Samstag8. November 2025

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Interview mit Konfliktforscher„Die Hochphase der Querdenker-Bewegung ist vorbei“

Interview mit Konfliktforscher / „Die Hochphase der Querdenker-Bewegung ist vorbei“
Querdenker haben gleich zu Beginn mit sehr gewaltorientierten und aggressiven Feindbildern operiert, sagt Konfliktforscher Zick Foto: dpa/Jonas Güttler

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Das Impfen geht voran, Deutschland lockert – geht damit den Querdenkern die Puste aus? Im Netz liest man immer öfter von Absetzbewegungen, weil auch viele düstere Prophezeiungen nicht eingetreten sind. Nach Ansicht des Konfliktforschers der Universität Bielefeld, Andreas Zick, erwachen viele Querdenker gerade. Im Gespräch mit dem Tageblatt warnt er vor einer Zersplitterung der Bewegung.

Tageblatt: Herr Zick, ist die Querdenker-Bewegung am Ende?

Andreas Zick: Das glaube ich nicht, auch wenn die Hochphase vorbei ist. Was wir jetzt erleben werden, ist eine Zersplitterung dieser Sammelbewegung. Es werden sektiererische Gruppen entstehen; die einen werden sich weiter radikalisieren, andere werden versuchen, sich zu verbürgerlichen oder sogar parteilich zu organisieren. Was auch bleiben wird, sind die digitalen Netzwerke. Das ist wie bei Pegida.

Das heißt aber, bei einigen gibt es im Moment ein Erwachen?

Ja. Studien zeigen, dass bei den Querdenkern viele aus dem bürgerlichen und akademischen Milieu mitgelaufen sind. Vor allem diesen Menschen wird jetzt klarer, wie verfassungsfeindlich und rechtsextrem die Bewegung zum Teil gewesen ist. Außerdem ist nichts von dem eingetreten, was an Verschwörungstheorien im Umlauf gewesen ist.

Inwieweit besteht die Gefahr der Neuausrichtung, zum Beispiel auf den Klimaschutz?

Schon jetzt gibt es Bestrebungen, auf das Klimathema zu setzen. Denn Freiheit und Grundrechte hält nicht, weil die Einschränkungen fallen. Bei einer Bewegung kommt es aber ebenso darauf an, ob die Führungspersonen in der Lage sein werden, sich selbst mit einer neuen Quelle der Bedrohung zu inszenieren. Beim Thema Grundrechte ist ihnen das zumindest gelungen.

Wir haben unterschätzt, wie viele Menschen ein destruktives Bild von der Demokratie haben

Andreas Zick, Konfliktforscher

Was haben die Organisatoren unterschätzt?

Sie haben nicht die Rechnung mit den Medien gemacht, die eine ganze Reihe an Skandalen aufgedeckt haben. Die Querdenker-Bewegung war für einige auch ein Geschäftsmodell über Schenkungen und Spenden. Da ist mehr Kapital im Spiel als bei Pegida. Außerdem haben die Medien die neuen Verschwörungsmythen schnell hinterfragt. Und: Wir hatten eine Zivilgesellschaft, die die Proteste im Blick hatte, und staatliche Institutionen, die rascher ernst genommen haben, wie die Bewegung von Extremen okkupiert worden ist.

Sind die Querdenker auch überbewertet worden, zumindest medial?

Das fand ich nicht. Denn gleich zu Beginn haben sie mit sehr gewaltorientierten und aggressiven Feindbildern operiert. Sie haben sich direkt in einer Widerstandsbewegung gegen ein System und damit gegen die Demokratie gesehen. Das ist ganz anders als zum Beispiel bei Fridays for Future, die einen gesellschaftlichen Wandel wollen, aber nicht die Werte und Normen anzweifeln.

Welche Lehren ziehen Sie jetzt aus den Protesten?

Wir haben unterschätzt, wie viele Menschen ein destruktives Bild von der Demokratie haben. Auch, wie viele Impfgegner es jenseits von Corona gibt. Wir haben zudem unterschätzt, dass doch sehr viele Menschen leicht abholbar sind und dann Verschwörungsmythen bis hin zum Antisemitismus teilen. Nach unseren Studien sind das rund 20 Prozent, die dafür empfänglich sind. Darüber hinaus ist eine neue Wissenschaftsfeindlichkeit entstanden. Das alles sind Herausforderungen, die uns noch beschäftigen werden.