In seiner Neujahrsansprache meinte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD): „Unser Zusammenhalt ist unser größtes Pfund.“ Der Satz war an die Bürger gerichtet. Insgeheim aber vielleicht auch als Bitte an seine Koalitionäre gedacht. Denn die Ampel beginnt das neue Jahr so, wie sie das alte beendet hat – mit einigen strittigen Themen. Das sind derzeit die fünf Großbaustellen, auf denen es zwischen SPD, Grünen und FDP (noch) nicht vorangeht.
Corona-Maßnahmen. Auch im neuen Jahr belauern sich zwei Ressortchefs wie Boxer in ihren Ecken: Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und Justizminister Marco Buschmann (FDP). Die Einschätzung des Virologen Christian Drosten, die Pandemie sei vorbei, hat den Disput in der Ampel neu entfacht. Buschmann ist dafür, „die letzten Corona-Schutzmaßnahmen“ wie Masken- und Isolationspflichten zu beenden. So fordern es auch andere Liberale. Lauterbach ist dagegen. Er verweist auf volle Kliniken und überlastetes Personal. Eine Einigung ist nicht in Sicht. Nach aktuellem Infektionsschutzgesetz gelten die verbliebenen Maßnahmen auf Bundesebene, etwa die FFP2-Maskenpflicht in Fernzügen und Fernbussen, noch bis zum 7. April.
Waffenrecht. Da rummst es gerade gewaltig zwischen FDP und SPD, wobei die Grünen mit im Lager der Genossen sind. Seit der Razzia in der Reichsbürgerszene im Dezember wird über eine Verschärfung des Waffenrechts debattiert. Die Liberalen lehnen sie ab. Innenexperte Konstantin Kuhle sagte dem Tageblatt, es habe schon einige Änderungen gegeben, ohne dass sie „auf ihre Wirksamkeit und Sinnhaftigkeit hin überprüft worden wären“. Die FDP fordert daher eine Evaluation des bestehenden Waffenrechts und will die illegalen Schusswaffen stärker ins Visier nehmen. Grünen und SPD reicht das aber nicht. Sie wollen insbesondere halb-automatische Waffen im Privatbesitz verbieten. Und wenn das nicht durchzusetzen ist, schlägt die SPD vor, dass Waffenteile künftig getrennt aufbewahrt werden müssen. Fraktionsvize Dirk Wiese sagte dem Tageblatt, es brauche endlich „pragmatische Lösungen“. Justizminister Buschmann müsse „weg von einem absolutistischen Freiheitsbegriff“. Ein Frontalangriff auf den Liberalen.
Planungsbeschleunigung. Auch hier hakt es, vor allem zwischen FDP und Grünen, zwischen Verkehrsminister Volker Wissing und Umweltministerin Steffi Lemke. Wissings Gesetz lehnt Lemke ab. Denn für den Liberalen haben auch der Bau und die Instandsetzung maroder Brücken und Straßen besondere Priorität. Ansonsten drohten Wirtschaft und Gesellschaft „ein enormer Stresstest“ durch dauerhafte Engpässe, so Wissing. Lemke räumt zwar ein, dass Beschleunigung für zentrale Vorhaben notwendig sei, aber sieht dies eher beim Ausbau der Erneuerbaren oder dem Brückenersatz. „Nicht dazu gehören allerdings Autobahnen, Flughäfen, Straßenneubau oder Wasserstraßen“, so die Grüne unlängst. Außerdem pocht sie auf die Einhaltung von Umweltaspekten. Die Gespräche dazu seien sehr komplex, heißt es aus Regierungskreisen. Schließlich gehe es um unterschiedliche Interessen.
Zweifel an Eignung Lambrechts als Ministerin
Sicherheitspolitik. Das völlig missglückte Silvestervideo von Verteidigungsministerin Christine Lambrecht dürfte nicht dazu beitragen, die Konflikte in sicherheitspolitischen Fragen zu beheben. Im Gegenteil: Auch in der Koalition wachsen die Zweifel an der Eignung der SPD-Frau. Um weitere Waffenlieferungen an die Ukraine wird nach wie vor gerungen. Laut Koalitionsvertrag soll es auch eine „Nationale Sicherheitsstrategie“ geben, die die Ampel unter Federführung des Verteidigungsressorts im ersten Jahr vorlegen wollte – zur Bündelung von Ressourcen und Planungsprozessen, für das, was in der aktuellen Sicherheitslage wichtig ist und was nicht. Doch es gibt offenbar unter führenden Koalitionären Dissens bei den Themen Waffenexporte, Entwicklungshilfe und dem Umgang mit China.
Einbürgerung. SPD und Grüne drängen auf Erleichterungen. So sollen Ausländer künftig in der Regel schon nach fünf statt nach acht Jahren einen deutschen Pass bekommen können. Für Angehörige der sogenannten Gastarbeitergeneration sollen die Hürden für die Einbürgerung ebenso gesenkt werden. Ein entsprechender Gesetzentwurf der Ampel-Koalition ist in der Vorbereitung. Zuletzt gab es aber jede Menge Vorbehalte aus der FDP. Dass in diesem Bereich eine zusätzliche Baustelle abgeräumt worden ist, könnte bei einer Einigung helfen: Den Posten des Sonderbeauftragten für Migration übernimmt der frühere NRW-Integrationsminister Joachim Stamp – ein FDP-Mann.
De Maart
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