgekommen.“

Fayot: „Keine Tranche wird einfach gestrichen“

Spätestens im kommenden Jahr wird die nächste Tranche aber wohl fallen. Was mit dieser zusätzlichen Tranche passieren wird, ist jedoch noch unklar. Sicher ist nur, dass sie 2023 nicht ausbezahlt werden wird. Das ist im Tripartite-Abkommen festgehalten. Gegenüber Journalisten versprach Wirtschaftsminister Franz Fayot auf Tageblatt-Nachfrage am Mittwochmorgen, dass keine Indextranche einfach gestrichen werde. Eine zusätzliche Tranche in 2023 würde dann bis ins Jahr 2024 verschoben – und die Bürger erneut mittels Steuerkrediten entlastet, sagte er. Alles andere bezeichnete er als „Spekulation“.

Da das Tripartite-Abkommen im Dezember 2023 endet und 2023 Wahlen stattfinden, müsste „sich dann die kommende Regierung damit beschäftigen“, so Fayot. Weiter hob er hervor, dass das Abkommen vorsehe, dass sich die Sozialpartner erneut treffen würden, wenn neue Daten die Ausgangslage verändern. Über alles, was nach 2023 passiere, „muss diskutiert werden“.

Die wichtigsten Indikatoren, die im April zur monatlichen Entwicklung des Gesamtindexes beigetragen haben
Die wichtigsten Indikatoren, die im April zur monatlichen Entwicklung des Gesamtindexes beigetragen haben Grafik: Statec

Steigende Verbraucherpreise

Laut Statec ist der Verbraucherpreisindex im April um 0,8 Prozent angestiegen. Dieser Anstieg sei zum Teil auf die durch die Indexierung gestiegenen Preise verschiedener Dienstleistungen, die Indexierung der Löhne sowie dem Anstieg der Mineralölpreise zurückzuführen.
Die Erdölpreise sind im April im Vergleich zum Vormonat um 1,1 Prozent gestiegen. Das Heizöl machte einen Sprung von 5,5 Prozent, der Diesel wurde um 1,2 Prozent teurer. Die Benzinkosten hingegen bleiben stabil. Im Vergleich zum April 2021 sind die Preise für Erdölprodukte um 59,2 Prozent gestiegen.
Der einprozentige Anstieg der Dienstleistungen in Luxemburg erklärt Statec mit der Indexierung der Gehälter am 1. April. So verzeichnen die Preise für Alten- und Pflegeheime einen Zuwachs von 2 Prozent, die im Gaststättengewerbe ein Plus von 1,2 Prozent und jene der Hausratversicherungen ein Plus von 2,4 Prozent. Auch Dienste zur Wohnungsinstandhaltung sowie die Wartung und Reparatur von Kraftfahrzeugen wurden teurer. „Darüber hinaus ist die Preisgestaltung für medizinische und zahnmedizinische Dienstleistungen mechanisch an die Lohnindexierung gekoppelt“, schreibt Statec.
Auch die Nahrungsmittelpreise setzen ihren Aufwärtstrend fort und verzeichnen im Monatsvergleich einen Anstieg von 1,3 Prozent. Den größten Anstieg gibt es beim frischen Gemüse (plus 3,7 Prozent), Fleisch (plus 2,4 Prozent), Fett und Ölen (plus 1,2 Prozent) sowie Milchprodukten, Käse und Eiern (plus 1,2 Prozent). Es gibt allerdings auch Artikel, die im Vergleich zum Vormonat billiger geworden sind, so etwa frische Meeresfrüchte (minus 1,6 Prozent), Kaffee (minus 1,3 Prozent) und Reis (minus 1,1 Prozent). Konsumenten zahlen demnach im Jahresvergleich 5,6 Prozent mehr für Lebensmittel.
Die Inflation wurde laut Statec zudem von steigenden Möbelpreisen im April (plus 1,5 Prozent) sowie der Anpassung der Tarife für Mobilfunkdienste (plus 2,5 Prozent) angetrieben. Schuhe hingegen sind um 4,2 billiger geworden.
Saisonale Ereignisse wie die Osterferien hätten zudem „einen starken inflationären Einfluss auf das Ergebnis“. So sei beispielsweise der Preis für Flugtickets im Vergleich zum März um 31,4 Prozent gestiegen. Pauschalreisen verzeichnen immerhin eine Preisteuerung von 10,8 Prozent.
Gemäß den neuen Statec-Berechnungen beträgt die jährliche Inflationsrate 7,0 Prozent – gegenüber 6.1 Prozent im März. Demnach steigt die zugrunde liegende jährliche Inflationsrate um 0,7 Prozentpunkte und liegt im April bei 4,2 Prozent. Der Gesamtindex für den April, ausgedrückt auf der Basis 100 im Jahr 2015, liegt bei 115,72 Punkten. Der Halbjahresdurchschnitt des an die Basis 1.1.1918 angeschlossenen Index steigt von 923,26 auf 930,37 Punkte.

Grober J-P.
5. Mai 2022 - 13.14

Naja, die übetreiben wieder. Meine Inflationsrate bis Januar 22 lag nur bei 17,5 %, Flugtickets und Gas nicht mal eingerechnet. Mutti muss die komplette Indextranche im Altersheim tragen, habe gesagt sie solle verhandeln und auf das Frühstück verzichten. :-(

Claude Clemens
4. Mai 2022 - 23.17

haben alle die, die auf den OGBL gekloppt haben, jetzt noch fragen??? der minister "verspricht" dass keine tranche nie und nimmer verloren gehen würde ... die politik hatte auch ein verfassungsreferendum versprochen ... und noch so vieles mehr ... immer noch fragen? "dass das Abkommen vorsehe, dass sich die Sozialpartner erneut treffen würden, wenn neue Daten die Ausgangslage verändern" - die daten, ja gar die prämisse, die verhandlungsbasis der tripartite, hat ja nun geändert - ich gehe also stark davon aus dass der termin für dieses erneute treffen noch in dieser woche schon fest steht? "müsste „sich dann die kommende Regierung damit beschäftigen“" - die selbst-entlarvung.